"Die Rede über die
Endzeit"
(Lukas 21, 5 – 19)
kommentiert von
Abt Johannes Gartner
Nun, wir wollen einmal festhalten, dass zu der
Zeit als das Lukasevangelium geschrieben wurde, der Tempel bereits
zerstört war. Es gab keinen Tempel mehr. Ein Soldat des Titus hat
mit einer brennenden Fackel den Tempel angezündet. Das ist so
konkret, so genau, dass die Exegeten uns sagen, das ist also nach
der Zerstörung des Tempels gleichsam formuliert worden oder
zurückprojiziert worden. Und wenn wir also nun ausgehen von dieser
Stelle – es wird kein Stein auf dem Anderen bleiben, alles wird
niedergerissen werden – das war eine solche Katastrophe für die
Juden, die man mit dem Ende der Welt verglichen hat. Genauso wie im
Jahre 410 als Alrich Rom geplündert hat, da ging für viele Römer
die Welt unter – geistig, von der Mentalität her. Man sagte sich,
das kann es doch nicht geben, dass Rom fällt (man hat damals den
Christen die Schuld zugeschoben). Oder wenn wir zum Beispiel 1453
nehmen: Der Untergang von Konstantinopel war damals auch eine
Katastrophe ungeahnten Ausmaßes oder meinetwegen das Ende des 1.
Weltkrieges mit dem Ende der Monarchie. Viele Menschen haben sich
damals nicht mehr zurechtgefunden. Und von da müssen wir einmal
ausgehen. Man hat also von der Zerstörung des Tempels aus den
Schluss gezogen: Also das ist der Anfang vom Ende der Welt. Nun,
Lukas hat aus der Erfahrung heraus schon gewusst, dass die
Wiederkunft des Herrn nicht so unmittelbar bevorsteht, wie das bei
Markus etwa der Fall war oder bei den ältesten Paulus-Briefen, und
deshalb schiebt er hier die Erfahrung von Verfolgungen, die
Erfahrung der Kirche in ihrer Missionstätigkeit, hinein. Also: Ihr
werdet eingesperrt werden, ihr werdet festgenommen werden, ihr
werdet um meines Namens Willen den Synagogen übergeben werden. Und
er sieht in dieser Verfolgungssituation der Kirche ein erstes
Anzeichen, dass sich die Welt in diese Richtung bewegt – auf ein
Ende zu. Aber dass wir das (sagt er am Anfang der Apostelgeschichte)
nicht wissen, wann das sein wird. Prinzipiell ist jeder Krieg, jedes
Erdbeben, jede Katastrophe ein Anzeichen, das uns zur Wachsamkeit
mahnt. Es ist auch hier der letzte Satz: Wenn ihr standhaft bleibt,
werdet ihr das Leben gewinnen – im griechischen Text heißt das
die Hypomone (das Drunterbleiben). Also wer durchhält, wer
drunterbleibt unter all diesen Prüfungen, der ist eigentlich auf
dem richtigen Weg. Mehr kann man nicht tun. Es ist also nicht eine
Antwort auf irgendwelche neugierigen Fragen: Wie wird das einmal
sein am Ende der Welt? Was wird da geschehen? Oder wann wird es
sein? Es handelt sich hier um eine Mahnung, das Leben mit all seinen
Schwierigkeiten zu bestehen.