"Schwarze Nacht, heilige Nacht": Bethlehem trägt zu
Weihnachten Trauer
Weihnachten in Bethlehem steht heuer ganz im Zeichen der israelischen
Besatzung. Feiern werden abgesagt, und die Strassen bleiben am heiligen
Abend dunkel. In diesem Jahr singen wir "Schwarze Nacht, Heilige
Nacht", kündigt Bürgermeister Nasser an. Ein Bericht von Christian
Fürst (dpa).
Kalter Winterwind fegt über den verlassenen Krippenplatz. Schwarzgraue
Wolken hängen tief über der Geburtsstadt Jesu.
Immer wieder ergießen sich die Wassermassen schwerer Wolkenbrüche über
die gepflasterten Straßen der Altstadt. "Es wird ein trauriges
Weihnachten werden", ahnt Hana Nasser, der christliche Bürgermeister
Bethlehems. "Von einem "Christfest" wollen wir gar nicht
reden."
Alle Feiern abgesagt
Aus Protest gegen die israelische Besatzung hat Nasser sämtliche Feiern
abgesagt. Kein einziger Weihnachtsbaum schmückt den Krippenplatz. Die
Lichterketten wurden in diesem Jahr nicht aufgehängt. Die Straßen werden
in der Heiligen Nacht dunkel bleiben. Zahllose Straßenlaternen, die
israelische Panzer bei ihrem ersten Einmarsch im April zum Teil mutwillig
umrissen, konnten nicht repariert werden. "In diesem Jahr singen wir
"Schwarze Nacht, Heilige Nacht", kündigt Bürgermeister Nasser
mit bitterer Stimme an. "Nie zuvor hat Bethlehem ein schrecklicheres
Weihnachten erlebt."
Erneute Besetzung seit November
Seit April stand die kleine Stadt, in der nur noch etwa 10.000 Christen
leben, mehr als vier Monate unter israelischer Besatzung. Die schlimmste
Zeit erlebte sie nach dem Einmarsch im April, als Soldaten wochenlang die
Geburtskirche belagerten, in der sich militante Palästinenser hinter
gläubigen Christen verschanzt hatten. Viele neue Gebäude und Hotels wurden
bei heftigen Gefechten durch Panzerartillerie zerstört. Sechs Wochen nach
dem israelischen Rückzug Anfang Mai dann die erneute Besetzung, die dieses
Mal zwei Monate dauern sollte. Am 22. November schließlich drangen die
Panzer wieder in die Stadt ein. Jedem neuen Einmarsch waren
palästinensische Terroranschläge in Israel mit Dutzenden Opfern
vorausgegangen.
Panzer gehören zum Stadtbild
Seit der letzten Invasion behält die Armee einen eisernen Griff über
die Stadt. "Im Gegensatz zu den Erklärungen der Regierung im Ausland
haben sich die Soldaten nicht zurückgezogen", klagte Bürgermeister
Nasser. "Panzer fahren weiter durch die Stadt, auch über den
Krippenplatz." Ausgangssperren werden kurzfristig verhängt, bleiben
tagelang bestehen. "Doch wer dagegen verstößt, begibt sich in
Lebensgefahr", klagt Mitri Raheb, Pastor der Weihnachtskirche, dem die
Besatzung einen Riesenstrich durch seine Weihnachtspläne gemacht hat.
Neues Konferenzzentrum wäre geplant gewesen
"Wir wollten ein neues internationales Konferenz- und
Begegnungszentrum einweihen, das wegen der Besetzung nicht fertig
wurde". Vor allem aber wollte die Kirche sich um die vielen Armen in
der evangelisch-lutherischen Gemeinde kümmern. "Wir wollten in den
nächsten Tagen 30 arme Familien besuchen und planten eine große Aktion
für Kinder mit Geschenken. Aber das ist jetzt alles nicht möglich".
Hohe Arbeitslosigkeit
Unter den Christen Bethlehems ist die Zahl der Armen besonders hoch, die
Arbeitslosigkeit überproportional groß. "Bethlehem lebt zu 65 Prozent
vom Tourismus, und der ist seit Beginn der Intifada vor 27 Monaten
tot", sagt Hana Nasser. "96 Prozent des Geschäfts sind aber in
christlicher Hand: Hotels, Restaurants, Andenkenläden und natürlich alle
Reiseführer." Etwa 1500 Christen aus den drei kleinen Städten
Bethlehem, Beit Sachur und Beit Dschalla haben angesichts der trostlosen
Lage ihre Sachen gepackt und sind ausgewandert. Sie wollten kein weiteres
Weihnachten in Hoffnungslosigkeit verbringen.
"Der Welt kein feierliches Bethlehem zeigen"
Doch für viele Christen ist Weihnachten in Bethlehem mehr als ein
christliches Fest. "Weihnachten ist ein nationales Fest für alle
Palästinenser Bethlehems", meint die Christin Abir Sansur. Sie fordert
einen offenen Boykott und "bürgerlichen Ungehorsam" gegen die
verhassten Besatzer. "Wir werden der Welt kein feierndes Bethlehem
zeigen." Stattdessen sollten die Menschen zu einer Demonstration auf
den Krippenplatz kommen, Protestzelte aufstellen. Zwei Stunden lang sollten
alle Lichter der Stadt ausgehen.
Keinem ist zum feiern zumute
Auch Josef Talijeh, der mit seiner Familie in unmittelbarer Nähe des
Krippenplatzes lebt, ist strikt gegen alle Feste. Talijeh, dessen
16-jähriger Sohn vor einem Jahr auf dem Krippenplatz vor der Geburtskirche
von israelischen Soldaten getötet wurde, will nicht einmal zu Hause feiern.
"Feste sind etwas für fröhliche Menschen. Wir haben keinen Grund zu
feiern. Dieses Jahr gibt es nicht mal einen Kuchen zum Fest. Meine Tochter
wünschte sich neue Kleider, aber die können wir uns nicht leisten. Wir
werden aus Protest gegen Israel nicht zur Messe gehen, selbst wenn sie die
Ausgangssperre aufheben.
Wir trauen den Israelis nicht. Wir beten zu Hause."
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