Erfüllte Zeit

17. 02. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

"Die Versuchung Jesu" (Matthäus 4, 1 - 11)

kommentiert von Rektor Wolfgang Schwarz

 

Wie das Tote Meer liegt auch die Jordanmündung einige hundert Meter unter dem Meeresspiegel. Aus besonderen klimatischen Gründen sind die Berghänge im Osten dieser Gegend bewachsen und fruchtbar, jene im Westen hingegen sind der Beginn der judäischen Wüste. Durch diese Wüste führte schon damals der Weg hinauf nach Jerusalem.

Und im Verlauf der Geschichte führt der Versucher Jesus wirklich immer höher und höher hinauf: Er nimmt ihn zuerst von den Höhen der Wüste hinauf in die Heilige Stadt Jerusalem, und dann auf einen sehr hohen Berg. Gleichzeitig steigert der Teufel die Herausforderungen seiner Versuchungen:

Er sagt zu allererst: "Befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird". Welcher Mensch hätte nicht gerne die Fähigkeit, aus Steinen Brot werden zu lassen, wenn er sich dadurch die Mühen um’s tägliche Brot ersparen würde?

Weiter schlägt der Versucher Jesus vor: "Stürz dich hinab". Und er zitiert dazu spöttisch aus einem Psalm der Bibel Jesu: "Seinen Engeln befiehlt Gott, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt". Hinter diesem Ansinnen des Teufels verbirgt sich eine doppelte Herausforderung: Jene an einen gläubigen Menschen wie Jesus, sein Gottvertrauen auf die Probe zu stellen: "Spring nur, dein Gott hat doch versprochen, dir zu helfen. Also kann dir nichts passieren". Andererseits steckt in jedem Menschen der Wunsch, dass die täglichen Bedrohungen von Leib und Leben für ihn nicht gelten mögen und er sich ohne Gefahr ins Leben stürzen kann.

Zuletzt werden Jesus von einem sehr hohen Berg aus alle Königreiche der Welt und ihre Pracht gezeigt und der Teufel verspricht ihm dazu: "Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest". An dieser Stelle wird an der tiefen Sehnsucht des Menschen gerührt, Macht über alles in der Welt zu haben.

40 Tage und 40 Nächte hat Jesus in der Wüste gefastet, sodass er zuletzt Hunger hatte. Jesus gibt jedoch in seiner körperlichen Schwäche den Versuchungen nicht nach. Auch in seinem geschwächten Zustand bleibt er seiner Lebensorientierung treu, die er als gläubiger Jude aus seinen heiligen Schriften kennt. Jedem teuflischen Ansinnen begegnet er mit Gegenargumenten aus dem Gesetzbuch, das Mose seinerzeit seinem Volk Israel vom hohen Berg Horeb in die Wüste hinuntergebracht hatte. Es ist das Buch seines Lebens. Es ist Gottes Wort. Das stellt Jesus gleich zu Beginn klar, wenn er zitiert: "Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt". Und Jesus entkräftet den Vorschlag des Teufels, sich vom Rand des Heiligtums hinunter zu stürzen, da ihm Gott doch sowieso seine Engel schicken wird, die ihn auf Händen tragen werden. Mit einem der Grundsätze der Beziehung zwischen Gott und Mensch entgegnet er: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen". Das jüdische Gesetzbuch, aus dem Jesus seine Argumente gegen den Teufel bezieht, hilft Jesus auch, sich gegen das teuflische Angebot zu wehren, ihm alle Macht über die Welt zu geben, wenn er statt Gott ihn verehrt. Doch dort ist zu lesen: "Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen".

Die Versuchungsgeschichte Jesu lehrt, dass alle teuflischen Versuche, das Leben mit "Teufels Hilfe" statt mit "Gottes Hilfe" einfacher zu machen, durch Gottes Wort als vordergründig und kurzsichtig entlarvt werden. Genauso ist die Botschaft von der Versuchung Jesu die, dass der Gott Jesu, auf den er fest vertraut, kein Gott ist, der die Menschen versucht und auf die Probe stellt. Ganz im Gegenteil: Jesus stellt uns im Laufe des Mt-Evangeliums Gott als Vater vor, den wir um all das bitten können, was uns vordergründig vom "Billiganbieter Teufel" zum Kauf angeboten wird. Wir müssen nur langsam das "Vater unser"-Gebet Jesu buchstabieren, mit dem wir unter anderem bitten: Gottes Reich möge kommen und nicht das des Teufels, Gottes Wille möge geschehen und nicht der des Teufels, Gott gebe uns unser tägliches Brot und wir erwarten von Gott nicht, dass er uns in Versuchungen hineinführt, sondern dass er uns vom Bösen rettet.