News 07. 10. 2005

Vor 50 Jahren starb Kardinal Innitzer

Vor 50 Jahren, am 9. Oktober 1955, ist Theodor Innitzer gestorben. Der Kardinal und Wiener Erzbischof war vor allem wegen seiner Rolle während der NS-Zeit einer der umstrittensten Kirchenfürsten Österreichs.

1938 unterzeichnete Innitzer einen Aufruf, bei der Volksabstimmung am 10. April für den Anschluss an Deutschland zu stimmen. Ein halbes Jahr später allerdings wurde das erzbischöfliche Palais am Stephansplatz von Angehörigen der Hitlerjugend gestürmt. Und 1940 gründete der Kardinal eine "Hilfsstelle für nicht arische Katholiken".

Arbeitersohn

Theodor Innitzer wurde am 25. Dezember 1875 in Neugeschrei bei Weipert im heutigen Tschechien als Sohn eines Fabrikarbeiters geboren. Nach der Pflichtschule war er zunächst Lehrling in einer Textilfabrik, konnte schließlich aber das Gymnasium in Kaaden besuchen, wo er 1898 die Matura ablegte. Anschließend studierte Innitzer in Wien Theologie, 1902 wurde er zum Priester geweiht.

Priester, Rektor und Minister  

Nach seiner Promotion im Jahr 1908 schlug er eine wissenschaftliche Karriere ein. 1913 übernahm er die Lehrkanzel für neutestamentliche Exegese. Von 1928 bis 1929 stand der Theologe der Universität Wien als Rektor vor. In dieser Zeit setzte er sich für eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen nationalen und jüdischen Studenten ein. Von 1913 bis 1932 war Innitzer außerdem Generalsekretär der Leo-Gesellschaft, die 1945 in der Wiener Katholischen Akademie aufging. Als Ziel gab der Erzbischof der Akademie vor, die Wissenschaft aus katholischer Sicht zeitaufgeschlossen zu pflegen, zu fördern und zu vermitteln. Von 1929 bis 1930 gehörte er als Sozialminister dem Kabinett von Bundeskanzler Johann Schober an.

Innitzer unterzeichnete mit "Heil Hitler"

Der mit "Heil Hitler" gezeichnete Aufruf Innitzers, am 10. April 1938 für einen Anschluss an das Deutsche Reich zu stimmen, wurde von den Nazis in ganz Deutschland propagandistisch ausgeschlachtet. Im Vatikan musste sich Innitzer für seine Erklärung zur Volksabstimmung verantworten und den Aufruf über "Radio Vatikan" und den "Osservatore Romano" abschwächen, was in der jedoch "Ostmark" wirkungslos blieb. Obwohl Hitler Innitzer am 15. März 1938 im Wiener Hotel "Imperial" einen "neuen Frühling" für das Verhältnis von Staat und Kirche im ganzen Deutschen Reich versprochen hatte, ging die Hoffnung des Kardinals, ein brauchbares Auskommen mit den Nationalsozialisten zu erlangen, aber nicht auf.

"Nur einer ist euer Führer - Jesus Christus"

Im Oktober 1938 kam es schließlich zu einer offenen Auseinandersetzung mit dem Regime. Rund 7.000 Jugendliche feierten am 7. Oktober im Wiener Stephansdom eine Rosenkranzandacht. Was nicht als eine "politische" Veranstaltung geplant war, wurde zu einer Demonstration des Zusammenhaltes innerhalb der katholischen Kirche - nachdem die NSDAP im März '38 alle katholischen Vereinigungen aufgelöst hatte. Am Ende des Gottesdienstes soll Innitzer spontan das Wort ergriffen und den Betenden zugerufen haben: "Nur einer ist euer Führer - Jesus Christus." Dadurch und auf Grund der Kundgebung der katholischen Jugendlichen am Stephansplatz fühlte sich die Hitlerjugend provoziert: Am nächsten Tag, dem 8. Oktober, stürmte sie das Erzbischöfliche Palais und steckte es in Brand.

Krätzl: Nicht nur die Fehler sehen

Der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl, der 1954 von Innitzer zum Priester geweiht wurde, wird am kommenden Sonntag (um 19 Uhr) im Stephansdom eine Gedenkmesse anlässlich des 50. Todestages von Kardinal Innitzer zelebrieren. Gegenüber der APA betonte Krätzl aus diesem Anlass, dass rückblickend nicht nur Innitzers Schwächen gesehen werden dürften. Die schweren Fehler nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich 1938 - der Aufruf des Kardinals, bei der Volksabstimmung für den Anschluss zu stimmen, und das persönliche Treffen mit Adolf Hitler in Wien - können aus Sicht Krätzls nicht korrigiert werden. Der Wiener Weihbischof sieht rückblickend zwei Gründe für das Verhalten Innitzers: Auf der einen Seite habe der Kardinal "als Sudetendeutscher eine großdeutsche Idee in sich getragen", auf der anderen Seite sei er "sicher ein zu gutgläubiger Mensch" gewesen, "der damals schlechte Berater gehabt hat, denen er geglaubt hat, dass er sowohl mit dem Aufruf zur Wahl als auch mit dem viel kritisierten Besuch Hitlers der Kirche helfen könnte".

"Ein überaus sozial denkender Bischof"

Wer das Gesamtbild des Kardinals sehen will, dürfe die soziale Komponente nicht außer Acht lassen. Krätzl: "Er war vor seiner Berufung zum Erzbischof von Wien Sozialminister in der Regierung Schober. Und das war typisch, dass er dann auch als Bischof ein überaus sozial denkender Mensch geblieben ist. Er hat selbst persönlich viele arme Menschen unterstützt." Von seiner Persönlichkeit her sei Innitzer überaus "leutselig gewesen, mit einer auf die Menschen zugehenden Art". Krätzls Resümee: "Wenn ich für eine Korrektur des Innitzer-Bildes eintrete, dann in dem Sinn, dass man das Gesamtbild sehen soll und nicht nur einseitig diese politisch - rückblickend sicher falsche - Haltung beim Einmarsch Hitlers in Österreich hervorstreicht und ihn nur auf diese Haltung hin charakterisiert."

Schönborn: Tragischer Irrtum

Kardinal Christoph Schönborn betonte im Gespräch mit "Kathpress", in der katholischen Kirche habe es in der Zeit von 1938 bis 1945 sowohl "Licht" als auch "Schatten" gegeben. Kardinal Innitzer habe versucht, durch Loyalitäts-Erklärungen den Freiraum der Kirche zu erhalten und "zu retten, was zu retten war". Aber das NS-Regime habe natürlich alle Versprechungen gebrochen. Innitzer habe aber bald seinen tragischen Irrtum erkannt, dieser Irrtum sei für ihn eine "große persönliche Wunde" geblieben. Vor allem habe Innitzer dann sehr konsequent gehandelt, betonte Kardinal Schönborn: "Die Rosenkranz-Feier im Stephansdom am 7. Oktober 1938 war die größte Manifestation geistigen Widerstands im gesamten Dritten Reich".

 

 

 

 

 
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