Erfüllte Zeit

25. 11. 2001, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

"Die Kreuzigung" (Lukas 23, 35 – 43)

 

kommentiert von  Abt Johannes Gartner

 

 

Dieser Dialog der beiden Männer am Kreuz, der beiden Schächer wie man auch sagt, ist einzigartig bei Lukas (er kommt in keinem anderen Evangelium vor, er ist ein sogenanntes Sondergut) und ist wie die Exegeten uns sagen, der Höhepunkt des Kreuzigungsberichtes bei Lukas. Lukas hat den Kreuzigungsbericht auf das hin komponiert - auf diesen Dialog: Jesus mit dem sogenannten rechten Schächer, dem er das Paradies verheißt.

 

Nun haben wir hier ein Stichwort, das sich auf das ganze Evangelium verteilt – das gleichsam wie ein roter Faden durch das ganze Evangelium geht, nämlich: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein – also das Wort heute. Das kommt zum ersten Mal in der Weihnachtsbotschaft der Engel vor: Ich verkünde euch das Evangelium heißt es im wörtlichen Sinn und heute, heute hat sich das also ereignet, die Geburt des Messias. Und was das nun bedeutet: Jesus ist Messias, ist der Retter der Welt. Das wird nun im Evangelium bei Lukas entfaltet. Im Kapitel 4 zum Beispiel, da beginnt Jesus bei Lukas seine öffentliche Tätigkeit im Gottesdienst, in einer Synagoge in seiner Heimat. Da liest er ein Stück vom Propheten Jesaja über den Heiligen Geist, der ihn gesalbt und gesandt hat und er predigt dann darüber und sagt: "Heute hat sich das erfüllt, was die Propheten verkündet haben:" Dass Gefangene frei werden, dass Blinde sehend werden, dass den Armen das Evangelium verkündet wird und dass ein Jahr der Gnade durch Jesus ausgerufen wird.

 

Wir haben dann im 19. Kapitel, am Ende seiner öffentlichen Tätigkeit eine ganz konzentrierte Stelle mit diesem Stichwort heute. Da haben wir in einer Begegnung nämlich zweimal das Vorkommen diese Begriffes. Es ist die Begegnung mit Zachäus – mit dem Oberzöllner, der so klein war, dass er auf einen Baum gestiegen ist um Jesus zu sehen. Und Jesus schaut zu ihm hinauf und sagt: "Heute muss ich bei dir einkehren." Dieses Muss ist ein theologischer Begriff (so wie es auch bei den Emaus-Jüngern einmal vorkommt) musste nicht der Messias leiden – dieses Muss bedeutet: Es ist der Wille des Vaters. Also das Jesus dort einkehrt bei diesem Sünder ist der Wille Gottes, ist seine Sendung – und deshalb auch dieses heute. Und ein zweites Mal in derselben Perikope noch einmal: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden. Also zu Weihnachten heißt es: Der Retter, der Heiland ist geboren und heute hat sich das konkretisiert bei Zachäus – es ist in diesem Haus das Heil geschenkt worden. Auch er gehört zu den Söhnen Abrahams.

 

Und wir haben jetzt die letzte Konsequenz in der letzten Stunde Jesu, wo sich seine seelsorgliche Tätigkeit einem Höhepunkt zuwendet: Er rettet einen Menschen in der äußersten Grenzsituation, nach einem verpfuschten Leben. Das ist das Nachgehen des guten Hirten bis an die Grenze und das ist auch die Freude Gottes über einen Sünder, der umkehrt. Es heißt einmal bei Lukas: Die Engel freuen sich im Himmel mehr über einen Sünder der umkehrt, als über sogenannte Gerechte die es nicht nötig haben umzukehren. Es ist hier eine interessante Spannung.

 

Während er verspottet wird und die Schadenfreude hier wirksam ist, freut sich der Erlöser über die Heimkehr eines Sünders. Das ist also unüberbietbar: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.