Erfüllte Zeit

01. 04. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

"Die Erscheinung vor den Frauen und der Betrug der Hohenpriester"

(Matthäus 28, 8 – 15)

kommentiert von P. Arno Jungreithmayr

 

 

"In Galiläa werden sie mich sehen!" Wie schon gestern am Ostersonntag wird heute noch einmal bestätigt, dass Galiläa, d.h. unser Alltag der Ort ist, wo der auferweckte Christus anzutreffen ist. Ostern hat die Wende gebracht. Jesus war jetzt in einer anderen, intensiveren Weise unter den Jüngern. Und so beendet Matthäus mit diesem Bericht und dem noch folgenden Sendungsauftrag sein Evangelium. Gemeint ist wohl: was dann kommt, kann nicht mehr im einzelnen aufgeschrieben werden, denn es ist die individuelle Lebensgeschichte jedes einzelnen Christen mit seinem göttlichen Begleiter.

 

Eine Begebenheit dazu aus unserer Zeit, aus dem ländlichen Brauchtum:

In Biberg im bayrischen Wald gab's den Brauch, in der Osternacht eine lebensgroße Figur des Auferstandenen unter Pauken und Trompetenklängen beim Hochaltar emporzuziehen und auf einem Podest abzustellen als Zeichen: der Herr lebt mit uns! Das besorgten die Ministranten; auf die konnte man sich allerdings nicht immer verlassen: vermutlich aus Übermut (oder auch österlicher Euphorie) geschah es einmal, dass sie den Auferstandenen immer höher und höher zogen; einer der Umstehenden sah das, sprang hinzu, erwischte die Statue noch beim Fuß und zog sie wieder herunter. Sein Kommentar: da hätten’s mir den Heiland glatt ‘naufzogn in'n Himmel. Aber wir brauchn den Herrgott da auf da Erd!

 

Ja, unser Galiläa, den Ort der Arbeit und der Geschäfte, hat er als Treffpunkt bekanntgegeben. In unseren gewöhnlichen und oft mühevollen Tagesablaufen hat er sich als Gefährte und Berater angesagt.

 

Zurück zur Szene: die Frauen waren fast Zeugen des größten biblischen Geschehens, obwohl das Unfassbare nicht mit den Augen geschaut werden kann, sonst hätten wohl die Wächter nicht für ein bisschen Geld dieses gigantische Erlebnis geleugnet. Wahrscheinlich ist das nicht beschriebene Herauskommen Jesu aus dem Grab während der Ohnmacht der Wächter zu denken. Grotesk erscheint, dass die Männer, die den Toten im Grab gefangen halten sollten, selbst vor dem Lebendigen wie tot zu Boden fallen. Ostern stellt alles menschliche Berechnen auf den Kopf.

 

Im heutigen Osterbericht stehen sich zwei große Gegensätze gegenüber: dem, der von sich behauptete "Ich bin die Wahrheit stellt sich Lug und Betrug entgegen. Mit Geld werden die Wächter bestochen; sie sollen aussagen, sie hätten geschlafen, während der Leichnam gestohlen wurde. Man kann hier den Vergleich gebrauchen, den Altbischof Reinhold Stecher für den Auferstandenen verwendet hat: Christus, das große Plus, gibt mit seinem Ostersieg aller Kreatur ein positives Vorzeichen. Die Wachen fallen wie tot um. Das falsche Gerücht vom Leichendiebstahl kann sich auf Dauer nicht halten, der österliche Triumph zieht seine Kreise.

 

Und darum gilt, dass alles, was sich innerhalb der Klammer unseres Daseins befindet (Vergangenheit u. Zukunft, Verdienste und Schuld, Einsichten und Irrwege) vom großen österlichen Plus bestimmt wird.

 

Das Leben bekommt eine alles umfassende positive Note, weil Christi Auferstehung allem Geschehen ein strahlendes Kreuz als Stempel aufdrückt.

 

Die Hohenpriester mussten das Auferstehungsgerücht mit allen noch so verwerflichen Mitteln zum Verstummen bringen, sonst würde ihr ganzes Machtgebäude einstürzen. Auferstehung leugnen kann einfacher sein als sein Gedankengebäude neu zu bauen.

 

Bert Brecht schreibt in seinem Buch "Lasst euch nicht verführen" die Verse: "Lasst euch nicht verführen, es gibt keine Wiederkehr; ihr könnt schon Nachtwind spüren, es kommt kein Morgen mehr; ihr sterbt mit allen Tieren, und es kommt nichts nachher!" Das Leugnen einer Wahrheit auf muss auf längere Frist gesehen scheitern. Wer von den Zeugen ist glaubwürdiger: die Frauen, die voll Furcht und großer Freude zu den anderen Jüngern eilen oder die Wächter, die mit dem Bestechungsgeld ein Gerücht in Umlauf setzen? Freilich, die Frauen hatten in biblischer Zeit kein Recht als Zeugen auszusagen; jedoch ihre Begeisterung und ihre Echtheit haben ihre Wirkung gehabt.

 

Unser Osterglaube baut demnach auf dem Zeugnis unzähliger begeisterter Menschen auf, die Christuserfahrungen gemacht haben, und deren Augen strahlend wurden vom Osterlicht!