Schwerpunktthema GENTECHNOLOGIE

Gespräch mit 
Prof. Dipl. Ing. Dr. Hans Niedermüller

Stichworte:
Erforschung des Alterungsprozesses

Zellteilung

Wissenschaft und Religion
Lebensbeginn und Lebenserwartung
Gentechnik in der Altersmedizin

 

"Sozusagen eine Modulation des Alterungsprozesses"

Was haben diesen vielen Ratten mit der biologischen Uhr des Menschen zu tun?

NIEDERMÜLLER: Die Biologie von Nagetieren, wozu ja die Ratten gehören, ist sehr ähnlich der Biologie des Menschen und da die Nagetiere eine niedrige Stufe der Säugetiere darstellen, und es über die ganze Spanne bis zum Menschen sehr wenige Veränderungen gibt ist auch für den Menschen durch die Untersuchungen an diesen Versuchstieren ein Gewinn an Erkenntnis möglich

Wozu Räder

NIEDERMÜLLER: Die Laufräder dienen dazu, dass die spontane, freiwillige Lauffreudigkeit der Tiere animiert wird, diese soll, die Alterungsgeschwindigkeit beeinflussen. Das ist sozusagen eine Modulation des Alterungsprozesses. Wir erhoffen uns davon eine Verlangsamung, und Hinweise darauf gibt es.

Warum beschäftigen wir uns so intensiv mit dem Alter?

NIEDERMÜLLER: Erstens einmal ist ein Lebensabend, der in optimaler Weise gestaltet werden kann, für den Menschen etwas sehr Erstrebenswertes und daher ist es notwendig, auch zu wissen, welche Veränderungen mit dem Altern auftreten. Und das zweite ist, dass natürlich jeder Mensch und die Populationen, die Bevölkerungen bisher alle den Wunsch gehabt haben, länger zu leben. Und zwar in einem optimalen Zustand. In gesunden Verhältnissen, in optimalen sozialen Verhältnissen. Und daher ist die Alternsforschung auch entstanden.

Wo kann Gentechnologie eingesetzt werden, um Alterskrankenheiten zu bekämpfen?

NIEDERMÜLLER: Prinzipiell sind es gerade bestimmte Alterskrankheiten, wie z. B. Alzheimer aber auch andere Krankheiten, die eine genetische Ursache zu haben scheinen. Daher ist es sicher möglich, durch eine Verbesserung gentechnischer Methoden eine Gentherapie dort anzusetzen. Eine Methode, die heute noch nicht möglich ist aber in fünfzig Jahren zu Ergebnissen für die Therapie solcher Alterskrankheiten führen kann.

Welche Tiere werden für die Untersuchungen verwendet?

NIEDERMÜLLER:Es gibt sehr viele Untersuchungen an gentechnisch veränderten Mäusen, an sogenannten transgenen Mäusen, bei denen Gene implantiert wurden, die bei diesen Tieren ähnliche Formen der Demenz, wie die Alzheimerdemenz zeigen. Und das gibt wieder einen Hinweis darauf, dass eine Möglichkeit besteht, wenn man die Mechanismen kennt, auch dort einzugreifen.

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"Würden sich diese Zellen teilen, hätten wir keine Garantie auf ein Gedächtnis"

Gibt es Zellteilung ad infinitum?

NIEDERMÜLLER: Es gibt Zellen im lebenden Bereich, die sich ad infinitum teilen können. Das sind die Bakterienzellen und andere Einzeller.

Was sind die Vor- und Nachteile der Zellteilung?

NIEDERMÜLLER: Wie gesagt, es gibt Zellen in der Natur, die sich immer teilen.

Was bei höheren Organismen wie den mehrzellig organisierten Säugetieren nicht der Fall ist. Da gibt es Zellen, die Teilungsfähigkeiten behalten haben und Zellen, die man als postmethodische Zellen bezeichnet, die sich nicht mehr teilen können. Wie zum Beispiel Neuronen oder Muskelzellen, was aber nicht mehr ganz stimmt, da man diese heute mit bestimmten Mitteln auch zur Teilung bewegen kann.

Der Vorteil der Tatsache, dass diese Zellen sich nicht mehr teilen, ist die Aufrechterhaltung einer hohen Ordnung und die Aufrechterhaltung der Ordnungsprinzipien. Damit bleiben die Information und zum Beispiel das Gedächtnis gewährleistet. Würden sich die Zellen teilen, hätten wir keine Garantie, dass das Gedächtnis aufrecht erhalten bleiben könnte.

Wie sehen Sie die maximale Lebenserwartung des Menschen?

NIEDERMÜLLER: Die maximale Lebenserwartung, die wir kennen, das heißt die Lebenserwartung des letzten noch lebenden Menschen in der Gesamtpopulation der Menschheit, ist 122 Jahre. Das kann bis jetzt durch kein Mittel überschritten werden. Die durchschnittliche Lebenserwartung kann erhöht werden. Aber die maximale Lebenserwartung ist begrenzt mit etwa 120 Jahren.

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Ist es Ziel der Altersforschung, das Erreichen der maximalen Lebenserwartung bei maximaler Lebensqualität zu ermöglichen?

NIEDERMÜLLER: Es ist das Interesse und das Ziel der Altersforschung, dass wir diese genetisch bestimmte Lebenserwartung von 120 Jahren ausschöpfen, aber eben in optimaler und bester Lebensqualität. Es ist nicht sinnvoll, dass diese Seneszenz mit Alterskrankheiten und Siechtum einher geht.

"Die Naturwissenschaft muss Gott ausklammern"

Wie sehen Sie das Verhältnis von Gott und Naturwissenschaft?

NIEDERMÜLLER: Prinzipiell hat die Naturwissenschaft natürlich nichts mit Gott zu tun, sie muss ihn sogar aus ihrer Methodik ausklammern, weil sie sonst nicht zu Ergebnissen kommen kann. Und heutzutage hat die Theologie sich ja soweit auf die veränderten Verhältnisse eingestellt, dass die Ergebnisse der Naturwissenschaft, soviel ich weiß, in der Theologie zum Großteil akzeptiert sind, bis auf bestimmte Sekten, wo es noch nicht der Fall ist.

Hat ein Embryo weniger Lebenswert als ein alter Mensch?

NIEDERMÜLLER: Das kann ich nur subjektiv für mich selber beantworten. Für mich hat ein Organismus, der potentiell zur Entwicklung eines Bewusstseins fähig ist, nicht den selben Stellenwert wie ein Organismus, auch wenn er ein alter Organismus ist, der voll mit Bewusstsein ausgestattet ist. Obwohl das natürlich sehr kontroversiell ist.

Warum träumt ein Mensch von ewiger Jugend?

NIEDERMÜLLER: Erstens einmal will er älter werden oder er will länger leben ohne älter und siech zu werden. Alles das, was er bisher gemacht hat, will er ja fortsetzen. Er will seine Kontakte knüpfen, und so weiter.

Das ist ein Wunsch, der auch legitim ist. Das zweite hat aber einen allgemeinen Hintergrund. Ein Lebewesen, wie der Mensch, der ja unglaublich viel Informationen aufnimmt und verarbeitet, kann diese Erfahrungen je älter er wird umso besser integrieren. Das heißt, er kann mit diesen Erfahrungen für die gesamte Menschheit viel mehr beitragen als ein junger Mensch.

Wenn jemand 1000 Jahre alt werden könnte, sammelt er so viel Erfahrungen, die er positiv einsetzen kann für sich und für andere.

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"Das ist eine große Frage, wann in dieser Entwicklungslinie vom Embryo bis zur Geburt bewusstes Leben beginnt"

Wann beginnt für Sie Leben?

NIEDERMÜLLER: Das ist eine Frage, die man differenzieren muss. Man muss fragen: Wann beginnt menschliches Leben? Menschliches Leben beginnt natürlich mit der Zeugung, das ist völlig klar. Wann aber beginnt bewusstes, menschliches Leben? Das ist eine große Frage, wann in dieser Entwicklungslinie vom Embryo bis zur Geburt bewusstes Leben beginnt. Oder ob sich das erst zu irgendeinem Zeitpunkt nach der Geburt zu entwickeln beginnt.

Und wann beginnt Leben? Das ist überhaupt nicht zu beantworten, denn dieses Leben ist, soviel wir aus den ganzen Untersuchungen wissen, vor 5 Milliarden Jahren auf der Erde entstanden.

Und wie das begonnen hat, das sind reine Spekulationen.

Wie sah die Evolution der menschlichen Lebenserwartung aus?

NIEDERMÜLLER: Die Menschheit, schätzt man, ist seit etwa 5 Millionen Jahren auf dieser Erde. Der eigentliche Mensch ist aber der Homo sapiens, der sich erst vor relativ kurzer Zeit entwickelt hat. Und mit dieser Entwicklung, vor etwa 200.000 Jahren, sind zwei Ereignisse gleichzeitig eingetreten. Das eine war die Erhöhung der Lebenserwartung, der maximalen Lebenserwartung von etwa 30 auf 120 Jahre. Das zweite war eine Gehirnentwicklung von 500g auf etwa 1500g. Diese beiden Entwicklungslinien sind hoch korreliert. Die durchschnittliche Lebenserwartung dieser Homo sapiens Spezies ist aber bis zum Beginn des 19.Jhdts. immer gleich geblieben und lag bei etwa 30 Lebensjahren, wobei Männer damals eine durchschnittliche höhere Lebenserwartung gehabt haben als Frauen.

Dann hat sich das ganze aus vielen verschiedenen Gründen umgekehrt. Bessere Lebensqualität, bessere medizinische Behandlung, größere Kenntnisse im medizinischen Bereich, bessere Ernährung. Und die durchschnittliche Lebenserwartung, bei konstant zugrunde liegender maximaler Lebenserwartung von 120 Jahren, ist von 30 Jahren in den letzten 200 Jahren auf 80 bis fast 90 Jahre in den hochentwickelten zivilisierten Gesellschaften gestiegen.

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"Gentechnische Eingriffe, damit jedes Individuum eine höhere Lebensqualität hat"

Welche Rolle sollen gentherapeutischen Eingriffe in der Altersmedizin spielen?

NIEDERMÜLLER: Wie ich schon früher ausgeführt habe, ist es möglich, durch Eingriffe in das genetische Material die Seneszenz mit einer höheren Lebensqualität auszustatten. Indem man zum Beispiel Krankheiten verhindert, die erst in höherem Alter auftreten. Genau so wäre es von Interesse gentechnische, gentherapeutische Eingriffe in den menschlichen Organismus zu machen, wenn es das Leben in der Weise verändert, dass jedes Individuum eine höhere Lebensqualität hat und die gesamte Gesellschaft dadurch Vorteile gewinnt. Diese Eingriffe müssten aber, weil bisher Techniken fehlen, um sie in jeder Zelle des fertig entwickelten Organismus durchzuführen, schon zum Zeitpunkt der Entwicklung des Organismus gemacht werden. Also beim menschlichen Embryo oder spätestens beim Fetus, um solche Erhöhungen der menschlichen Lebenserwartung, die an und für sich positiv sind zu erreichen. Und damit sind sie in meinen Augen auch moralisch gerechtfertigt.

Link:
Institut für experimentelle Gerontologie
e-mail:hans.niedermueller@vu-wien.ac.at

 

Letztes Update dieser Seite am  19.02.2001 um 13:03 

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