Ein schwieriges Gleichnis, das nur der Evangelist
Lukas kennt!
Wer ist dieser Richter, der Gott nicht fürchtet,
wer ist mit der Witwe gemeint, die immer wieder versucht, bei diesem
Richter zum Recht zu kommen?
Man wagt es kaum zu sagen: dieser unzugängliche
Richter ist Gott selbst: wer kennt nicht das Gefühl, dass sich gar
nichts zu rühren scheint, wenn wir Gott unsere Bitten vortragen.
Gerade in diesen Tagen, in denen so viel Böses, so viel Unrecht
geschieht, stellt sich die quälende Frage: warum greift Gott nicht
ein, warum hört er auf die vielen Bitten der Menschen nicht; ist
ihm denn alles gleichgültig? - Es scheint oft so zu sein.
Jetzt gibt es jedoch diese unermüdliche, lästige
und hartnäckige Witwe. Sie steht für die zahlreichen Armen,
Entrechteten, eben für die, die auch für das Gericht uninteressant
sind. Diese lässt sich durch die starre Haltung des ungerechten
Richters nicht davon abschrecken, immer wieder ihre Bitte
vorzutragen und ihr gegenüber einem Feind zum Recht zu verhelfen.
Wir kennen diese Art von Menschen sehr gut: sie
fallen uns lästig, und trotzdem müssen wir sie insgeheim
bewundern. Sie haben ein unglaubliches Stehvermögen, eine
bewundernswerte Ausdauer und vor allem die Fähigkeit, mit
Enttäuschungen fertig zu werden. Man wirft sie häufig bei der
einen Tür hinaus; bei der anderen kommen sie wieder herein. – So
wird eines Tages der Witwe zu ihrem Recht verholfen. Es könnte für
den Richter gefährlich werden, sie länger hinzuhalten. – Daraus
zieht der Evangelist den Schluss: "Sollte Gott seinen
Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem
Recht verhelfen, sondern zögern?
Woran liegt es dann, dass wir nicht selten den
Eindruck haben, dass unser Bitten und Beten nichts fruchtet? – Es
fehlt am Glauben, am festen Vertrauen, dass unser Bitten überhaupt
erhört werden könnte. Neigen wir nicht eher zu der häufig
anzutreffenden kurzschlüssigen Haltung: Ist es nicht doch besser,
wenn wir selber nach dem Rechten sehen, uns selbst das Recht
verschaffen und nicht erst lange auf einen Wink des Himmels warten?
Die hartnäckige Witwe ist fest geblieben, hat in
ihrem Bitten nicht nachgelassen; erwartet sich der Herr nicht auch
von uns etwas mehr "gläubige Hartnäckigkeit"?
Woher nahm die Frau diese Kraft? - Es wird einmal
eine gewisse Lebenserfahrung dahintergestanden sein: mit ihrem
verstorbenen Mann, mit den Kindern, mit den zahlreichen
Schicksalsschlägen, die das Leben so bringt. – Es ist gar nicht
so leicht, sich immer wieder zu erheben, weiterzugehen, neue
Lebensziele zu suchen, das Leben eben weiterzuleben! Diese
Fähigkeit, sich wieder aufzurichten, schöpfte diese unscheinbare
Frau aus einem tiefen Vertrauen, dass sie mit all ihren Sorgen und
Ungerechtigkeiten, die sie ertragen musste, letztlich doch nie
allein war. Jahwe war höchstwahrscheinlich für sie wirklich der
Gott, der für sie da sein will, der Gott der oft leidvollen
Geschichte ihres Volkes. Lebensweisheit und Gottvertrauen, eine
starke innere Haltung und ein entsprechendes Durchhaltevermögen
führten schließlich zum Ziel, zu ihrem Recht.
Übersetzt in unsere Zeit, könnte ja alles auch
anders sein: Enttäuschungen führen nicht selten zur Verbitterung,
zur Resignation: "Es hat ja doch alles keinen Sinn!" Über
diesen negativen Erfahrungen schwindet dann auch der Glauben dahin.
Am Ende steht letztlich das Nichts. – Ein Schluss, den in den
letzten Jahrzehnten viele Menschen gezogen haben. – Aber so ist es
ja Gott sei Dank nicht! Sehr viele vom Schicksal geprüfte Menschen
haben bewiesen, dass es weitergehen kann, dass ihnen irgendwann
einmal, oft sehr spät, doch das Recht zuerkannt wurde.
Mit diesen Gedanken ist dieses Gleichnis vom
gottlosen Richter und der Witwe nicht ausgeschöpft: es zielt
letztlich auf unsere Gemeinden in der Endzeit ab. Seit der Ankunft
Jesu stehen wir am Ende der Zeiten. Wie stellen sich unsere
Gläubigen auf diese Tatsache ein? - Würde der Gedanke der
"Ankunft des Herrn" mehr im Vordergrund stehen, würden
sich viele Beiläufigkeiten erübrigen. Es würde vieles von mehr
Ernst und Hoffnung geprägt sein, aber auch mehr Freude überzeugter
und überzeugender Gläubigkeit.
Die heutige Sonntagsperikope endet fast
resigniert: " Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf
der Erde (noch) Glauben vorfinden?" - Die Antwort auf diese
Frage müssen wir heute selbst finden.