Schwerpunktthema GENTECHNOLOGIE

Gespräch mit der Gentechnikerin 
Prof. Schröder

Stichworte:
Ethik
"Der entschlüsselte Mensch"
Perfektion

Was wünschen Sie sich am meisten?

SCHRÖDER: Am meisten wünsche ich mir, mehr Zeit zu haben für meine Arbeit. Der Wissenschaftler, der mit Leidenschaft forscht, wünscht sich, dass er sich voll auf seine Arbeit konzentrieren kann. Und das ist aber nicht möglich, weil wir viele andere Dinge nebenher machen müssen, wie: Finanzierung, Management, Lehre. Es sind viele Dinge, die auch wichtig sind aber die nehmen uns natürlich viel Zeit weg, von dem, was wir wirklich machen wollen.
Und wir haben auch wenig Zeit, uns sehr intensiv mit den einzelnen Dingen zu beschäftigen, weil man immer unter Druck steht. Druck von der Konkurrenz, Druck rechtzeitig wieder Mittel heranzuholen, Studenten auszubilden.
Es ist generell wenig Zeit, um die Dinge langsam und in Ruhe machen zu können.

 

"Gentechnik ist nicht so eine Frage der Ethik"

Überlegen Sie sich auch die ethischen Konsequenzen Ihrer Tätigkeit?

SCHRÖDER: Selbstverständlich. Damit sind wir täglich beschäftigt. Aber ich möchte eines richtig stellen: Gentechnik ist nicht so eine Frage der Ethik.
Ich glaube, es wird hier sehr viel vermischt. Nämlich Genetik und dann Reproduktionstechnologie und Gentechnik, Biotechnologie.
Das sind verschiedene Dinge und man soll nicht versuchen, alles unter einen Hut zu geben. Das schafft die Verwirrung.
Die Gentechnik ist eine sehr gute, sehr brauchbare Technik und damit kann man sehr viel gute Dinge machen. Und hier liegt nicht das Problem der Ethik. Das Problem der Ethik ist die Anwendung in der Reproduktionstechnologie.

Schafft die Gentechnik nicht die Grundlagen der ReproduktionsTechnologie?

SCHRÖDER: Nur teilweise. Die Reproduktionstechnologie, die momentan geforscht wird und ausgearbeitet wird, beinhaltet nicht die Gentechnik. Die Gentechnik ist die Veränderung der Gene direkt.

Man verwechselt auch die Gentechnik mit der genetischen Untersuchung auf genetische Defekte. Die PCR Technologie, die Pränataldiagnose, das sind andere Dinge. Die werden natürlich mit gentechnischen Methoden untersucht, beinhalten aber nicht die Gentechnik selbst.
Und die Genetik beruht natürlich auf der Wissensansammlung.
Je mehr wir wissen, desto mehr Verantwortung haben wir. Und Wissen ist nicht immer Befreiung, Wissen ist natürlich auch eine Last, Entscheidungen treffen zu müssen. Und da glaube ich, ist das Problem der Ethik.

Warum Konzentriert sich die Wissenschaft auf Embryonen und nicht auf adulte Stammzellen?

SCHRÖDER: Dazu bin ich nicht kompetent genug, das zu beantworten. Ich glaube auch nicht, dass die Wissenschaft sich darauf konzentriert.
Die Stammzellen sind sozusagen ethisch akzeptierter als die Embryonenforschung. Das ist ein schweres Gebiet, weil es natürlich von der Invitrofertilisation sehr viele Embryonen gibt, die tiefgekühlt sind. Soll man diese umbringen oder soll man sie für irgendetwas verwenden dürfen?
Das ist der Kern der ethischen Frage. Und hier muss gesellschaftlich natürlich sehr viel darüber diskutiert werden.
Was kann die Gesellschaft akzeptieren?
Und vor allem, was die Eltern dieser Embryonen?

"Den Menschen wird man nie entschlüsseln"

Wann hat man den Menschen entschlüsselt?

SCHRÖDER: Den Menschen wird man, glaube ich nie entschlüsseln. Die DNA-Sequenz wird bekannt sein, wahrscheinlich in zehn Jahren auch ganz geordnet, aber damit verstehen wir noch nicht, was die Sequenz bedeutet. Wir müssen dann alle Gene finden, die Funktion aller Gene kennen lernen, und dann wenn wir die Funktionen aller Gene wissen, dann müssen wir anfangen, über die Wechselwirkung der einzelnen Genprodukte nachzudenken.

Um zu verstehen, was macht Genprodukt 1, wenn Genprodukt 2 verändert wird?
Das ist sehr, sehr komplex.
Und ich glaube, je mehr wir wissen, desto mehr merken wir, was noch alles zu erforschen ist.
Also 100 Jahre lang werden sicher noch 100.000 Wissenschaftler molekularbiologisch arbeiten können.

"Was sich nicht verändert ist tot"

Ist der perfekt geklonte Mensch eine Utopie?

SCHRÖDER: Selbstverständlich. Der perfekt geklonte Mensch ist meiner Meinung nach kein wirkliches Lebewesen.
Wenn es eine Gesellschaft geben sollte, die sich perfekt geklonte Menschen wünschen sollte, dann ist das wahrscheinlich eine Gesellschaft, die völlig uninteressant ist, die nicht lebenswert, nicht menschlich ist.

Und vor allem, es treten immer wieder Veränderungen auf. Man soll nicht vergessen, dass bei jeder Reproduktion Fehler passieren. Und nicht nur Fehler, die sich schlecht auswirken sondern auch Fehler, die sich gut auswirken. Nur bezeichnen wir sie dann nicht als Fehler. Aber die Veränderung wird immer da sein.
So werden auch immer neue Krankheiten, neue Viren, neue Bakterien entstehen. Etwas, was sich nicht mehr ändert, ist tot. Und daherwird es keinen perfekten Endzustand geben.

Bringt die Zukunft das Designerbaby?

SCHRÖDER: Designer Babys sind sicher keine wünschenswerte Entwicklung, ich glaube auch nicht, dass es dazu kommen wird. Es wird aber sicherlich zu einer vermehrten Auswahl von Eigenschaften kommen, wenn es um genetische Krankheiten geht. Wenn ein Paar weiß, dass sein Kind mit 50 - 60%-iger Wahrscheinlichkeit mit einem bestimmten Schaden auf die Welt kommen kann, so wird es durch die Pränataldiagnose sicher so sein, dass es sich das gesunde Baby aussuchen wird. Ich glaub, diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Das finde ich teilweise auch vernünftig.
Obwohl ich auch der Meinung bin, dass man das Fehlerhafte in der Gesellschaft akzeptieren muss.
Man muss nicht glauben, dass alles perfekt sein muss. Und ich glaube, dass die Diversität sehr wichtig ist und dass die Akzeptanz, die Solidarität, die Toleranz für das Verschiedene, für das Andersartige in einer Gesellschaft sehr, sehr wichtig ist. Und daher glaube ich nicht, dass sich alle ein perfektes Baby wünschen können, oder das überhaupt wollen.

Warum trachtet der Mensch nach dem Perfektem?

SCHRÖDER: Ich glaube, der Wunsch nach dem Perfekten kommt sicher aus der Religion.
Dass der Mensch Gott ähnlich sein will, er hat ein Gottesbild geschaffen und er möchte diesem Gottesbild ähnlich werden.
Was perfekt ist, ist ja auch eine Definitionssache.
Die eine Gesellschaft findet das eine perfekt, die andere findet etwas anderes perfekt.
Man will sich ja auch selbst gefallen, man will ja mit sich selbst zufrieden sein und man hat Ideale. Und ich finde das auch schön, dass man Ideale hat und etwas Positives anstrebt.
Sicher will man, dass seine Nachkommen und seine Kinder besonders glücklich und besonders fähig sind und viele Fähigkeiten haben.
Ich glaube, dass ist in der Natur des Menschseins drinnen. Und es ist sicher mit der Religion verbunden.

Wie ist es dann mit dem gesellschaftlichen Umgang mit dem Unperfektem?

SCHRÖDER: Das ist absolut der Kern des gesellschaftlichen Problems. Wie wird der Mensch mit dem umgehen, das nicht perfekt ist? Das Problem haben wir ja schon heutzutage, wenn wir gegen Ausländer sind, weil sie etwas anders sind.
Wie wird diese Gesellschaft Menschen akzeptieren, die nicht nur anders sondern auch hilfebedürftig sind?
Dass wir auch solidarisch mit diesen Menschen sein müssen. Das ist eine sehr, sehr wichtige Aufgabe der Gesellschaft. Solidarität ist für mich eines der wichtigsten Dinge überhaupt in einer Gesellschaft. Wenn eine Gesellschaft nicht mehr tolerant ist und nicht mehr solidarisch mit denen, die Hilfe brauchen, dann ist das Leben eigentlich nicht mehr lebenswert. Und dann werden sich auch die, die perfekt sind, langweilen und keine Ziele mehr haben.

Link:
Vienna Biocenter

 

Pfeil zum Seitenanfang Seitenanfang  Pfeil zum Seitenanfang Diskussionsforum

 

Letztes Update dieser Seite am  19.02.2001 um 13:03 

Pfeil zum Seitenanfang  Religions Sendungen ORF-TV   Pfeil zum Seitenanfang Seitenanfang  Pfeil zum Seitenanfang Startseite ORF Religion