Erfüllte Zeit

13. 01. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

Über Benedikt und Scholastika - von Papst Gregor d. Große

 

 

Scholastika hatte wie gewöhnlich mit Psalmengesang und heiligen Gesprächen den Tag mit ihrem Bruder zugebracht. Sie genossen zusammen das einfache Abendessen. Nun war es der Heiligen recht bang ums Herz; sie hatte eine Ahnung, als sähe sie den Bruder in diesem Leben das letzte Mal. Sie fürchtete sich vor der Stunde der Trennung und bat ihn deshalb, er möge seine Abreise auf den kommenden Morgen verschieben und die Nacht mit ihr durchwachen und weiter reden. Befremdet über eine solche ungewöhnliche Bitte der Schwester wehrte der Heilige ab: "Aber Schwester, wie kannst du nur so etwas verlangen? Denke doch an unsere Ordensregel. Es ist ganz unmöglich, die Nacht außerhalb des Klosters zuzubringen!"

 

Tief betrübt über die Weigerung ihres Bruders legte Scholastika ihren Kopf in die gefalteten Hände auf den Tisch und fing bitterlich an zu weinen und flehte zu Gott, dass er sich ihrer erbarmen und den Bruder zurückhalten möge. Es war ein schöner Abend, der Himmel war heiter und wolkenlos; Kaum aber hatte Scholastika ihr Gebet geendet, als der Himmel sich plötzlich verfinsterte und unter Donner und Blitz ein heftiger Platzregen herabstürzte, wodurch es dem Bruder unmöglich wurde, das Haus zu verlassen. Wohl oder übel musste Sankt Benedikt bleiben. "Möge dir Gott verzeihen, was du getan!" sprach er klagend. Sie aber entgegnete: "Ich habe von dir etwas begehrt, du aber hast es mir abgeschlagen. Da habe ich zum Herrn meine Zuflucht genommen, und er hat mich erhört." Benedikt, erstaunt über die Macht des Gebets seiner frommen Schwester, blieb nun bei ihr. Die ganze Nacht brachten sie wachend zu und redeten von der Glückseligkeit im Himmel.