Schwerpunktthema GENTECHNOLOGIE

Gespräch mit Prof. Therese Wagner

Stichworte:
Alter der behandelten Patientinnen

Ziele der Gentechnik 
Embryonenforschung
Ethische Verantwortung

Informationspolitik

Österreichischer Forschungsstand

 

Frau Prof. Wagner was ist Ihr Forschungsgebiet?

WAGNER: Wir hier in der Abteilung für spezielle Gynäkologie kümmern uns um Frauen, die mehrere Fälle von Brust- und oder Eierstockkrebs in der Familie haben. Zu uns kommen Frauen, die eine solche Vorgeschichte haben und vielleicht sogar selber schon in jungen Jahren an Brustkrebs erkrankt sind. Die werden dann beraten. Es gibt eine molekulargenetische Diagnosemöglichkeit, mit der man nachweisen kann, ob sie tatsächlich so eine erbliche Veranlagung haben, und letztendlich werden sie bei uns auch nachbetreut. Wir helfen ihnen dann, dass sie nicht unbedingt erkranken müssen.

Wie schaut die Nachbetreuung aus?

WAGNER:Die Frauen, bei denen wir tatsächlich identifizieren, dass sie, aufgrund von genetischen Veränderungen in ihren Erbanlagen, so ein extrem hohes Risiko haben, kommen in ein Vorsorgeprogramm, wo sie alle sechs Monate betreut werden. Diese Betreuung umfasst unter anderem Mammographie, Brustultraschall und eine Magnetresonanzuntersuchung der Brust.
Aber, das muss man auch ganz ehrlich sagen, wir empfehlen ihnen, nach abgeschlossenem Kinderwunsch sich die Eierstöcke entfernen zu lassen, weil es keine wirklichen Vorsorgeuntersuchungen für Eierstockkrebs gibt.

"Nicht vor der Volljährigkeit untersuchen"

Ab welchem Alter kommen die Patientinnen zu Ihnen?

WAGNER: Es ist wichtig, das zu sagen. Da ja eigentlich diesen genetischen Untersuchungen eher mit pränataler Diagnostik, also vorgeburtlicher Diagnostik assoziiert werden. Wir betreuen aber Menschen, die erst im späteren Verlauf ihres Lebens erkranken. Die waren erst viele Jahre, 25, 30 Jahre, gesund und dann erkrankten sie.
Deshalb glauben wir, ist es nicht sinnvoll, jemanden vor der Volljährigkeit zu untersuchen sondern erst wenn er volljährig ist, wenn er sich selber entscheiden kann, ob er das möchte oder nicht.

Der Patient muss für sich, für seine Zukunft selbst entscheiden, wie er seine Lebensplanung gestalten wird?

WAGNER: Und vor allem sollen das nicht Eltern für ihre Kinder tun.

Das ist ja doch ein dramatisches Wissen. Das ist eine große Veränderung im Leben, wenn man weis, dass man so etwas hat. Etwas, bei dem keine Antibiotika helfen, etwas, das nicht mehr weg geht.

Daher glauben wir, dass es nicht sinnvoll ist, dass Eltern für ihre Kinder entscheiden, ob sie das wissen wollen. Sondern die Kinder sollen erst erwachsen werden und dann können sie entscheiden, ob sie es wissen wollen. Insbesondere deshalb, weil es auch keine Konsequenzen hat. Kinder erkranken noch nicht an Brust- und Eierstockkrebs.

 

"Ideal wäre es, wenn man die genetische Veränderung reparieren könnte"

Was ist ein wünschenswertes Ziel, das Sie mit Hilfe der Gentechnologie erreichen wollen?

WAGNER: Das Ziel ist natürlich, dass man, wenn man die Diagnose stellen kann, so etwas auch reparieren kann.

Das wäre Gentherapie, dass man ein gesundes Gen mittels einer Sonde, eines Trägerschiffes, oder wie auch immer, in die Zellen von diesem Menschen bekommen könnte, dass diesem Menschen wieder gesunde Gene zur Verfügung stehen.
Das wäre unser Ziel, so weit sind wir aber noch nicht.

Wie ist der wissenschaftliche Stand? Kennen sie die entscheidenden Gene?

WAGNER:Ja, wir kennen zwei Brustkrebsgene und die untersuchen wir auch und da können wir solche krankheitsassoziierten, also krankheitsbedingende, Veränderungen auch feststellen.
Was wir aber heute erst können, ist, es feststellen und dann den Menschen helfen, dass sie nicht unbedingt dran sterben müssen.
Wir können die Veränderung in möglichst frühem Stadium erkennen oder eben, prophylaktisch ein Organ weg operieren, dass die Patientinnen dort nicht mehr erkranken können.
Aber das ideale wäre natürlich, wenn man die tatsächliche Ursache, also die genetische Veränderung reparieren könnte.

Wie erfolgreich sind die Reparaturgentherapien?

WAGNER: P53 ist tatsächlich eine der ersten Möglichkeiten gewesen, eine Gentherapie zu machen. Das muss man sich so vorstellen: Zum Beispiel bei Krebs im Halsbereich, wo der Herr Prof. Zylinsky und der Herr Prof. Burian ja hier am AKH schon einen Gentherapieversuch gemacht haben, wird eine Trägersubstanz, an die ein gesundes P53 daran gebunden ist, injiziert, das gesunde P53 wird dann hoffentlich in dem Tumor aufgenommen.

Die Problematik ist, dass nur sehr, sehr wenige Zellen dieses gesunde Gen überhaupt aufnehmen und dann tatsächlich aufhören, zu wachsen. Wir sind da noch im Anfangsstadium, auch wenn es ganz, ganz wichtig ist, dass man solche Versuche macht.

 

"Bei uns braucht man keine Embryonenforschung"

Gibt es Gentherapie und Embryonenforschung, auch auf ihrem wissenschaftlichen Gebiet?

WAGNER:Für das, was wir machen, muss man keine Embryonenforschung durchführen. Embryonenforschung wäre eher interessant, wenn man jetzt tatsächlich künstliche Organe züchten möchte oder wenn man diese omnipotenten, also diese alles könnende Stammzellen, jemand anderem injizieren möchte, dann müsste man Forschung auch mit Embryonen machen.

Das ist aber sicherlich ein sehr heikler Bereich, auch wenn man ehrlich sein muss. Nennen wir als konkretes Beispiel Verbrennungsopfer. Verbrennungsopfer haben keine Haut mehr. Es wäre für die Medizin und diese armen Menschen großartig, wenn man künstliche Haut, menschenähnliche künstliche Haut züchten könnte. Haut, die man diesen Menschen auf die verbrannten Stellen legen könnte und die dann wieder anwachsen würde.

Das wäre ein Beispiel dafür, was letztendlich solchen alles könnenden Stammzellen wahrscheinlich am besten gehen würde mit.
Aber natürlich möchte man auch Organe züchten können, das ist gar keine Frage.

Wie ist Ihre persönliche Einstellung ?

WAGNER: Ich hab immer sehr große Bedenken gehabt.
Ich glaube, dass gerade Embryonenforschung oder auch Klonieren, ein sehr heikler Bereich ist.

Ich bin aber auch jemand, der sagt, es macht keinen Sinn, die Augen zuzumachen. Es ist wichtig, sich damit zu beschäftigen, darüber eine öffentliche Diskussion zu führen. Es ist wichtig, Gesetze zu machen, zu regulieren. Denn es passiert sowieso und sonst passiert es nur im Geheimen.

Ich glaube nur, dass man gerade bei der Embryonenforschung sehr, sehr vorsichtig sein sollte, weil das sehr, sehr sensible Bereiche betrifft, wo ein Missbrauch sehr bitter sein könnte. Man denke nur daran, dass es dann vielleicht in der dritten Welt Frauen gibt, die schwanger werden um solches Forschungsmaterial produzieren.

 

"Weil es technisch machbar ist, wird es auch gemacht"

Warum haben Menschen Angst davor?

WAGNER: Da gibt’s viele Gründe. Ein Grund, der mir sofort einfällt ist, dass uns die Technik hier ein bisschen rechts überholt. Bei vielen Dingen, das sehe ich ja gerade im Bereich der Genetik, hat noch niemand gefragt: Wollen wir das überhaupt? Es ist noch nie wirklich diskutiert worden, ob es Sinn macht, ob es uns als Menschheit überhaupt einen Vorteil bringt. Sondern deshalb, weil es technisch machbar ist, wird es auch gemacht. Und ich glaube, das ist eine fatale Konsequenz.

Da sollte der Mensch wirklich wieder das Heft in die Hand nehmen und sagen: Moment, nur weil etwas technisch machbar ist? Wir können die Welt zwar in die Luft sprengen, wir wollen es aber nicht. Das ist ein ähnliches Beispiel wie die Hochrüstung. Da hat dann auch der Mensch irgendwann gesagt hat: Moment, das ist ja völlig schwachsinnig, das braucht man nicht. Ich glaube, da kommt schon ein massives Unbehagen darüber auf, dass wir etwas, nur weil etwas technisch machbar ist, machen sollen.

 

"Es war ihnen nicht klar, dass das auch Teil der Gentechnik ist"

Bloß, glaube ich, gibt es eine massiv verfehlte Informationspolitik. Die Gentechnik hat es leider es über Jahrzehnte versäumt, die Allgemeinbevölkerung einzubinden und zu erklären, was sie bringt.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wie das Gentechnik-Volksbegehren war, haben wir viele unserer Patienten gefragt: "Sagen Sie mal, wie ist das eigentlich? Wie sehen Sie das jetzt?" Und nicht wenige aus unserer Kundschaft, haben gesagt: "Ich habe das auch unterschrieben". Dann haben wir ihnen gesagt, dass sie gerade etwas machen, das eigentlich Teil des Gentechnik-Volksbegehrens ist. Das war ihnen nicht klar. Die Möglichkeiten, diagnostiziert zu werden, geholfen zu bekommen, die wollen sie natürlich. Das ist gar keine Diskussion. Und wenn es eine Gentherapie gäbe, die sie heilen könnten, sie würden sie sofort machen.

Man muss natürlich sagen, dass die gentechnisch veränderten Organismen sicherlich nicht in Ordnung sind, aber es muss auch transportiert werden, dass es einige Menschen gibt, die massiv davon profitieren können. Ich glaube, das muss man unbedingt verbessern.

Gibt es Druck von der Gesellschaft auf die Mediziner, immer schneller zu entwickeln?

WAGNER: Sicherlich. Aber man muss sich da auch freimachen.

Also ich bin sicherlich eher eine, die da ein bisschen zu realistisch ist. Ich versuch die Leute nicht anzuschummeln und ihnen Hoffnungen zu machen, die wir einfach nicht erfüllen können. Ich glaube es ist gut, über Fortschritt zu reden, aber es ist auch gut den Menschen zu sagen, was man machen kann. Es ist falsch Hoffnung zu erzeugen, die man einfach nicht so rasch befriedigen kann. Da muss man auch realistisch bleiben.

Ich glaube absolut, dass vieles sehr lange dauern wird. Es wird so wie immer sein. Beispielsweise hat man vor 20 Jahren zum ersten Mal Gelbsucht diagnostizieren können und dann dauerte es einfach eine gewisse Zeit, bis die Impfung da war.

Und genau so wird es jetzt auch sein. Am Anfang werden die einfacheren Erkrankungen heilbar und bei den komplexeren, und Krebserkrankungen gehören zu den komplexeren, wird es einfach noch länger dauern.

Aber es ist nicht angebracht hier zu pessimistisch zu sein. Man muss einfach ein gesundes Mittelmass finden.

 

"Unsere Daten sind heiß umworben in der ganzen Welt"

Wie ist der Österreichische Forschungsstand?

WAGNER: Also grundsätzlich ist es so, dass Österreich sehr gut dasteht, was genetische Diagnostik und Genforschung betrifft. Vor allem weil wir ein exzellentes Gentechnikgesetz haben. Das führt dazu, dass es ein sehr großes Vertrauensverhältnis und Kommunikationsverhältnis zwischen unseren Patienten und uns gibt.

In Amerika ist es so, dass sich sehr viele Patienten anonym testen lassen. Dadurch gibt es überhaupt keine Folgedaten dieser Patienten und sehr viel weniger Information. Bei uns ist das ganz anders. Beispielsweise in meinem Bereich des familiären Brust- und Eierstockkrebs. Unsere Daten sind heiß umworben in der ganzen Welt.

Was Gentherapie betrifft ist es sicherlich so, dass wir in Österreich nicht so weit vorne sind, das hat vor allem mit Geld zu tun.

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