"Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du
gebären."
Wovon im ersten Kapitel des Lukas-Evangeliums erzählt wird, das
kommt jeden Tag auf der ganzen Welt unzählige Male vor: Eine Frau
erfährt, dass sie ein Kind bekommen wird.
Das Besondere an dieser Erzählung: Kein irdischer Mann ist
beteiligt an der Zeugung dieses Kindes, von dem Maria erfährt, dass
es ihr Leben in den nächsten Jahren bestimmen wird.
Was aus dem Text nicht direkt hervorgeht, aber hier nicht
verschwiegen werden soll: Maria hat mit ihrer Entscheidung ihre
Zukunft riskiert. Denn für unverheiratete Frauen bedeutete
schwanger werden damals, gesellschaftlich geächtet, wenn nicht
sogar gesteinigt zu werden. Maria legt also einen besonderen Mut an
den Tag.
Theologen waren und sind damit beschäftigt, zu betonen, dass im
Zentrum dieser Geschichte eigentlich nicht Maria, sondern Jesus
Christus und sein Sohn-Gottes-Sein steht. Und sie diskutieren
darüber, wie dieses Sohn-Gottes-Sein zu verstehen ist. Zweifellos
theologisch bedeutsame Fragen. Ich finde es trotzdem schade, dass
die Alltagserfahrung in diesem Text darüber ganz aus dem Blick
gerät: Eine Frau erfährt, dass sie Mutter wird.
Mutterschaft und ihre Auswirkungen sind ein Thema, das benahe
alle Frauen in der einen oder anderen Form beschäftigt. Egal, ob
sich eine Frau für oder gegen Kinder entscheidet, die Frage steht
im Raum. Für viele Frauen stellt sie ein Dilemma dar, für das sich
keine befriedigende Lösung findet. Denn: anscheinend kann man es in
dieser Frage nicht richtig machen.
Frauen, die die vorgegebene, weibliche Rolle als Mutter nicht
erfüllen, werden darauf angesprochen und müssen sich
rechtfertigen. Ihnen gegenüber herrscht das Vorurteil, sie seien
keine richtigen Frauen, weil sie keinen Kinderwunsch verspüren.
Frauen, die sich für’s Kinderkriegen entscheiden, ernsten aber
ebenfalls schiefe Blicke: Wenn sie sich für Familie und beruf
entscheiden, müssen sie mit der kräfteraubenden Doppelbelastung
zurande kommen. Und zusätzlich bekommen sie durchaus zu hören,
dass sie sich als arbeitende Mütter nicht genug um ihre Kinder
kümmern.
Wenn Frauen sich aber auf die Erziehung konzentrieren und zu
Hause bleiben, wird das auch nicht unbedingt mit Anerkennung
belohnt. Sie sind dann eben "nur" Hausfrauen und sonst
nichts.
Diese paradoxe Situation, dass es anscheinend keinen richtigen
Weg gibt, hängt mit den gängigen Vorstellungen von Wirtschaft
zusammen: Was zählt, ist die Produktion, das zur Verfügung stellen
von Gütern und Dienstleistungen. Diese Produkte können gegen Geld
getauscht werden. Sie sind Quellen von Reichtum. Was zählt, ist
also die Geldwirtschaft.
Die Produktion von Leben und die damit verbundene
Versorgungsarbeit werden in diesem Denken ausgeblendet und als
Re-produktion abgewertet.
Lohn- und Erwerbsarbeit werden in diesem gängigen
Ökonomiedenken als Grundlage des menschlichen Lebens definiert. Sie
werden ins Zentrum des Arbeitsbegriffs und der
Geldverteilungsordnung gestellt. Damit gerät die Notwendigkeit,
Leben zu bewahren, aus dem Blick.
Theologinnen und Ethikerinnen haben betont, dass dieses Dilemma
nicht allein durch die Bezahlung von Haus- und Kinderarbeit gelöst
werden kann. Was Not tut, ist ein neues Verständnis von Ökonomie.
Eine Sichtweise, die die Sorge um das Leben ins Zentrum stellt. Was
Not tut ist ein Denken, dass das mütterliche Tun neu wert schätzt
und zum macht.
Und das führt uns - aus der Perspektive der Frauen betrachtet -
wieder zurück zum Besonderen an der Geschichte, die im ersten
Kapitel des Lukas-Evangeliums erzählt wird: Die Geschichte stellt
das mütterliche Tun ins Zentrum. Für die Menschwerdung Gottes
braucht es eine Frau aus Fleisch und Blut.