Erfüllte Zeit

30. 12. 2001, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

"Die Flucht nach Ägypten und Rückkehr aus Ägypten"
(Matthäus 2, 13 – 15 und 19 – 23)

kommentiert von Hans Peter Premur

 

Die Kindheit Jesu war in den ersten Jahren eine sehr bewegte. Mitten in den politischen Wirren, des damaligen Israels, mitten in eine sich neu formierende Gesellschaft, in der das römische Kaiserreich den Ton angab, wurde Christus in die Ungeborgenheit dieser Welt hineingeboren. In einem kalten Stall, mitten unter rauen Gesellen - die Hirten von damals - und gleich nach seiner Geburt musste er fliehen ins ferne Ägypten. - Ungemütlich für den Mensch gewordenen Gott selber - und für alle Beteiligten auch - für die ganze Familie!

Wenn man früher von Familie sprach, meinte man damit eine ganze Menge von Menschen - aber genau betrachtet war diese Familie ja gar nicht besonders groß. Das Neue Testament stellt uns Jesus als Einzelkind vor.

 

Mich hat das immer schon verwundert, dass das christliche Ehe- und Familien Idyll - bei dem in der Realität normalerweise das Bild einer großen Familie durch die Jahrhunderte gültig war - in der kleinen Familie ein Kontrastbild findet. Ein Einzelkind war etwas Ungewöhnliches damals! - Heute ist dies schon eher verständlich. Und ich frage mich, was mag manch ein Vater eine Mutter sich gedacht haben, wenn sie vor 100 oder 300 Jahren jedes Jahr zu Weihnachten mit ihrer großen Familie in den Kirchen Gottesdienste feierten, und den Archetyp das Urbild, der non-plus-ultra Familie aus 3 Personen bestanden hätte. Noch dazu gab es gleich nach der Geburt Morddrohungen - sodass diese drei bald einmal auf der Flucht waren. Gesund und harmonisch war da nicht viel - und dennoch gilt das Bild der "Hl. Familie" als Vorbild für so viele Familien - die aber selber ganz anders ausschauten.

 

Was ist dann das Heile und Heilige an Jesus, Maria und Josef? Was kann trotz massiv problematischer Umstände als Vorbild für alle Familien gelten?

 

Für unsere westliche Welt ist eine Familie mit einem einzigen Kind nichts seltenes mehr. Manchmal ist der Ehemann auch nicht der leibliche Vater - und schwierige Startbedingungen für Kinder und Lebensbeziehungen sind heute oft normal. Deshalb sind wir heute fast besser in der Lage uns die Situation der Familie Jesu vorzustellen oder mitzuempfinden.

 

Familie, das Wort selbst bedeutet "Vertraute", das was mir Geborgenheit und Halt in der Welt gibt. Das was mich ins Leben hinein begleitet. "Familiär" ist das, wo ich mich nicht fremd fühle.

 

Heinrich Spaemann, der heuer im Frühjahr mit über 90 Jahren verstorben ist, und der als Mensch, Priester und selber Vater viele spirituell suchende Menschen geprägt hat, sagte einmal als er über die Kindheit Jesu nachdachte: "Ich denke mir, dass es keine leichte Kindheit war, denn Gott hat es in dieser Welt schwer leicht angenommen zu werden - von Anfang an. Das spätere Leiden Jesu ist eigentlich schon in den ersten Tagen seines Erdenlebens voll da!"

 

Gott braucht daher Vertraute in dieser Welt, er benötigt Menschen, die seinen Weg in dieser Welt mitgehen. In seinem Ziehvater Josef findet er so einen Mann. Trotz und gegen aller Vernunft und auch wohl gegen allen Zweifel steht dieser Mann zu seiner Verlobten Maria, die ein Kind, das nicht von ihm war, empfing.

 

Seine Überzeugung, dass dieses Kind etwas besonderes war, dass Gott mit ihm etwas großes vorhat war fest. Auch er wird uns als ein besonderer Mann geschildert. Er hat etwas, das den Männern normalerweise nicht so leicht gelingt. Er ist ein positiver Träumer!

Nicht dass er sich nur an seine Träume erinnern kann - etwas das nicht selbstverständlich ist - sondern er hört die tieferen Botschaften seiner Träume, er ist offen und sensibel auf die andere Seite hin, auf die übernatürliche göttliche Seite. Und nicht nur, dass er Träume/visionen hat - er handelt im Wachzustand im Alltag danach. Er hört und setzt um.

 

Das ist das besondere und faszinierende an diesem Mann. Er scheint kein Macho zu sein, der nur die harte Realität kennt und auf seine Vorteile schaut. Er ist ein anderer Typus von Mann - eben einer der in den Tiefen seiner Seele zu Hause ist, der sich selbst genau kennt und der eine Spiritualität praktiziert, die ihn durch das Leben führt und leitet.

 

Einen spirituellen, weichen Mann als Vater, wenn auch nur als Ziehvater zu haben, ist etwas besonderes. Einen der sich nicht in den Vordergrund drängt, der sich zur Verfügung stellt für den Weg Gottes, einer der an seinem eigenen Leben nicht egoistisch hängt, sondern der sich selbst hergibt für ein großes Unternehmen an das er glaubt - das er in seinen Träumen sieht - trotz aller schwierigen Realität. - Damit ist er seiner Frau Maria ganz ähnlich.

 

Das Leben sucht sich immer wieder Väter und Mütter, die an den Weg des Lebens glauben. Die bereit sind Familie/Vertraute für ein Kind zu werden. Und in jedem Kind bahnt sich auch ein Weg Gottes mit an. Was hat Gott mit diesem Kind vor? - Welchen Weg möchte Gott mit mir als Vater, als Mutter, als Bruder oder Schwester von Menschenkindern einschlagen.

 

Und eines stellen wir im Leben Jesu noch fest: Er bricht die biologischen Grenzen der Familie auf und stellt einen größeren Zusammenhang her: Vertraute, Familie, Geschwister sind alle, die auf das Wort Gottes hören und danach handeln.

 

Wenn also Jesus auch nur ein Einzelkind war - ist er dennoch geborgen in einer großen Familie in die wir alle hineingehören - als Geschwisterliche Christen.

 

Leben wir danach!