Rund 200 kirchliche Ehe-Annullierungen pro Jahr in Österreich
Mit der Annullierung der Ehe von Außenministerin Benita Ferrero-Waldner,
der wahrscheinlichen ÖVP-Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl, sind
die kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren in den Blickpunkt der Öffentlichkeit
geraten. Laut APA werden österreichweit pro Jahr rund 200 katholische Ehen
für ungültig erklärt.
Eine
Umfrage der APA bei den diözesanen Ehegerichten hat ergeben, dass in Österreich
pro Jahr rund 200 katholische Ehen für annuliert werden - eine sehr
bescheidene Zahl angesichts der von der Statistik Austria veröffentlichten
Scheidungsstatistik, wonach jährlich in Österreich knapp 20.000 Ehen vor
"weltlichen" Gerichten geschieden werden.
Entscheidung liegt bei Diözese
In
jeder österreichischen Diözese gibt es ein Diözesangericht, wo
Interessierte kostenlos Auskunft und Beratung erhalten. Bei vielen Gerichten
stehen den Klienten sogar eigene Anwälte und Rechtsbeistände zur Verfügung.
Zuständig für die Durchführung eines Ehenichtigkeitsverfahrens ist in der
Regel das kirchliche Gericht jener Diözese, in der der Trauungsort oder der
Wohnsitz des nichtklagenden Ehepartners liegt. Unter bestimmten
Voraussetzungen darf auch dasjenige Gericht den Prozess führen, in dessen
Bereich der Antragsteller, also der Kläger, oder die meisten Zeugen wohnen.
Die Kosten für ein Eheannullierungsverfahren betragen 225 Euro für die
erste Instanz. Für die zweite Instanz kommen 152 Euro dazu. Zusätzlich können
Kosten für zusätzliche Ausgaben, wie etwa für ein Fachgutachten,
anfallen. Als zeitliche Richtschur gilt: Ein Prozess in erster Instanz soll
nicht länger als ein Jahr, in zweiter Instanz etwa ein halbes Jahr dauern.
Annullierungen meist wegen "Ehewillens-Mängel"
Das
Kirchenrecht geht grundsätzlich davon aus, dass in der Regel eine Ehe gültig
zu Stande kommt. Im Zweifelsfall muss daher so lange für die Gültigkeit
einer Ehe eingetreten werden, bis das Gegenteil bewiesen ist. Eine Ehe gilt
erst dann als annulliert, wenn zwei voneinander unabhängige kirchliche
Gerichte übereinstimmend eine Ehe für ungültig erklären. Häufige Gründe
für eine Ehe-Annullierung sind neben formalen Fehlern oder Hindernissen die
"Ehewillens-Mängel": Psychische Erkrankungen, gestörte
Verhaltensweisen oder Abhängigkeiten können eine wirklich freie
Willensentscheidung bei der Eheschließung unmöglich gemacht haben. Auch
das fehlende Abschätzen der Rechte und Pflichten einer Ehe kann ein
Annullierungsgrund sein. Auch wenn jemand nur aus Gefälligkeit den Eltern
gegenüber eine Ehe schließt, ist sie nicht gültig zu Stande gekommen. Ein
mangelnder Ehewille ist auch dann gegeben, wenn jemand sich von Anfang an
die Möglichkeit einer Scheidung vorbehält oder sich klar vornimmt, die
Treue nicht zu halten oder von vornherein Kinder ausschließt.
70-80 Verfahren in Wien
In
der Erzdiözese Wien - der größten Diözese Österreichs - werden nach
Auskunft des Gerichtspräsidenten im Erzbischöflichen Diözesan- und
Metropolitangericht, Ernst Pucher, pro Jahr zwischen 70 und 80 Ansuchen auf
ein Ehenichtigkeitsverfahren gestellt. Im Vorjahr waren es genau 76
Ansuchen. 80 bis 95 Prozent der Verfahren werden positiv erledigt. Die
Zahlen seien seit Jahren gleich bleibend, so Pucher. In der Erzdiözese
Salzburg waren im Jahr 2002 in erster Instanz 41 Fälle anhängig, davon
sind 20 Entscheidungen - 17 positiv, drei negativ - getroffen worden, in
zweiter Instanz waren 125 Verfahren anhängig, 84 Fälle positiv, 6 negativ.
Im Jahr 2003 waren 37 in erster und 120 in zweiter Instanz anhängig. In den
vergangenen 15 Jahren seien die Ansuchen steigend, so Ehebandverteidiger
Josef Kandler vom Diözesangericht Salzburg gegenüber der APA.
"Ausschlaggebend ist die Beweisbarkeit, eine Junktimierung von
Gerechtigkeit und Geld gibt es nicht", sagte Kandler. Nur zwei bis drei
Prozent der Ansuchen stammen aus der Oberschicht, rund 40 Prozent der
Mittelschicht und fast 60 Prozent aus dem ländlichen Bereich sowie den
unteren Einkommensbeziehern.
Linz: Zahl steigend
In
der Diözese Linz werden derzeit pro Jahr rund 20 bis 25 neue Verfahren zur
Annullierung einer kirchlichen Ehe begonnen. Die Zahl ist steigend. Ein
Verfahren dauert - da es über zwei Instanzen geht - bis zu zwei Jahre. Im
Jahr 2001 - neuere Zahlen gibt es noch nicht - wurden in der Diözese Linz
15 kirchliche Ehen für ungültig erklärt. Die häufigsten Gründe dafür
waren: der "Scheidungsvorbehalt", weiters die fehlende
Bereitschaft, Kinder zu bekommen, und massive Probleme in der
"Partnerschaftsfähigkeit", also Neigung zu Gewalt oder Sucht. In
Tirol sind im vergangenen Jahr sechs Ehen in erster Instanz annulliert
worden. Zum 1. Jänner 2004 waren laut Diözese Innsbruck insgesamt 16
Nichtigkeitsverfahren anhängig. Wie viele Ehen 2003 tatsächlich annulliert
wurden, konnte man in der Diözese noch nicht sagen, da jedes zunächst
positiv entschiedene Verfahren in die zweite Instanz gehen müsse. Bis zum
1. Jänner 2003 habe es 13 Verfahren gegeben. Neun weitere seien im Laufe
des Jahres dazugekommen. Jährlich würden in Tirol zwischen vier und acht
neue Ehenichtigkeitsverfahren laufen. Die Zahl der annullierten Ehen sei in
den vergangenen Jahren ähnlich hoch gewesen wie 2003. Als häufigste Gründe
wurden "Willensvorbehalte" und "Eheführungsunfähigkeit"
wie Ausschluss der Treue, fehlender Ehewille, Furcht und Zwang oder
Ausschluss des Kindersegens genannt.
Graz: Annullierungen werden weniger
In
der Diözese Feldkirch gibt es jährlich zwischen 20 bis 25 Anfragen, acht
bis zwölf Fälle führen tatsächlich auch zu einem Verfahren. Im
Durchschnitt werden laut Walter Juen vom Diözesangericht zwei Drittel der
durchgeführten Ehenichtigkeitsverfahren im Sinne des Antragstellers
abgeschlossen, d. h., dass die Ehe als nichtig beurteilt und annulliert
wird.
In
Kärnten werden laut Auskunft der Diözese jährlich etwa zwölf Ehen
annulliert, das sind rund 50 Prozent der angestrengten Verfahren. Im Vorjahr
hat es beim Diözesangericht Graz 20 eingeleitete Verfahren zur Annullierung
von Ehen gegeben, so der Leiter des Diözesangerichts Graz-Seckau,
Monsignore Manfred Schuster. Im selben Jahr wurden 18 Ehen als für ungültig
nach dem Kirchenrecht erklärt. In der Diözese Graz-Seckau gebe es relativ
wenige Verfahren, meinte der Monsignore. In den vergangen Jahren habe es die
Tendenz zu weniger Verfahren gegeben. Woran das liege, lasse sich nicht erklären,
dürfte auch unterschiedliche Gründe haben: "Vielleicht, weil es immer
weniger Katholiken gibt." Andererseits würden sich die Menschen auch
falsche Vorstellungen von den Kosten eines Verfahrens machen, so Schuster.
Komme es in der ersten Instanz schon zu einem von allen Beteiligten nicht
beeinspruchten Urteil, beliefen sich die Kosten auf 225 Euro. Im Burgenland
laufen pro Jahr laut Auskunft der Diözese Eisenstadt durchschnittlich etwa
15 Verfahren. Im Schnitt sieben bis acht davon werden - fast ausnahmslos
positiv für die antragstellenden Parteien - abgeschlossen. Das Ehegericht
der Diözese St. Pölten hat keine Zahlen bekannt gegeben.
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