Schwere Verstimmung zwischen Moskauer Patriarchat und Vatikan
Die Errichtung von vier römisch-katholischen Diözesen in Russland
durch Papst Johannes Paul II. hat zu einer "Eiszeit" in den
Beziehungen zwischen der orthodoxen Landeskirche und dem Vatikan geführt.
In einer Erklärung des Moskauer Patriarchen Alexi II. und des Heiligen
Synods der russisch-orthodoxen Kirche heißt es am Mittwoch, dass die
Vorgangsweise Roms die Fähigkeit des christlichen Westens und des
christlichen Ostens, "als zwei große Zivilisationen um des
Wohlergehens Europas und des Friedens willen zusammenzuwirken, in Gefahr
gebracht" habe.
Auch russische Regierung bedauert Schritt des Vatikan
Auch die russische Regierung hat den Schritt des Papstes kritisiert. Es
sei bedauerlich, dass eine so wichtige Entscheidung "ohne die
gebührende Berücksichtigung der Meinung der russischen Seite getroffen
wurde". Das Handeln des Vatikans berge das Risiko
"ernsthafter Komplikationen" zwischen dem Heiligen Stuhl und
der russisch-orthodoxen Kirche, erklärte die Regierung in Moskau.
Rom enthüllt "missionarische Absichten"
Die Entscheidung Roms enthülle erneut die "missionarischen
Absichten" der katholischen Kirche unter den orthodoxen Gläubigen
Russlands. Damit werde bestätigt, was das Moskauer Patriarchat in den
vergangenen Jahren immer wieder festgestellt habe: Die römisch-katholische
Kirche betreibe in Russland "Proselytismus" (Abwerbung von Gläubigen).
Dies sei ein wesentliches Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen
zwischen den beiden Kirchen, erklärte der Heilige Synod.
Kurienkardinal Walter Kasper ausgeladen.
Der Präsident des päpstlichen Rates für die Einheit
der Christen, der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, wurde ausgeladen.
Er hätte am 21. Februar nach Moskau reisen sollen. Der Leiter des
Außenamts des Patriarchats, Metropolit Kyrill von Smolensk, erklärte, es
gebe derzeit "nichts, über das wir sprechen könnten".
Im Jänner hatte Patriarch Alexi II. erklärt, der Vatikan setze die
Proselytenmacherei in Russland, der Ukraine und Weißrussland fort und
"versucht immer noch, Menschen zu bekehren, die entweder in der
russisch-orthodoxen Kirche getauft worden sind, oder deren Glaube in der
russisch-orthodoxen Kirche wurzelt".
Vergebungsbitte war "unzureichend"
Der Moskauer Patriarch hatte die vom Papst im Vorjahr in der Ukraine
formulierte Vergebungsbitte als unzureichend bezeichnet. Johannes Paul II.
hatte bei seinem Besuch in Kiew im Juni die Orthodoxie um Vergebung für
Fehler und Irrtümer der Vergangenheit
und Gegenwart gebeten. Die Orthodoxen werfen den seit 1989 wieder
zugelassenen unierten (griechisch-katholischen) Gemeinden in der Ukraine
vor, Kirchengebäude zu besetzen, und beschuldigen Rom der
Proselytenmacherei.
Kirchengipfel 1997 gescheitert
Am Streitpunkt des Proselytismus war 1997 ein "Kirchengipfel"
gescheitert, der in Österreich hätte stattfinden sollen. Die
russisch-orthodoxe Kirche machte damals ein Treffen des Moskauer Patriarchen
mit dem Papst im niederösterreichischen Zisterzienserstift Heiligenkreuz
von einer gemeinsamen Erklärung gegen den Proselytismus abhängig, der sich
der Vatikan jedoch verweigerte. Zudem fühlte sich der Ökumenische
Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, das Oberhaupt der Weltorthodoxie,
durch vatikanische Versuche brüskiert, ihn von dem Treffen auszuschließen.
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