Kirche braucht Rituale
Eine "neue Ritenkultur" wäre notwendig, um kirchlich wenig
oder gar nicht gebundenen Menschen wieder Zugänge zum Glauben bzw. zur
Kirche zu eröffnen.
Die Kirche brauche große "Offenheit, Sensibilität und
Gastfreundschaft" für alle Menschen, die religiösen Beistand oder
rituelle Begleitung an wichtigen Stationen des Lebens - Geburt, Heirat, Tod
– suchen. Riten sollten auch kirchlich wenig oder gar nicht gebundenen
Menschen wieder Zugänge zum Glauben bzw. zur Kirche eröffnen. Das meint
der Wiener Religionssoziologe Paul Zulehner bei einem Symposium zum Thema
"neue Ritenkultur", das von der katholisch-
theologischen Fakultät der Universität Wien und der Abteilung Religion
im ORF-Radio veranstaltet wurde.
Sorge um kirchliche Identität
Kritiker einer neuen Ritenkultur befürchten, dass dabei die kirchliche
"Identität" der Riten und Sakramente, ihre wesentlichen
christlichen Botschaften und Bezugspunkte, verloren gehen könnte.
Zuneigung Gottes erfahrbar machen
Bei der Frage, ob man Menschen zu Sakramenten und anderen kirchlichen
Riten "zulässt" oder nicht, müsse immer im Bewusstsein bleiben,
dass "der erste Handelnde immer Gott ist, nicht der Mensch". Die
Kirche habe die Aufgabe, im Ritual den suchenden Menschen "die
Zuneigung Gottes erfahrbar zu machen", so Zulehner.
"Feier"-Ausbildung
Priester und andere führende Mitarbeiter in den Pfarrgemeinden müssten
nicht nur darin geschult werden, eine Gemeinde zu leiten, sondern auch
dafür, Riten entsprechend zu "inszenieren" - eine Kunst, die in
der Tradition als "ars celebrandi" bezeichnet wird, so Zulehner.
Gegen Kathechetisierung der Liturgie
Zur Sorge, dass die Riten und Sakra- mente von jenen, die nur sehr
diffuse Vorstellungen von Glaube und Kirche haben, nicht richtig verstanden
werden könnten, meinte der Würzburger Liturgiewissenschafter Winfried
Haunerland, hochkirchlich-theologische Sinnbestimmung der sakramentalen
Liturgie und populäres Verständnis der Ritualvollzüge seien vermutlich
nie deckungsgleich gewesen. Haunerland warnte vor einer
"Pädagogisierung und Katechetisierung" der Liturgie. Wer eine
Liturgie mit Erklärungen darüber überlade, was hier geschieht, zerstöre
das Ritual.
Mehr Pflege der Rituale
Der Osnabrücker Pastoraltheologe Dieter Emeis plädierte dafür, die
Vielfalt der Riten und Sakramentalien, die die katholische Kirche außerhalb
der sieben Sakramente auch kennt, mehr zu pflegen. Damit könne man in
manchen Fällen Menschen kirchlich begleiten. Zudem sollte man den einzelnen
Menschen erkennen helfen, welche rituelle Handlung für sie die
"richtige, aufrichtige und authentische" ist.
Nicht gegen Herzen der Menschen
Die Theologin Veronika Prüller-
Jagenteufel meinte, gerade in feministischen Kreisen würden auch
kirchliche Riten positiv weiter entwickelt. Sie warnte vor einer Spaltung in
eine rituelle "Hochkultur" und eine für
"Unverständige". Man könne Liturgie und Riten nicht gegen die
"Herzen" der Menschen und ihre Bräuche gestalten, sondern die
Kirche müsse sie aufgreifen und einbeziehen.