Nachbar in
Not - Österreich hilft Darfur |
Sondersendung Ö3
Zu Gast bei Andi Knoll waren Franz Karl Prüller, Vorsitzender des
Vorstands der Stiftung Nachbar in Not und Generalsekretär der Caritas
Österreich, Barbara Busch, Rot Kreuz Mitarbeiterin, soeben aus dem Sudan
zurückgekehrt und Walter Voitl, Ärzte ohne Grenzen, monatelang in Darfur
als Krankenpfleger eingesetzt sowie Helmut Opletal,
ORF-Außenpolitik-Experte. Im folgenden eine Zusammenfassung der
Expertengesprächsrunde. Andi Knoll: "Was ist das Bild, das sich am meisten eingebrannt hat,
woran denken Sie nach Ihrer Rückkehr aus Darfur immer noch?" Barbara Busch: "Ich habe in El Fasher mit Flüchtlingen gesprochen,
darunter auch eine Hebamme. Diese hat mir erzählt, dass an dem Tag als ihr
Dorf angegriffen wurde, sie gerade ein Kind entbunden hatte. Die Mutter
rannte mit dem Neugeborenen noch blutend los, um sich in Sicherheit zu
bringen. Sie haben das beide überlebt und sind jetzt in einem
Flüchtlingslager." Andi Knoll: "Worum geht es in diesem Konflikt, geht es um Religion,
um Erdöl?" Helmut Opletal: "Es geht ein bisschen um alles und ich glaube, auch
wenn wir heute Abend vor allem von der humanitären Katastrophe sprechen und
darüber, was man für die Menschen in Darfur tun kann, dürfen wir nicht
vergessen, dass es hier auch politische Verantwortung gibt. In Darfur selbst
ist es kein Religionskrieg, anders als im Südsudan, wo sich ja christlich-
afrikanische Gruppen mit den arabisch- nordsudanesischen Gruppen bekriegen.
In Darfur sind alle Beteiligten eigentlich Muslime, auch wenn die einen ein
bisschen mehr in der afrikanischen Tradition sind, die anderen, denen man
die Verantwortung für diese Massaker und diese Übergriffe vorwirft, die
arabische Mehrheit des Sudan repräsentieren. Es ist ein sehr komplizierter
Konflikt, aber es gibt natürlich politisch Verantwortliche. Was für mich
ganz wichtig ist jetzt bei diesem Konflikt, ist die internationale
Aufmerksamkeit, die hoffentlich dazu beiträgt, dass es zu einer politischen
Lösung kommen kann, dass dieses Morden, Schlachten, Vertreiben,
Vergewaltigen nicht weitergeht. Und ich glaube, es ist auch wichtig, dass
gerade die westlichen Länder, die durch ihre Militäraktionen, wenn ich
etwa an den Irak denke, nicht immer sehr positiv gesehen werden, gerade in
der islamischen Welt, das jetzt durch einen großen humanitären Einsatz im
Sudan, dieses Bild vielleicht ein bisschen in diese Richtung korrigiert
werden kann." Andi Knoll: "Franz Karl Prüller, wieso sprechen wir bei dieser
Aktion von Nachbar in Not, der Sudan ist doch weit weg?" Franz Karl Prüller: "Weil wir den Menschen helfen können. Viele
Österreicherinnen und Österreicher sehen diese Menschen durch die
Fernsehgeräte in ihren Wohnzimmern, sie schauen uns aus den Zeitungen an.
Ihre Schicksale berühren uns direkt und unmittelbar und wir können helfen.
Und dadurch werden Menschen in diesem globalen Dorf zu Nachbarn, zu unseren
Nächsten, denen wir aufgefordert sind zu helfen, weil wir es auch
können." Andi Knoll: "Wie sicher ist es, dass die Hilfsgüter auch wirklich
ankommen?" Franz Karl Prüller: "Wir haben im Sudan, in Westdarfur, unsere
Mitarbeiter, die Transporte begleiten. Es stimmt, die Situation ist keine
reguläre und in manchen Fällen auch eine durchaus unsichere, allerdings
werden die humanitären Hilfslieferungen der nicht-staatlichen
Organisationen, die dort tätig sind, respektiert und wir können gesichert
die Hilfsgüter bis in die Lager bringen. Das heißt, wir haben hier die
Sicherheit, dass Menschen geholfen wird, und dass das, was wir dort tun,
auch von den Rebellen, von den Menschen, die dort gegeneinander kämpfen,
respektiert wird, weil es eine Hilfe für die Menschen in Not dort
ist." Andi Knoll: "Gab es irgendwelche Erlebnisse während der Zeit, als
Sie in Darfur waren, wo Sie das Gefühl hatten, nicht alle Hilfe kommt an,
dass Sie behindert werden in Ihrer Arbeit?" Barbara Busch: "Ich sehe die Schwierigkeit eher darin, dass es kaum
Straßen gibt, dass die Lastwagen sehr lange unterwegs sind. Teilweise 12
Tage, um von der Hauptstadt in den Darfur zu kommen und auch Spezialgeräte
und einen Techniker mithaben, um die Straße zu planieren. Das heißt, es
ist eine aufwändige Hilfe, aber der Großteil kommt an." Walter Voitl: "Es war zu Beginn schon so, dass die administrativen
Hürden für Hilfsorganisationen sehr groß waren und schwierig zu
überwinden, zum Beispiel hat es kaum Reisegenehmigungen gegeben, man hat
keine Visa gekriegt für das Land. Das ist aber jetzt, seit der Druck auf
den Sudan von internationaler Seite wächst, wesentlich besser geworden. Es
ist uns jetzt auch leichter möglich, die Hilfe wirklich in den Sudan zu
bringen." Andi Knoll: "10 Euro sichern einer Familie in Darfur das Leben. Wie
ist das gemeint?" Franz Karl Prüller: "Wir haben diesen Betrag folgendermaßen
errechnet: wir haben gesagt, eine Familie braucht, damit sie das
Notwendigste zum Leben hat, gewisse Dinge, die in diesem Paket sozusagen
drinnen sind. Das sind Planen, das heißt Schutz vor Regen und Hitze, mit
denen man sich einen Schutz bauen kann. Da sind drinnen Moskitonetze, Schutz
vor Ansteckung mit Malaria, da ist drinnen Kleidung für die Menschen, die
ja oft mit nur einem Stück am Körper geflohen sind. Da sind drinnen
Haushaltgeräte, damit man wieder Essen kochen kann, Trinkbecher, Besteck
und Geschirr, damit man auch vernünftig essen kann und nicht nur vom Boden
oder aus der Hand essen muss. Da sind drinnen ein Wasserkanister, um Wasser
holen und aufbewahren zu können, das Essentielle in einer solchen
Situation. Da sind Hygieneartikel wie Seife drinnen, um sich waschen und
sauber halten zu können, um eben auch die Ansteckungsgefahr und Krankheiten
zu verhindern. Da sind Decken drinnen, um sich warm halten zu können in der
Nacht, wenn es kalt ist. Das ist ein Paket, das kostet ungefähr 60 Euro und
das rechnen wir für einen Monat, und das sind dann, weil diese
Ausrüstungsgegenstände für ein halbes Jahr gedacht sind, dann eben die 10
Euro pro Monat, auf ein halbes Jahr 60 Euro. Und damit kann die Familie sich
sozusagen einrichten und ein Überleben mit den dazu notwendigen
Lebensmittel und der Zurverfügungstellung von Wasser sichern." Andi Knoll: "Eine Region so groß wie Frankreich, eine Million
Menschen sind auf der Flucht. Wie muss man sich das vorstellen, wenn man
dort runter kommt, wie schaut es dort aus?" Barbara Busch: "Ich hab in El Fasher Flüchtlingscamps besucht und
da leben in einem 15.000, in dem anderen 45.000 Menschen, das heißt, das
sind kleine Städte in der Größe von Steyr zum Beispiel. Ein
Flüchtlingscamp kann man sich so vorstellen, das sich die Menschen
teilweise aus Ästen und Reisig notdürftig Hütten gebaut haben. Manche
haben Zeltplanen bereits bekommen als Schutz vor dem Regen und andere nicht.
Einer der schwierigsten Momente auf der Reise war für mich ein
neunjähriger Bub, der sehr stark unterernährt war, nur noch aus Haut und
Knochen bestand. Seine Mutter hat ihn am Rücken getragen wie sonst nur die
Kleinkinder getragen werden." Andi Knoll: "Wie schaut es aus mit den Hilfsorganisationen? Brauchen
die noch Leute?" Franz Karl Prüller: "Die Hilfsorganisationen brauchen in erster
Linie qualifiziertes Fachpersonal. Ich habe die allergrößte Hochachtung
vor Menschen, die sich selbst bereitstellen wollen, um ganz konkret zu
helfen. Ich muss allerdings darauf hinweisen, dass es doch beträchtliche
Probleme geben kann in solchen Fällen. Gerade für das, Menschen einfach
beistehen, mit ihnen zu sein, ist es vor allem auch wichtig, dass man ihre
Sprache spricht, um genau das zu tun, was diese Menschen brauchen, um
Zuneigung und Aufmerksamkeit zu schenken. Das bedarf einfach auch der
Möglichkeit mit diesen Menschen zu kommunizieren. Hier arbeiten wir, die
Hilfsorganisationen, vor allem mit lokalem Personal. Es gibt ja Menschen im
Sudan, die wir auch anstellen können, die sich bereit erklären
mitzuarbeiten und die genau das mitbringen, dieses menschliche Mitgefühl
und die Möglichkeit direkt mit den Betroffenen zu kommunizieren." Andi Knoll: "Gab es nie in den sechs Wochen, die Sie unten waren,
eine gefährliche Situation?" Walter Voitl: "Ich persönlich habe mich in keiner gefährlichen
Situation gesehen. Alle Hilfsorganisationen stellen die Sicherheit unserer
Mitarbeiter über alles Andere. Wir von Ärzten ohne Grenzen haben im
heurigen Frühjahr erlebt, dass fünf unserer Mitarbeiter in Afghanistan zu
Tode gekommen sind. Im Sudan stellt sich für mich die Situation bei Weitem
nicht so dramatisch dar, ein gewisses Restrisiko wird für alle Mitarbeiter
immer bleiben, es ist aber ein absolut kalkulierbares Risiko das bleibt. Zur
Frage der persönlichen Mitarbeit ist es so, dass wir alle, die in diese
Krisenregionen gehen, sehr lange Vorbereitungen durchmachen und wir von
Ärzte ohne Grenzen auch wirklich nur erfahrenes Personal, das in solchen
sehr schwierigen Situationen schon gearbeitet hat, dorthin schicken, um eben
auch die Arbeit effizient gestalten zu können." Andi Knoll: "Wie viel Geld brauchen wir denn, um etwas bewirken zu
können?" Franz Karl Prüller: "Wir brauchen viel Geld. Die
Hilfsorganisationen haben große Programme laufen und wir brauchen einen
langen Atem in dieser Sache. Sie haben vorher die Frage gestellt, wann
wieder Frieden ist. Frieden ist dann, wenn die Menschen wieder zurück in
ihren Dörfern sind, wenn sie wieder ihren eigenen Boden bebauen, wenn sie
aus eigener Kraft leben können. Das braucht noch eine Weile, Geld und einen
langen Atem und ich hoffe auf große Unterstützung. Ich kann schwer eine
Summe sagen, jedes Geld ist willkommen und ich muss auch sagen, jeder Euro
hilft. Je mehr davon zusammen kommen, je mehr können wir helfen. Die
Stiftung Nachbar in Not hat die klare Regel, dass die Gelder, die ihr
anvertraut werden, ohne Verwaltungsabzüge und Bearbeitungsabzüge direkt in
die Hilfe investiert werden müssen. Das heißt also das Geld, das wir
bekommen, geht direkt in die Projekte im Sudan. Man hilft direkt und
unmittelbar mit diesem Geld."
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