Erfüllte Zeit
10. 02. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr
"Berufung zur Heiligkeit" –
Alphons von Liguori
Von großer Bedeutung ist der Entschluss, sich ganz Gott zu
schenken. Viele sind zur Heiligkeit berufen. Angetrieben von der
Gnade, fühlen sie ein sehnsüchtiges Verlangen nach ihr. Weil sie
sich aber zu keinem Entschluss durchringen, leben und sterben sie im
trüben Grau eines lauen und mittelmäßigen Lebens. Die bloße
Sehnsucht nach Vollkommenheit reicht nicht aus, wenn diese nicht in
die klare Entscheidung umgesetzt wird, sie auch erringen zu wollen.
Wie viele Menschen befriedigen sich mit bloßen Wunschgebilden, ohne
einen konkreten Schritt auf Gott hin zu tun. Von diesen heißt es im
Buch der Sprüche: "Den Faulen bringt sein Begehren um"
(21,25). Der Träge erträumt sich zwar das Ziel, ergreift aber
nicht entschlossen die entsprechenden Mittel zur Heiligung. Er
verflüchtigt sich in Ausreden: Oh, wenn ich doch in der Wüste und
nicht in diesem Haus leben müsste; wenn ich in ein anderes Kloster
überwechseln konnte, dann würde ich mich ganz Gott hingeben!
Derweil kann er einen Mitbruder nicht ausstehen, nimmt er kein Wort
der Kritik an, geht er in vielerlei nutzlosen Sorgen auf, gibt er
sich der Gefräßigkeit und der Neugier hin, lässt er dem Stolz
freien Lauf und seufzt dabei: Ja, wenn ich das und jenes hätte,
wenn ich das und jenes könnte, und dergleichen.
Solche Träumereien richten mehr Schaden als Nutzen an.
Mancheiner findet darin seine Befriedigung und fahrt inzwischen
fort, sein gewohntes Leben weiterzuleben. Franz von Sales meint
dazu: "Ich bin nicht damit einverstanden, wenn jemand, der in
bestimmten Bindungen steht, sich eine andere Lebensform ersehnt,
sollte diese seinen augenblicklichen Verpflichtungen widersprechen.
Oder wenn jemand nach Aufgaben verlangt, die mit seiner
gegenwärtigen Situation unvereinbar sind. Denn all das besetzt das
Herz und lässt es in den notwendigen geistlichen Verpflichtungen
erlahmen."
Es gilt also, sowohl die Heiligkeit zu ersehnen wie auch die
entsprechenden Schritte dahin entschlossen zu setzen. Die hl. Teresa
schreibt: "Von uns will Gott nur eine feste Entscheidung. Dann
ist alles andere von ihm her zu erwarten. Unentschlossene Menschen
haben eine offene Flanke für den Teufel." Dabei ist auch das
innerliche Gebet hilfreich, denn es lässt uns die geeigneten Mittel
auf dem Weg zur Heiligkeit ergreifen. Manche beten unheimlich viel,
ohne dass daraus aber ein Entschluss entspringt. Dazu wieder Teresa:
"Lieber eine kurze Betrachtung, die große Wirkungen zeitigt,
als jahrelanges Beten, bei dem der Mensch nie zu einem Entschluss
kommt, etwas Wesentliches vor Gott zu tun." An anderer Stelle
sagt sie: "Nach meiner Erfahrung braucht einer, der sich am
Anfang zu einer festen Entscheidung durchringt, mag der Gegenstand
auch noch so schwierig sein, keine Furcht zu haben, wenn er diese
Entscheidung nur trifft, um Gott zu gefallen."
Der erste Entschluss muss sein, alle Kraft daranzusetzen und
lieber zu sterben als vorsätzlich eine auch noch so geringe Sünde
zu begehen. Gewiss, es reichen alle unsere Anstrengungen ohne die
göttliche Hilfe nicht aus, um den Versuchungen zu widerstehen. Gott
will aber, dass wir oft diese gewaltigen Anstrengungen übernehmen.
Dann greift er uns mit seiner Gnade unter die Arme und steht uns in
der Schwäche bei, so dass wir den Sieg erringen...
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