Erfüllte Zeit

26. 12. 2001, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

"Aufforderung zu furchtlosem Bekenntnis" (Matthäus 10, 17 – 22)

kommentiert von Bischof Paul Iby

 

Am Festtag des hl. Stephanus, der zum Zeugnis für Jesus gesteinigt wird, hören wir die Perikope nach Matthaus über die Voraussage Jesu an seine Jünger, dass sie Verfolgung erleiden werden.

 

Es ist wie eine Schocktherapie, dass wir am zweiten Weihnachtstag das Fest des ersten Märtyrers feiern, der sein Leben zum Zeugnis für seinen Glauben hingibt. In zwei Tagen feiern wir aber auch das Fest der unschuldigen Kinder, ebenso eine Erinnerung an grausame Taten.

 

Es ist interessant, dass nicht nur Matthaus, sondern auch Lukas dem ältesten Evangelium nach Markus im Bericht über die Voraussage Jesu folgt. Jesus warnt seine Jünger, sie sollen sich vor den Menschen in acht nehmen. Ihre Anklagen werden sie nicht nur vor jüdische Gerichte bringen, wo sie mit der Auspeitschung bestraft werden, sondern auch vor römische Statthalter und Vasallenkönige. Vor ihnen, ja sogar vor Heiden, sollen sie Zeugnis geben für ihren Glauben an die Botschaft Jesu.

 

Der Diakon Stephanus streitet mit jüdischen Gesetzeslehrern und gläubigen Juden. Sie steinigen ihn ohne viel Anklage oder Urteil.

In den Worten des Stephanus – in der Apostelgeschichte heißt es, dass er vom Hl. Geist erfüllt war - verwirklicht sich bereits die Weissagung Jesu: "Macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt. Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden." (Mt 10, 19f)

 

Es ist verständlich, dass die Juden und die Heiden die Anhänger der neuen Lehre, die Jesus verkündet hat bekämpfen und verfolgen. Aber Jesus kündigt auch an, dass die Verwandten, ja sogar Eltern und Kinder, Ankläger werden und sieh gegeneinander auflehnen. Dieser Gedanke nimmt eine Prophetie aus dem Alten Testament vom Propheten Micha auf, der im 7. Kapitel schreibt: "Traut eurem Nachbarn nicht, verlasst euch nicht auf den Freund! Hüte deinen Mund vor der Frau in deinen Armen! Denn der Sohn verachtet den Vater, die Tochter stellt sich gegen die Mutter, die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter, jeder hat die eigenen Hausgenossen zum Feind." (Mi 7,5f)

 

Das Aufgreifen oder Andeuten von Texten aus dem Alten Testament ist eine Vorliebe des Evangelisten Matthäus, der für seine judenchristliche Gemeinde das Evangelium verfasst.

 

Wenn wir im Kommentar des Textes fortfahren, müssen wir feststellen, dass Jesus seinen Jüngern zunächst nicht Glück und Erfolg verheißt. Er sagt ihnen voraus, dass sie um seines Namens willen von allen gehasst werden. Das ist Jüngerschicksal. Er verheißt ihnen aber Rettung, wenn sie bis zum Ende standhaft bleiben. Rettung ist letztlich nicht die Bewahrung vor dem leiblichen Tod, sondern die Feststellung der Treue vor dem endgültigen Gericht.