Erfüllte Zeit

24. 03. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

"Einzug in Jerusalem" (Matthäus 21, 1 – 11)

kommentiert von P. Arno Jungreithmayr

 

 

Der Palmsonntag ist der festlichste der Fastenzeit. So reich an Inhalten, dass ich mich hier im Kommentar auf den Einzug in Jerusalem beschranke.

 

Auffällig ist, dass dieser Jesus, der zeitlebens alles äußere Getue abgelehnt hat, selbst die Initiative ergreift und seinen eigenen Einzug in die Hauptstadt arrangiert. Es ist offenbar eine wichtige Demonstration vor der Öffentlichkeit, wer und wie der Messias ist. Mit der detaillierten Schilderung vom Auflegen der Kleider auf das Tier erinnert Matthäus an den Krönungszug des Königs Salomo. Das Ausbreiten der Kleider auf dem Weg deutet eine Triumphstraße an.

 

Es beginnt die letzte Woche seines irdischen Lebens, es wird eine Predigt sein, mehr durch Zeichen als durch Worte. Die Zeichen werden sein: der Ritt auf dem Esel, die Geißel im Tempel, die Fußwaschung, das Abendmahl, das Kreuztragen. Beachten wir heute im besonderen die Zeichen des Palmsonntags: das Reittier und die Palmzweige:

In Jesu Umgebung finden sich Tiere, die sehr untypisch sind für königliche oder göttliche Ansprüche. Heidnische Gottheiten wurden in der Antike generell fast nur in Raubtiergestalt dargestellt: Tiger, Panther, Geier, Schakal.

 

Was hat es mit dem ESEL auf sich? Während bei uns der Esel als störrisches Tier gilt, hat er im Orient einen guten Ruf: so war es damals üblich, dass Könige oder Fürsten zum Zeichen ihrer friedlichen Absicht auf einem sanftmütigen Esel zu Besuch kamen. Kam ein König auf einem Pferd, konnte das Krieg und Vernichtung bedeuten. - Die Feier des Palmsonntags war demnach eine Demonstration: Gott will Gewaltlosigkeit, Einfachheit. Es war die zeichenhafte Wiederholung der Bergpredigt: selig die Armen, die Friedensstifter, die Sanftmütigen.

 

So gesehen kann Jesu Ritt auf dem Esel zur "Eselsbrücke" für uns werden, die uns hilft, seine Botschaft von Liebe und Frieden nicht zu vergessen.

Der bekannte, vor einigen Jahren verstorbene Erzbischof von Recife in Brasilien, D. Helder Camara, hat einmal, als er einen überfüllten Saal betrat, wo er eine Rede halten sollte, gebetet: Gott, LASS MICH DEIN ESEL SEIN! Christ sein meint Sein Träger Sein, etwas von seinem Evangelium weiter -und vorwärtstragen.

 

Die Palmzweige:

Bereits im frühen Altertum galten Palmen als heilige Baume. Sie waren Sinnbilder des Wachstums und des Segens und wurden noch zur Zeit der Griechen und Römer als Sieges- und Huldigungszeichen verwendet. Bereits 400 n. Chr. gab es Palmprozessionen in Jerusalem. Die Palmzweige sind also seit der Urkirche Symbole des Sieges Christi über den Tod.

 

Bei uns sind die immergrünen Zweige die ersten Frühlingsboten und weisen schon auf Ostern hin. Sie werden - insbesondere im ländlichen Raum - als Zeichen des Segens verstanden und bekommen einen Platz in Wohnung, Stall und Feld. Palmkatzchen sind weich und kuschelig wie ein Katzenfell.

 

Wir können sie deuten als das, was wir an einem Menschen am Sympathischen finden.

 

Nicht selten kommt es vor, dass eine als liebenswert empfundene Person etwas unerwartetes tut oder sagt, und plötzlich kippt die Stimmung: mit einem Mal wird das Gute nicht mehr gesehen, der Palmzweig wird zur Rute. Dieser Emotionsumschwung wird auch am heutigen Tag thematisiert, wenn die Passion vorgetragen wird.

 

Während des fröhlichen Empfangs mit Akklamationen, Kleiderteppich und Palmzweigen melden sich auch kritische Beobachter zu Wort und fragen: WER IST DAS? Die junge Kirche hat Zeit gebraucht, um diese Frage klar zu beantworten. Es hat viel Nachdenken, Austausch und Konzilien gebraucht, um einstimmig formulieren zu können: Er ist wahrer Gott und wahrer Mensch; eines Wesens mit dem Vater; Gott von Gott, Licht vom Licht; er sitzt zur Rechten, er ist gleichsam die Rechte Hand des Vaters.

 

Es ist die entscheidende Frage, die das Evangelium dem Leser und Hörer zuruft: Wer ist dieser Jesus für dich?

 

Bei Paulus finden wir in der heutigen Lesung aus dem Philipperhymnus die schöne, bekenntnishafte Antwort: Er ist der KYRIOS, der Weltenherr. Die Folge davon ist: Alle Kreatur beugt vor ihm die Knie, und zwar alle Irdischen, die Himmlischen und die Bewohner der Unterwelt, also die Verstorbenen. Ein sehr trostvoller Ausblick: ALLE Wesen, die es je gegeben hat und geben wird auch alle dunklen Mächte werden ausnahmslos diesen Christus anbeten; ein Palmsonntagsjubel, auf den gesamten Kosmos und auf die Ewigkeit ausgeweitet!