News 10. 03. 2004

Gibsons Passion Christi schockt Religionsvertreter

Mel Gibsons Film "Die Passion Christi" hat bei seiner heutigen Vorführung vor Vertretern österreichischer Glaubensgemeinschaften große Betroffenheit ausgelöst.

"Ich bin erschüttert, aber weniger vom Inhalt des Filmes als von seiner Blutrünstigkeit und Verantwortungslosigkeit", so die erste Reaktion des Oberrabbiners Paul Chaim Eisenberg nach einer Vorführung von Mel Gibsons "Die Passion Christi" vor Vertretern der Glaubensgemeinschaften, die heute, Mittwoch, in Wien stattfand. Zum Antisemitismus-Vorwurf, der im Zusammenhang mit dem Film, der am 18. März mit 40 Kopien in Österreich anlaufen wird, sagte Eisenberg: "Der Film könnte Leute zum Antisemitismus bewegen."

Sicherheitscheck

Zwei Sicherheitscheck, Kameraverbot, Security-Personal im Kinosaal. Im Wiener Apollo-Kino legte man heute Wert auf eine "sensible Herangehensweise für einen schwierigen Film", wie es Christof Papousek, Geschäftsführer der Cineplexx-Kinos, ausdrückte. "Schalom", "Halleluja", "Grüß Gott" - freundschaftliche Begrüßungen wurden zwischen den Vertretern der Glaubensgemeinschaften gewechselt, bevor die Vorführung losging. Gut zwei Stunden und etliche auf der Leinwand vergossene Liter Blut später war die Stimmung gedrückt bis erschreckt.

Peter Karner: „Sadomasochistisches Machwerk“

Der reformierte Landessuperintendent Peter Karner fand nach der Vorstellung klare Worte: "Es ist grauenvoll, ein sadomasochistisches Machwerk. Die Leiden Christi dienen als Vorwand für einen Film, dessen Brutalität sonst nicht durchgegangen wäre. Außerdem hat er viele Fehler im Hinblick auf das biblische Material."

Herwig Sturm: Warum kann Gott das zulassen?

Die Absicht des Filmes nimmt der evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm durchaus ernst: "Er hinterlässt zwiespältige Gefühle bei mir, weil er so dick aufträgt. Ich halte ihn aber nicht für antisemitisch. Die ständig präsente Frage bleibt: Warum kann Gott das zulassen? Es wird einem so viel Zeit gelassen, dass man nicht nur beim Film bleibt, sondern an die Leider der Welt denken muss. Die Endlosigkeit der Gewalt ist erschreckend." Auch Sturm findet den Umgang mit dem biblischen Material "problematisch": "In der Bibel zerreißt der Vorhang des Tempels, im Film bricht gleich der ganze Tempel auseinander. Das ist missverständlich und zu dick."

Michael Bünker: Gewalt als Lösung

Der Film suggeriere, Gewalt sei eine Lösung, meinte der evangelische Oberkirchenrat Michael Bünker, "Und das widerspricht der christlichen Botschaft." Für ihn ist der Vorwurf des Antisemitismus durchaus gerechtfertigt: "In der Übertreibung und Auswahl ist der Film offenkundig antisemitisch. Die Schuld wird ausschließlich bei den Juden gesucht, die Römer hingegen ständig entschuldigt."

Symbolische Darstellungen des Bösen

Mel Gibson ließ die "Passion Christi" in lateinischer und aramäischer Sprache drehen und untertitelte nur teilweise, eine Methode, die Eisenberg höchst problematisch findet: "Über die Sprache will man uns einreden, der Film sei historisch. Die Kirche hat aber eine ganz andere Meinung."

Das vieles anders sei, als sie es aus dem Religionsunterricht her kennen fanden auch die Schüler zweier Klassen, die die Vorführung mit ihren Lehrern besuchten und anschließend diskutierten. "Die Römer kommen besser weg als im Unterricht", so ein Schüler. Auch von Claudia, der Frau des Pilatus, die sich im Film so sehr für den Mann aus Galiläa einsetzt, hatten sie noch nichts gehört. Dämonen, verzerrte Kindergesichter und die bleiche Gestalt, als der der Teufel durch den Film schleicht, kamen ihnen weniger seltsam vor, das seien symbolische Darstellungen des Bösen. Wenn sie entscheiden dürften, sollte der Film erst mit 16 Jahren freigegeben werden, fanden die Schüler, schließlich wögen die brutalen Szenen doppelt schwer, "weil es ja wahr sein soll".

Roland Schwarz: "Grenze des Erträglichen"

Die Gewaltdarstellungen gingen an die Grenze des Erträglichen. "Es ist zu wenig herausgekommen, dass das Christentum auch eine froh machende Botschaft hat", meinte etwa Roland Schwarz, der Bibelbeauftragte der Wiener Erzdiözese, "Ich war während des ganzen Filmes sehr bedrückt." Für Dompfarrer Anton Faber bietet der am 18. März in Österreich startende Streifen dennoch "eine tolle Chance, mit Menschen, die mit der Bibel nichts zu tun haben, ins Gespräch zu kommen."

Toni Faber: „Sehr betroffen“

"Ich war sehr betroffen", meinte Faber am Mittwoch Nachmittag im Gespräch mit der APA. "Bei der Annagelungsszene wird wohl jedem schlecht - aber es wird wohl so oder ähnlich gewesen sein. Für mich ist das ein Film für katholische Erwachsene, der mit entsprechender Vorwarnung äußerst zu empfehlen ist." Der Film wäre durchaus biblisch fundiert und fördere auch "in keinster Weise" den Antisemitismus: "Im Gegenteil, er hat die Rolle der römischen Soldaten etwa viel härter dargestellt als die Rolle der Hohepriester."

Roland Schwarz: Positiv und negativ

"Ich habe den Film positiv und negativ erlebt", sagte Roland Schwarz der APA, "Positiv ist, dass man zeigt, dass die Passion Jesu etwas Brutales ist. Doch die Gewaltdarstellungen sind unnötig aufgebauscht. In der Bibel werden die einzelnen Dinge nur kurz als Fakten angeführt, lange nicht so dramatisch und spektakulär ausgeführt. In der Bibel geht es nicht um die Schilderung eines besonders intensiven Leidens. Damit reflektiert der Film eigentlich nicht das biblische Anliegen. Gut habe ich die Rückblenden, die es in dem Film gibt, gefunden." Seiner Meinung nach fördert der Film nicht den Antisemitismus: "Die stärkste antijüdische Stelle des Neuen Testaments, den Blutruf, hat man ausgelassen", so Schwarz, der Pfarrer in Wien-Meidling ist. Er könne den Film jenen empfehlen, die nachher die Möglichkeit hätten, darüber zu reden. "Aber mit meiner Pfarre habe ich nicht vor hinzupilgern."

 

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