Die
Päpste des 20. Jahr- hunderts und der Krieg
Von
der dramatischen Beurteilung des Ersten Weltkriegs durch Benedikt
XV.("unnützes Blutbad") bis zur Zurückweisung des Irak-Kriegs
durch Johannes Paul II.("Niederlage der gesamten Menschheit")
zieht sich eine Linie - "Kathpress"-Analyse von Christoph Arens
Wie
kaum ein zweiter hat sich Papst Johannes Paul II. gegen den drohenden
Irak-Krieg gestemmt. Wie kaum ein zweiter hat er seine moralische Autorität
in die Waagschale geworfen, Krieg als "Niederlage der gesamten
Menschheit" bezeichnet - und wohl verloren. Doch dieses Schicksal teilt
er mit den meisten seiner Vorgänger seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Denn
von Pius X. bis zu Paul VI. wandten sich alle Päpste der neueren Zeit gegen
den Krieg - und konnten doch weder den Ersten noch den Zweiten Weltkrieg
noch den Vietnam-Krieg verhindern.
"Es
geht schlecht, es kommt der große Krieg": Mit großer Hellsicht sah
Papst Piux X. (1903-1914) den aufziehenden Ersten Weltkrieg voraus. Schon im
Mai 1913 vertraute er dem brasilianischen Gesandten beim Heiligen Stuhl an:
"Der Balkan ist nur der Anfang eines großen Weltenbrandes, den ich
nicht hintanhalten noch ihm Widerstand leisten kann". Am 2. August 1914
reagierte ein erschütterte Papst mit einem Aufruf an die Katholiken in
aller Welt auf den Ausbruch des Krieges: Durch öffentliche Gebete sollten
sie erreichen, dass Gott so bald wie möglich die Fackeln des Krieges
entferne und den Leitern der Völker Gedanken des Friedens eingebe.
Sein
Nachfolger Benedikt XV. (1914-1922) beurteilte den Ersten Weltkrieg als
Selbstmord der europäischen Nationen. Sein Pontifikat war bestimmt von
immer neuen pazifistischen Appellen und Geheimmissionen. Seine erste
Enzyklika vom 1. November 1914 beklagte, dass die großen Kulturvölker mit
den schrecklichsten Mitteln moderner Technik darum kämpften, ihre Gegner
auf ausgesuchteste, grausamste Weise niederzuringen. Die völlig
durchgedrehten Politiker und Intellektuellen heulten auf, als Benedikt XV.
1917 die Dinge beim Namen nannte und den Krieg als "inutile strage",
als "unnützes Blutbad" bezeichnete.
Ungehört
verhallte auch der Friedensaufruf Pius XII. (1939-1958) am Vorabend des
Zweiten Weltkriegs. Unvergessen sind die Papstworte: "Nichts ist
verloren mit dem Frieden, alles kann verloren sein mit dem Krieg". Am
Tag vor Hitlers Angriff auf Polen - am 31. August 1939
-
erwog der Papst, für einen letzten Vermittlungsversuch nach Berlin und
Warschau zu fliegen. Er ließ den Plan fallen - und richtete stattdessen
eine Note an die Vertreter Deutschlands, Italiens, Frankreichs, Englands und
Polens: "Der Heilige Vater will die Hoffnung nicht aufgeben, dass die
noch schwebenden Verhandlungen eine gerechte, friedliche Lösung, um welche
die ganze Welt betet, bringen mögen..."
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Erfolg war Pius' Nachfolger Johannes XXIII. (1962-1965) beschieden, als die
Kubakrise die Welt an den Rand des atomaren Infernos brachte. Am 26. Oktober
1962, auf dem Höhepunkt der Spannungen, appellierte er an die Führer der
Weltmächte und wies darauf hin, dass die Geschichte diejenigen preisen
werde, die das Schicksal der Menschen über ihre nationalen Interessen
stellten. Zustatten kam dem Papst, dass der damalige US-Präsident John F.
Kennedy Katholik war und dass der Papst beim KPdSU-Generalsekretär Nikita
Chruschtschow hohes Ansehen genoss. Am 28. Oktober kündigte Chruschtschow
an, dass die Raketen nicht nach Kuba verlegt würden. Hinter den Kulissen
hatte der Papst seine persönliche Diplomatie entfaltet.
Johannes
XXIII. reagierte auf die Kuba-Krise mit der am 11. April 1963 veröffentlichten
Friedensenzyklika "Pacem in Terris", die die kirchliche
Friedenslehre mit den Menschenrechten verband. Erstmals richtete der Papst
sein Lehrschreiben nicht mehr nur an die Katholiken, sondern "an alle
Menschen guten Willens". Er forderte die Einstellung der Atomversuche
und des Wettrüstens, eine allgemeine Abrüstung sowie die Anerkennung der
Gleichheit aller Menschen.
Papst
Paul VI. (1963-1978) setzte dieses Friedens-Engagement durch mehrere Reisen
und seine auf Entspannung gerichtete Ost-Politik fort. Sein dritter
Auslandsbesuch führte ihn am 5. Oktober 1965 zum Sitz der Vereinten
Nationen in New York, wo er ausdrücklich den Frieden für Vietnam forderte
und ein leidenschaftliches "Nie wieder Krieg" formulierte. Ein
Jahr später beschwor der Papst in einer Enzyklika: "Im Namen Gottes
rufen wir: Haltet ein. Jetzt muss Friede werden, auch unter Nachteilen und
Unannehmlichkeiten". Paul VI. verurteilte den Bombenkrieg als
unchristlich und unmenschlich; eine Ächtung der Atombombe formulierte er
allerdings nicht ausdrücklich.
Papst Johannes Paul II. ist
nach Einschätzung von Beobachtern in seiner 1978 begonnenen Amtszeit immer
pazifistischer geworden. Nach einem Besuch Hiroshimas 1981 kam er zu dem
Schluss, dass es am Ende des 20. Jahrhunderts keinen gerechten Krieg mehr
geben könne. Den Golfkrieg von 1991 verurteilte der Vatikan zwar ebenso
wenig wie den Nato-Einsatz gegen Serbien 1999 - immerhin handelte es sich in
beiden Fällen um Kriege gegen "Aggressoren". Dennoch mahnte der
Papst immer wieder: "Der Krieg ist ein Abenteuer ohne Rückkehr und
kein Mittel zur Lösung politischer Probleme". Sein Mitleid gelte der
Zivilbevölkerung.
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