News 12. 06. 2002

US-Bischöfe suchen Wege aus dem Missbrauchs-Skandal

Die Vollversammlung der römisch-katholischen Bischöfe berät in Dallas (Texas) über nationale Rahmenrichtlinien für Umgang mit sexuellem Missbrauch durch Priester und kirchliche Mitarbeiter.

Begleitet von großem internationalen Medieninteresse beginnt an Donnerstag, 13. Juni, im texanischen Dallas die Frühjahrsvollversammlung der katholischen Bischöfe in den USA. Wichtigster Tagesordnungspunkt ist das Verhalten der Kirche gegenüber Priestern, die sich des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen schuldig gemacht haben.

"Altfälle" und "Ephebophilie"

Den Bischöfen liegt ein Entwurf für nationale Rahmenrichtlinien vor, nach denen künftig jeder derartige Fall zur Suspendierung und Zwangslaisierung des Täters führen soll. Umstritten ist nach Angaben der katholischen Nachrichtenagentur "Kathpress" unter den Bischöfen der Umgang mit so genannten "Altfällen" und mit Fällen von "Ephebophilie" – der "Hinneigung" zu Jugendlichen zwischen 16 und 18.

Mehrere Demonstrationen angekündigt

Mehr als 750 Medienleute haben sich akkreditiert, um über die dreitägige Konferenz zu berichten, die im Hotel "Fairmont" in Dallas stattfindet. Neben den Medienvertretern sind auch gleich mehrere Demonstrationen angekündigt. Konservative Vereinigungen, die gegen ein befürchtetes Aufweichen der Anforderungen an die persönliche Heiligkeit von Priestern protestieren wollen, sind ebenso darunter wie Gruppen katholischer Homosexueller. Sie wollen in Dallas vor einer "Hexenjagd" gegen alle gleichgeschlechtlich veranlagten Kleriker warnen.

Treffen mit Opfervereinigung?

Bis zuletzt offen blieb die Frage, ob auch Mitglieder der Opfer-Vereinigung "SNAP", in der sich Opfer priesterlichen Sexualmissbrauchs aus allen Teilen der USA zusammengeschlossen haben, zu dem Treffen eingeladen würden. Eine Beteiligung der SNAP an einer Sammelklage gegen die Bischofskonferenz hatte die geplante Begegnung zwischen Bischöfen und Opfern in Frage gestellt, kurz vor Beginn der Tagung hieß es dann, es werde doch noch zu einem solchen Treffen kommen.

Symbolische Verbundenheit mit den Gemeinden

Ein symbolischer Akt ist die Bitte an die Pfarrgemeinden überall in den USA, die Versammlung der Bischöfe mit Fürbittgottesdiensten zu begleiten. Die Botschaft dabei ist klar: Die Herde soll sich in der Zeit der Prüfung um ihre bedrängten Hirten scharen, damit die Krise des Misstrauens, die durch die Verfehlungen einzelner Kleriker ausgelöst wurde, in ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl der Kirche münden kann.

Künftig "null Toleranz"

Über das Symbolische hinaus geht es jedoch in Dallas in erster Linie um handfeste kirchenpolitische und auch kirchenrechtliche Entscheidungen. Der Krisengipfel der 13 US-Kardinäle mit Papst und Kurie in Rom am 23. und 24. April hatte den Bischöfen Leitlinien an die Hand gegeben, auf deren Grundlage sie nun ein nationales Regelwerk zum Umgang mit Geistlichen erstellen sollen, die des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen überführt werden.

Sofortige "Zwangs-Laiisierung"

Den Bischöfen liegt ein Entwurf vor, wonach jeder künftige Fehltritt eines Geistlichen auf diesem Gebiet zur Zwangslaisierung führen soll. Weniger hart soll das Vorgehen bei Priestern sein, die vor langer Zeit sexuellen Missbrauch begangen haben und die von Psychologen nicht als pädophil eingestuft werden. Hier sollen Kommissionen von Fall zu Fall über das Vorgehen entscheiden.

Mediales Trommelfeuer

Mit diesen Leitlinien, die in Dallas möglicherweise nochmals verschärft werden könnten, will die katholische Kirche in den USA nach einem sechsmonatigen Medien-Trommelfeuer mit immer neuen Enthüllungen endlich wieder die Initiative zurück gewinnen. In den vergangenen fünf Monaten sind von den 48.000 katholischen Geistlichen in den USA mehr als 200 nach Missbrauchs-Anschuldigungen suspendiert worden, auch vier Bischöfe mussten zurücktreten.

Katholiken größte Konfession der USA

Die römisch-katholische Kirche ist in den USA mit derzeit 63,7 Millionen Gläubigen die größte christliche Konfession des Landes; fast jeder vierte Amerikaner ist Katholik. Die anfangs unbedeutende Minderheitenkirche wuchs im 19. Jahrhundert durch Einwanderer vor allem aus Irland, Deutschland, Italien und Polen kräftig an.

Reichsten Diözesen der Welt

Mit 191 Diözesen und knapp 400 Bischöfen ist die US-Bischofskonferenz nach der italienischen und der brasilianischen die drittgrößte der katholischen Weltkirche. Die Diözesen finanzieren sich ausschließlich durch Spenden, dennoch zählen einige von ihnen zu den vermögendsten der Erde.

 

 

 
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