Vor 50 Jahren kehrte die "Pummerin" nach Wien zurück
Am 12. April 1945 war sie beim Brand des Domes in die Tiefe gestürzt.
Am 26. April 1952 kehrte die zweitgrößte Glocke Europas nach Wien zurück.
Am 26. April 1952 erlebte Wien einen Triumphzug – für eine Glocke:
Unter dem Jubel zahlloser Schaulustiger entlang der Mariahilfer und die
Kärntner Straße wurde die neu gegossene "Pummerin" nach Wien
gebracht.
"Königin von Österreich"
Einen Tag später war sie - auf ein Gerüst neben den noch nicht fertig
wieder hergestellten Dom gehängt - zum ersten Mal zu hören. Erst am 5.
Oktober 1957 wurde die "Königin von Österreich" – wie es
euphorisch hieß – auf den Nordturm gezogen, wo sie noch jetzt an hohen
Festtagen oder zu besonderen Anlässen angeschlagen wird.
Aus Türken-Kanonen gegossen
Die alte Pummerin wurde nach dem Ende der Türkenbelagerung im Jahr 1683
aus dem Metall eroberter Kanonen gegossen. Johann Achamer in Wien hat
insgesamt 22.511 Kilogramm Erz "verarbeitet". Die Dimension der im
Juli 1711 fertig gestellten Glocke war außergewöhnlich. Deshalb wurde vor
dem Transport von der Gießerei in der nunmehrigen Burggasse zum "Steffl"
auch extra die Festigkeit der unterirdischen Gewölbe entlang des Wegs
überprüft.
Premiere bei der Krönung Karls VI.
Am 15. Dezember 1711 wurde die gegossene Kriegsbeute geweiht, am 26.
Jänner 1712 zur Rückkehr Kaiser Karls VI. von der Krönung erstmals
geläutet. Zum letzten Mal zu hören war die "Josephinische
Glocke" - so die Bezeichnung zu Beginn, im Volksmund hatte sich schon
bald "Bummerin" oder "Pummerin" eingebürgert - zu
Ostern 1937 zu hören. In den Jahren des Nationalsozialismus blieb sie
still.
Geschenk aus Oberösterreich
Am 12. April 1945 schließlich wurde auch die Pummerin ein Opfer des
Dom-Brandes. Sie stürzte in die Tiefe und zerschellte. Beim Wiederaufbau
des Stephansdoms stellte sich jedes Bundesland mit einem Geschenk ein,
Oberösterreich mit der aus den Trümmern der alten Glocke gegossenen
Pummerin. Die außergewöhnliche Dimension sorgte auch mehr als 250 Jahre
nach dem Guss der ersten Pummerin noch für Kopfzerbrechen. In der
Glockengießerei St. Florian musste eine eigene Gießgrube samt Ofen
errichtet werden.
"Falsche Glocke" im Rindertalg
1949 begannen die Arbeiten. Zuerst wurde der Glockenkern gemauert, dann
aus Lehm Schicht für Schicht die "falsche Glocke" aufgetragen und
immer wieder mit einer riesigen Schablone abgezogen. Abgetrennt mit
Rindertalg, folgte der Mantel. Dieser wurde wieder abgehoben, die
"falsche Glocke" abgeschlagen, der Mantel wieder aufgesetzt und
verspannt.
Erster Guss misslang
Im Oktober 1950 war es dann so weit: Aus Linz reiste Landeshauptmann
Heinrich Gleißner an, aus Wien Kardinal Theodor Innitzer. Eine ganze Nacht
lang waren die rund 25 Tonnen "Glockenspeise" auf 1.100 Grad
aufgeheizt worden. Durch Kanäle floss sie in die vorbereitete Form. Als der
Guss schon fast beendet war, hielt der Lehmmantel dem Druck aber nicht stand
und brach auf. Die Schmelze rann aus, 15 Tonnen Bronze flossen sich auf den
Vorplatz des Ofens und steckten die Holzpfosten der Zuschauertribüne in
Brand. Menschen kamen nicht zu Schaden, statt einer kompletten Glocke
verblieb in der Form allerdings nur ein rund einen Meter hoher Ring.
Zweiter Versuch
In der Glockengießerei begann die Arbeit damit von vorne. Stärkere
Mantelverspannungen mit Stahl und Beton sollten dem Mantel mehr Festigkeit
verleihen. Am 5. November 1951 reisten Innitzer und Gleißner wieder nach
St. Florian - und diesmal gelang der Guss. Nun musste noch gestemmt,
geschliffen und poliert werden, bevor die neue Glocke - samt Klöppel 21.383
Kilo schwer, 2,94 Meter hoch und 3,14 Meter im Durchmesser noch in der
Glockengießerei für Kardinal Innitzer erstmals angeschlagen wurde.
"Beute der Türken"
Die Metallwand der Glocke ist bis zu 23 Zentimeter dick. Die Ornamente
zeigen unter anderem sechs Türkenköpfe auf den Armen der Henkelkrone.
Daneben steht in lateinischer Sprache: "Gegossen bin ich aus der Beute
der Türken, als die ausgeblutete Stadt nach tapferer Überwindung der
feindlichen Macht jubilierte. 1711"
Friede und Freiheit
Eine zweite Inschrift bezieht sich auf die jüngere Vergangenheit:
"Geborsten bin ich in der Glut des Brandes. Ich stürzte aus dem
verwüsteten Turm, als die Stadt unter Krieg und Ängsten seufzte.
1945." Dazu kommt die Widmung: "Geweiht der Königin von
Österreich, damit durch ihre mächtige Fürbitte Friede sei in Freiheit.
1951."
Im Triumphzug nach Wien
Im April 1952 kam es dann zum Triumphzug nach Wien. Mehr als eine Million
Menschen soll den Weg der Glocke von Oberösterreich in die Wiener
Innenstadt gesäumt haben. Schulen, aber auch Betriebe haben aus diesem
Anlass extra frei gegeben. Seither ist das Läuten der Pummerin wieder
Zeichen für hohe Feste und besondere Anlässe – und natürlich den
Jahreswechsel.
Symbol des Wiederaufbaus
"Stimme Österreichs" und "Königin von Österreich"
- diese Namen wurden der größten und "prominentesten" Glocke
Österreichs verliehen. Am 26. April 1952 erklang das Symbol für
Wiederaufbau und Nationalstolz zum ersten Mal in Wien. Heute läutet sie
etwa zehn Mal im Jahr. Der bekannteste Anlass ist der Jahreswechsel.
Rückkehr in den Norturm 1957
Fünfeinhalb Jahre hat es gedauert, bis die fast 22 Tonnen schwere
Pummerin im Oktober 1957 ihren Platz im Nordturm in über 60 Meter Höhe
erreicht hatte. In einer drei viertel Stunde wurde sie aufgezogen, nachdem
in 35 Meter Höhe der Ring eines gotischen Gewölbes entfernt worden war. In
den ersten Jahren hing sie an einem Gestell neben dem Dom. Bei einem ihrer
ersten "Einsätze" in der Silvesternacht 1952 brach der Klöppel,
der noch von der alten, zerstörten Pummerin stammte. Angeblich genau
zeitgleich verunglückte der Glockengießer Karl Geisz bei einem
Verkehrsunfall tödlich.
Reserviert für hohe Feiertage
Wann die Pummerin geläutet wird, ist genau vorgegeben, so Toni Faber.
Die Osternachtfeier am Karsamstag, Ostersonntag und Pfingstsonntag sowie die
Fronleichnamsprozession zählen dazu. Selbstverständlich ist der Klang der
Pummerin auch zum Domweihfest am 23. April zu hören.
Bestattung des Dompfarrers
Allerseelen, die Mitternachtsmette, Christtag und Stephanitag, die
Jahreschlussandacht und der berühmteste Auftritt zum Jahreswechsel sind
ebenfalls vorgegeben. Auch bei Todesnachricht und Begräbnis von Papst und
Erzbischof sowie der Bestattung des Dompfarrers kommt die mächtige Glocke
zum Einsatz. Zum vorerst letzten Mal außerplanmäßig schlug die Pummerin
am 11. September des vergangenen Jahres. Anlässlich des Requiems für den
verstorbenen Altbundeskanzler Josef Klaus sollte auch der Opfern der
Anschläge in Amerika gedacht werden.
Kein "Glöckner von Notre Dame"
Ein Typ wie Anthony Quinn in dem berühmten Film "der Glöckner von
Notre Dame" ist nicht nötig, um die zweitgrößte Glocke Europas
klingen zu lassen, sie ist mit einem elektrischen Läutwerk ausgestattet.
Der Elektriker Johann Neuwirth drückt rechtzeitig auf den Knopf, um die
Motoren in Gang zu setzen. Rund 20 Sekunden später ist der erste Schlag zu
hören. Das besondere dabei: Weltweit ist die Pummerin die zweitgrößte
Glocke, die selbst bewegt wird. Bei den meisten anderen wird nur der
Klöppel "aktiviert".
Großes "Steffl-Fest"
Der Klang der Pummerin wird auch Ende April zu hören sein. Von 19. bis
27. April findet das Steffl-Fest anlässlich 50 Jahre Wiedereröffnung des
Stephansdomes statt. Faber: "Da werden wir auch die Glocke
läuten".