News 05. 02. 2002

Ombudsstelle: Jährlich etwa zehn Fälle von sexuellem Missbrauch durch Kirchenmitarbeiter

Sexueller Missbrauch durch Mitarbeiter der römisch-katholischen Kirche ist in Österreich kein Tabuthema mehr. Ombudsstellen für Opfer gibt es in Wien, Linz und Innsbruck. Allein in Wien sind innerhalb der vergangenen sechs Jahre 53 Fälle behandelt worden.

Rund um die "Groer-Diskussion" im Jahr 1995 – damals war es um Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegangen - sei es zu einem Umdenken in der römisch-katholischen Kirche gekommen. Zwar sei in dieser Affäre vieles im Dunkeln geblieben, doch es wurde eine "Ombudsstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Kirche" eingerichtet. In Linz und Innsbruck gibt es ähnliche Einrichtungen. Man bemühe sich heute, den Kreislauf des Schweigens zu durchbrechen. Das berichten die "Salzburger Nachrichten" vom 4. Februar unter dem Titel "Das Schweigen der Hirten".

53 Fälle in Wien

Monsignore Helmut Schüller, der Leiter der Wiener Ombudsstelle, berichtet, dass die Einrichtung in den knapp sechs Jahren mit 53 Fällen befasst worden wäre. Das Spektrum reiche von Beobachtungen, die nicht bestätigt wurden, bis zu Missbrauchshandlungen, die zur Verurteilung führten. Es ginge nicht nur um Vorwürfe gegen Priester, sondern auch um solche gegen "Oberministranten, Ordensschwestern oder Pastoralassistenten".

Kein Massenphänomen

Für Erich Leitenberger, Pressesprecher der Erzdiözese Wien, ist die eher geringe Inanspruchnahme der Ombudsstellen "ein Hinweis, dass das Phänomen des Kindesmissbrauchs durch kirchliche Mitarbeiter nicht so ein Massenphänomen ist, wie viele vermutet haben". Es sei eine traurige Tatsache, dass Derartiges überall passiere, wo Erwachsene mit Jugendlichen zu tun hätten, "aber bei uns dürfte es überhaupt nicht passieren".

Hohe Dunkelziffer

Helmut Schüller betrachte die acht bis zehn Fälle, die pro Jahr in der Erzdiözese Wien bekannt werden, noch nicht als die ganze Wahrheit: "Ich glaube schon, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt." Es gebe in diesem lange Zeit verdrängten Bereich vieles aufzuarbeiten, vor allem im Hinblick auf den fehlenden Mut, nach Beobachtungen etwas zu sagen, so Schüller. Die Kirche ermuntere die Menschen, Übergriffe oder Beobachtungen zu melden.

Kein Risiko eingehen

Schadenersatzzahlungen der heimischen Kirche wie etwa in Irland, seien "nicht bekannt", so Schüller. Die katholischen Orden in Irland entschädigen Missbrauchsopfer in kirchlichen Heimen mit 128 Mill. Euro. Die Wiener Ombudsstelle habe in den vergangenen Jahren aber in zehn Fällen Zuschüsse zu Therapien bezahlt. Wichtig sei auch, sich in den Priesterseminaren die Leute sehr genau anzusehen. "Obwohl wir weniger Kandidaten haben, müssen wir die Qualitätskriterien höher anlegen. Wir müssen lieber einmal auf eine Priesterweihe verzichten, als ein Risiko einzugehen", so Leitenberger.

 

 

Info:

Die Ombudsstelle der Erzdiözese Wien umfasst zwei unabhängige Einrichtungen: das "Kinderschutzzentrum", 1070 Wien, Kandlgasse 37, Tel. 01/526.18.20 (Mo, Mi, Do 10-12 und 16-18, Di, Fr 14-16 Uhr) und die Beratungsstelle "Tamar", 1200 Wien, Wexstraße 22/3, Tel. 01/334.04.37 (Mo und Fr 10-13, Mi. und Do 13-19 Uhr).

 

Eine österreichweite Notrufnummer für Kinder und Jugendliche ist auch die ORF-Einrichtung "Rat auf Draht". Jährlich suchen etwa 1 Millionen Jugendliche bei der Telefonnummer 147 Hilfe.

 

Rat und Hilfe bietet auch die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft (9., Sobieskigasse 31; Telefon 1708
Fax 313 24-99-85900; e-mail: post@kja.magwien.gv.at

 

 

 

Links:

Kinderschutzzentrum Wien

Beratungsstelle Tamar

Rat auf Draht 

Rat auf Draht bei ConfettiTV 

Kinder- und Jugendanwaltschaft

 

Weitere News zum Thema:

31. 01. 2002: Kirche in Irland zahlt Millionen an Missbrauchsopfer

12. 10. 2001: Sexueller Missbrauch: 
Schüller bittet um Hinweise

11. 10. 2001: Sexueller Missbrauch: "Tiefes Bedauern" der Erzdiözese Wien

 

 

 

 

 
Seitenanfang 
weitere News