Erfüllte Zeit

10. 02. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

Vom Salz der Erde und vom Licht der Welt" (Matthäus 5, 13 - 16)

kommentiert von Sr. Dr. Beatrix Mayrhofer

 

"Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen!"

Nicht nur weil heute Faschingsonntag ist, beginne ich mit meinem Lieblingszitat von meinem Ordensvater Augustinus. Das Tanzen ist ja wirklich eine ganz und gar sonntägliche Bewegung. Im Tanz kommt etwas von dem zum Ausdruck, was uns Menschen zu Menschen macht. Wir haben unsere Arme und Beine, unseren Leib, unseren Geist nicht nur zum Essen und Schlafen, zum Arbeiten und Leisten, zum Überleben. Wir sind zur Fülle des Lebens geschaffen und berufen. Wir können tanzen, uns schöpferisch bewegen im Einklang mit der Musik, in Harmonie mit der Schöpfung. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Bibel auch schon im ersten Testament häufig vom Tanzen spricht.

"David und das ganze Haus Israel tanzen und singen vor dem Herrn mit ganzer Hingabe", so heißt es schon im Zweiten Buch Samuel (6,5) und der Psalmist dankt Gott mit den Worten: "Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt" (Ps 30,2).

"Freut euch und jubelt" hat es auch im letzten Vers des Evangeliums vom vergangenen Sonntag geheißen - allerdings im Zusammenhang mit der Verfolgung, in die Christen um Jesu willen geraten können.

Ob uns beim ersten Anhören des heutigen Schrifttextes gleich nach Tanzen zu Mute ist, das wage ich auch zu bezweifeln. "Ihr seid das Licht der Welt" heißt es da. Wir Christen der westlichen Welt hätten es gerne ein wenig bescheidener. Wir würden nach allem, was wir aus unserer Kirchengeschichte wissen, lieber das Abblendlicht einschalten oder den Mantel des Schweigens über solche Bibelworte breiten. Zu oft haben wir schon erlebt, welches Unheil verblendete Geister im Namen Gottes anrichten können, welche Irrlichter sich selbst und andere ins Verderben geführt haben. Und wir sind doppelt vorsichtig in diesen Tagen, wenn sich Anhänger einer Religion als "das Licht der Welt" bezeichnen.

Die Leser des Matthäusevangeliums haben sich selbst nicht als das Licht der Welt gefühlt. Sie waren – darauf lässt der unmittelbar vorhergehende Text schließen - bereits in einer Verfolgungssituation und hätten sich vielleicht lieber versteckt, sich möglichst unauffällig, unscheinbar gemacht. Aber das Evangelium sagt ihnen und uns: Das geht nicht. Wer sich für Jesus entschieden hat, der hat Anteil an seinem Licht.

Gott ist Licht, er wohnt im unzugänglichen Licht, lesen wir im ersten Brief an Timotheus . Dieses göttliche Licht schafft Licht. "Es werde Licht" heißt es schon auf der ersten Seite der Bibel und es ward Licht, weil Gottes Wort bewirkt, was es sagt. In Jesus ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, in die Welt gekommen und so ist denen, die im Schattenreich des Todes wohnen, ein Licht aufgegangen. Er ist das Licht. Und nun heißt es bei Matthäus ganz schlicht und unzweifelhaft: "Ihr seid das Licht!" Jesus sagt das zu seinen Jüngern und schafft damit eine neue Schöpfung. So eindrucksvoll, wie es am Beginn heißt: "Es werde Licht!", heißt es nun: "Ihr seid das Licht!" Das ist keine Anmaßung überheblicher Jünger, das ist kein protziges Sich-besser-Fühlen, das ist das schöpferische Wort Jesu für jene, die er gerade als das neue Volk gesammelt und seliggepriesen hat: die Menschen, die um seinetwillen arm sind, die Sehnsüchtigen und die Sanftmütigen, die Friedfertigen und die Lauteren und all jene, die sein Schicksal teilen.

Wo Menschen in dieser Haltung gemeinsam leben, dort ist Licht, dort ist neue Schöpfung, dort kommt das Licht zum Vor-schein, das Gott selbst ist. Dieses Licht ist Leben, Fülle des Lebens. Daher: Freut euch, ihr Christen, freut euch und jubelt – und wenn ihr es nicht schon könnt, dann lernt es endlich, das Tanzen!