Schwerpunktthema GENTECHNOLOGIE

Univ. Prof. Dr.  Wilfried Feichtinger

Prof. Feichtinger war 1982 für die Zeugung des ersten Österreichischen Reagenzglas-Babys verantwortlich. 
"kreuz + quer" und "Religion On" sprach mit Prof. Feichtinger über seinen Zugang zu den Techniken der Gentechnologie.

Stichworte:
Invitrofertilisation

Unfruchtbarkeit

Fortpflanzungsmedizin und Ethik

Präimplantationsdiagnostik

"Therapeutisches Klonen" und Umgang mit Embryos

 

 

"Sicher schon über 3000 Kinder"

Wie sind Ihre Erfahrungen nach 20 Jahren Tätigkeit? Was hat die Invitrofertilisation bewirkt?

FEICHTINGER: Es ist an sich eine sehr schöne Tätigkeit, wenn man Paaren helfen kann, die ungewollt kinderlos sind, und es ist immer sehr erfreulich, wenn dieser Wunsch mit Hilfe des Arztes in Erfüllung gehen kann.

Wie viele Kinder sind auf diese Art und Weise auf die Welt gekommen?

FEICHTINGER: Also durch die Tätigkeit meines Institutes und meines Teams, auch schon damals an der Frauenklinik, sind es sicher schon über 3000.

Welche Personen kommen zu Ihnen, wer kann sich das leisten?

FEICHTINGER: Ja, es war lange Jahre so, dass die Invitrofertislisation in Österreich überhaupt nicht von den Krankenversicherungsträgern unterstützt worden ist, leider muss man sagen, und eine Privatleistung war. Es gab sicher viele, viele, die sich es nicht gut leisten konnten. Dann darf man nicht vergessen, es ist nicht jeder Versuch erfolgreich. D.h. es erfordert oft mehrere Versuche und das ging dann schon ins Geld. Wir sind in Österreich seit einem Jahr in der glücklichen Lage, dass der Staat mit einer Förderung, mit dem sogenannten Invitrofertislisation Fonds die Patientinnen und Patienten unterstützt und seither ist es wesentlich leichter geworden.

 

"Unfruchtbare Patientinnen und Patienten hat es immer gegeben"

Gab es in den letzten 20 Jahren Veränderungen, was die Zeugungsfähigkeit der Männer, bzw. Fruchtbarkeit der Frauen betrifft?

FEICHTINGER: Also unfruchtbare Patientinnen und Patienten hat es immer gegeben. Es gab immer wieder Berichte über Königshäuser, wo keine Nachkommen da waren. In den 70er Jahren gab es nur die Eileiteroperation. Noch in den 80er Jahren gab es eigentlich keine Möglichkeit, zu helfen, wenn der Samenbefund des Mannes schlecht war.

Die neuen Methode ist erst Anfang der 90er Jahre gekommen. Eine Injektion der Spermien in die Eizelle und erst seit zehn Jahren können wir auch in diesen Fällen helfen. Also es hat sich einiges getan und der Umfang jener Paare, denen wir heute mit dieser Methode helfen können, ist viel größer geworden.

Bewirkt das jetzt auch, dass ältere Paare zu Ihnen kommen?

FEICHTINGER: Ich meine, das ist ein soziales Problem, weil einfach heute Frauen aber auch Männer sich ihren Kinderwunsch später erfüllen wollen, als das früher der Fall war. Das bringt zugleich auch einen Anstieg der Unfruchtbarkeit mit sich. Ich bin der Meinung, dass die vermehrte Unfruchtbarkeit zum Teil durch dieses Phänomen bedingt ist, dass Paare sich eben sehr spät entschließen, sich den Kinderwunsch zu erfüllen.

Nimmt Zeugung durch natürlichen Sex ab, geht der Trend mehr zu Invitrofertislisation?

FEICHTINGER: Das ist ein Zukunftsbild, das heute schon gemalt wird. Es haben viele Menschen Probleme, die Fortpflanzung von der Sexualität zu entkoppeln, umgekehrt komischer Weise ist das leichter. Es akzeptieren heute schon die meisten, dass es einen Sex ohne Fortpflanzung gibt. Aber eine Fortpflanzung ohne Sex ist noch schwierig vorzustellen. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das eine Zukunftsvision sein kann.

Was kann sich noch an ihrem Gebiet verbessern?

FEICHTINGER: Vielleicht sollte man grundsätzlich sagen, dass das aller erste Ziel jener Forscher, die auf diesem Gebiet arbeiten, eigentlich die Verbesserung der Behandlung der Patientinnen und Patienten sein sollte. Und daran arbeiten wir auch seit 20 Jahren.

Alles andere, das mit Science Fiction zu tun hat, wird sich nur dann erfüllen, wenn wirklich der Patientenwunsch dahinter steckt.

Ich könnte mir vorstellen, wenn es wirklich einen Sinn hat für ein unfruchtbares Paar durch Klonen zum gewünschten Nachwuchs zu kommen, dass es dann auch einen Sinn hätte, zu klonen. Im Moment sehe ich diese Indikationen aber nicht.

Also muss man abwarten, wer wirklich welche Methode braucht.

 

"Abusus non tolit usum"

Haben sie sorge vor Missbrauch?

FEICHTINGER: Es gibt einen alten Grundsatz der Ethik, der heißt: ..Abusus non tolit usum. Was heißt, man kann jede Methode missbrauchen aber deswegen ist eine Methode nicht schlecht und deswegen sollte sie nicht verboten werden, nur weil man damit auch Missbrauch betreiben kann. Und ich glaube, das gilt – mehr denn je – auf dem Gebiet der Fortpflanzungsmedizin.

Wovor haben die Menschen Angst?

FEICHTINGER: Ich meine, die Menschen haben eher Angst vor dem Unbekannten und vor dem, das sie nicht so richtig verstehen.

Ich meine, dass viele dieser Zukunftsvisionen viel leichter akzeptabel werden, wenn die Leute einmal verstehen, worum es wirklich geht und was wirklich positive Anwendungsgebiete sein könnten. Dann könnte man sich auch mit Dingen und mit Techniken anfreunden, die vielleicht heute schief angeschaut werden.

Sie persönlich kommen in keinen ethischen Konflikt??

FEICHTINGER: Im Gegenteil, ich sehe eher einen ethischen Konflikt, wenn man durch restriktive Gesetzgebung, Forschung und auch Anwendung gewisser neuer Techniken verbietet, weil man damit immer kranke Patientinnen und Patienten behindert.

Weil man damit auch den Fortschritt behindert und weil man nie weiß, welcher Fortschritt nicht irgendwann für uns alle einmal wichtig sein wird.

 

"Die Präimplantationsdiagnostik hat eine große Zukunft"

Erbkrankheiten und Präimplantationsdiagnostik?

FEICHTINGER: Das ist ein typisches Beispiel für eine Methode, die mehr oder weniger gesetzlich untersagt wurde, als es die Methode noch gar nicht gab.

Die Präimplantationsdiagnostik hat eine große Zukunft, nicht nur zum Ausschalten von Erbkrankheiten sondern auch zur Verbesserung der Reproduktionsmedizin im allgemeinen, weil sie es möglich macht, an frisch befruchteten Eizellen festzustellen, ob diese überhaupt imstande sind, gesunde Embryonen auszubilden. Und die Präimplantationsdiagnostik wäre ein hervorragendes Mittel, Abtreibungen zu vermeiden, zu verhindern, dass missgebildete Kinder mit 16 – 20 Schwangerschaftswochen abgetrieben werden. Das könnte man alles schon vorweg nach dem Motto "vorbeugen ist besser als heilen" und nach dem Motto "Abtreibungen verhindern" durch die Präimplantationsdiagnostik erreichen.

 

"Jede Liberalisierung kann a la longue für die Menschheit an sich gut sein"

Wie stehen sie zum therapeutischen Klonen?

FEICHTINGER: Ich muss grundsätzlich wieder darauf zurückkommen, dass jede Liberalisierung auf diesem Gebiet a la longue für Patientinnen und Patienten, für die Menschen an sich, gut sein kann. Wir wissen noch nicht genau, was bei diesen Forschungen herauskommt, aber ich sehe immer die möglichen positiven Einwirkungen, die Möglichkeit eines Missbrauches sehe ich eher nicht.

Was sagen sie zum Wegwerfen von Embryos?

FEICHTINGER: Ja, ein Embryo ist eine befruchtete Eizelle, zumindest jene Embryos, die wir hier im Brutschrank haben. Man sieht noch nicht den Unterschied zwischen Plazenta und dem eigentlichen Embryo. Das hat alles erst die Möglichkeit, sich zu einem richtigen Embryo zu entwickeln.

Auch hier besteht ein Gesetzeskonflikt, weil nämlich wir vom Gesetz her gezwungen werden, befruchtete Eizellen und Embryonen nach einem Jahr zu vernichten, weil wir vom Gesetz her gezwungen werden, auch frische Embryonen nicht lange aufzuheben.

Ich verstehe die Debatte aus ethischer Sicht darüber fast nicht. Solange mich der Gesetzgeber zwingt, durch eine kurze Frist so etwas zu tun, brauche ich mir über anderes nicht den Kopf zu zerbrechen.

Embryos nur für Forschungszwecke zu verwenden, wäre demzufolge gar kein Problem?

FEICHTINGER: Das ist vielleicht ein Gedanke dahinter. Aber ich bin auch der Meinung, dass das eine sehr restriktive Gesetzgebung ist. Und so lange der Gesetzgeber uns, wie gesagt, dazu zwingt, zu tun, was wir nicht wollen, ist das eine sehr ungute Situation und ich mag eigentlich gar nicht darüber nachdenken, dass wir das tun müssen.

Es wäre viel besser, wir hätten eine liberalere Möglichkeit, so dass wir eine pränatale Adoption durchführen könnten.

Es gibt genug Paare, die wären bereit, einen tiefgekühlten Embryo zu adoptieren und damit diesem werdenden Leben zumindest die Möglichkeit zu geben, sich auch weiter zu entwickelten.

Was sagt Ihnen "Genetisches Gold"?

FEICHTINGER: Es handelt sich dabei um ein so genanntes Stammzellenbanking, wo Eltern sich entschließen, nach der Geburt das Nabelschnurblut, das noch sehr pluripotent ist und später verwendet werden kann, um Krankheiten beim Kind z.B. zu heilen, konservieren, also einfrieren zu lassen.

Es gibt derzeit in Europa noch wenige Stellen, die das durchführen und es ist auch eine Frage der Organisation. Aber ich finde, das ist durchaus eine Methode der Zukunft und das sollte man, wenn die Möglichkeiten bestehen, auch propagieren. Das ist etwas, was nur günstig sein kann.

Was für ein Gefühl haben Sie bei einer Zeugung im Glas?

FEICHTINGER: Das ist ein sehr beeindruckender Vorgang, vor dem man, glaube ich, immer noch große Ehrfurcht hat. Das betrifft sicher auch meine Assistentinnen. Auf der anderen Seite muss es Routine sein, wenn man viele Patientinnen täglich behandelt. Aber man sollte die Ehrfurcht vor diesem Vorgang nie ganz verlieren.

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Kurzbiografie von Prof. Feichtinger:

geb. am 19. Oktober 1950 in Wien-Döbling.

1957 - 1961 4 Klassen Volksschule in Wien Leopoldstadt.
September 1961 - Mai 1969 8 Klassen Bundesrealgymnasium Wien 3, Hagemüllerg.30. Dort Matura am 10. Juni 1969.

Wintersemester 1969/70 Beginn des Medizinstudiums an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien.
Promotion zum Doktor der gesamten Heilkunde am 16.Mai 1975.

Eintritt an der Internen Abteilung des Krankenhauses Baden bei Wien als Turnusarzt am 20. Mai 1975; am 6 Januar 1976 Wechsel auf die dortige Gynäkologisch-Geburtshilfliche Abteilung.

Am 1. September 1977 Eintritt an der II. Univ. Frauenklinik Wien als Universitätsassistent; Ausbildung zum Facharzt für Geburtshilfe und Gynäkologie 

Im April 1983 Austritt aus der II. Univ. Frauenklinik Wien und Gründung des Instituts für Endokrinologie der Fortpflanzung und in vitro Fertilisation gemeinsam mit Dr. Peter Keme- ter in Wien-Hietzing. Fortsetzung der intensiven wissenschaftlichen Tätigkeit.

Habilitation am 7. Oktober 1986 (Fach Reproduktionsmedizin), zugeordnet der II. Univ. Frauenklinik. Seither regelmäßige Vorlesungstätigkeit. 

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Informationen über das Institut von Prof. Feichtinger

1982 wurde das erste  IVF-Babys in Österreich geboren

1983 Gründung des Institutes durch Prof. Wilfried Feichtinger, den „Vater“ des 1. österreichischen IVF-Babys

1984 Entwicklung der ultraschallgezielten transvaginalen Eibläschenpunktion durch Prof. Wilfried Feichtinger in Zusammenarbeit mit der österreichischen Ultraschallfirma Kretz-Technik.

1990 Einführung der laserunterstützten „Schlüpfhilfe“ – assisted hatching, und Entwicklung eines dafür geeigneten Lasergerätes mit der Firma LISA-Laser

1993 Einführung der intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI)

1994 Geburt des 1. Kindes nach ICSI und operativer Samengewinnung aus dem Hoden

1995 Weltkongress für IVF und assistierte Reproduktion in Wien unter dem Vorsitz von Prof. Wilfried Feichtinger

Seit der Gründung des Institutes wurden ca. 1600 IVF-Babys geboren.

LINKS:
Homepage von Prof. Feichtinger

Institut für Sterilitätsbetreuung
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Letztes Update dieser Seite am  19.02.2001 um 13:04 

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