Erfüllte Zeit

01. 04. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

Ostern als Fest der Schande - Ein Text von Erich Przywara

 

 

Gewiss, von Anfang an will die Christenheit, will die Kirche das Osterfest immer wieder feiern als das prunkende Fest ihrer Feste, will sie es feiern als das Fest der Erinnerung, aber die Geschichte der Christenheit und die Geschichte der Welt zeigen nur den unaufhaltsamen Zusammenbruch. Bis dann schließlich nichts weiter übrig bleibt als der Bestienstall von sich zerreißenden und zerfleischenden Völkern. Und darum ist und bleibt zuletzt als eigentliche Wirklichkeit das, was aus der Liturgie des heutigen Osterfestes spricht: wie Christus zur Sünde geworden ist, wie Christus zum Fluch geworden ist, wie Christus, wenn wir es in heutigen, theologisch genauen Ausdrücken bezeichnen, gestorben ist unter der großen Exkommunikation der Synagoge, der rechtmäßigen Hohenpriester, der Vertreter Gottes auf Erden, und darum hinausgeworfen worden ist aus den Toren und außerhalb der Tore gelitten hat. So geschieht auch die Auferstehung Jesu Christi am heutigen Tage, sie geschieht außerhalb der Tore. Das Grabmal des Nikodemus und alle Grabmäler waren für alle Völker immer die Orte des Schreckens, die Orte des Grauens, sie wurden außerhalb der Stadt angelegt, nicht in der heiligen Stadt. Es geschieht keine Auferstehung im Tempel, keine Auferstehung im Allerheiligsten, es bleibt der Vorhang des Tempels zerrissen. Und die Antwort der Stellvertreter Gottes auf Erden auf die mögliche Auferstehung des Herrn besteht allein darin, dass sie den Stein versiegeln lassen und Wachter aufstellen, damit sie die Auferstehung des Herrn möglichst verhindern sollen. Das allein ist ihre Antwort. Und die Antwort der ersten Bischöfe, der ersten Priester, der fundamenta Apostolarum besteht darin, dass sie sich hinter verschlossenen Türen aus Furcht vor den Juden verbergen und nichts mehr erwarten, so wie die Emmaus-Jünger sagen: "Wir haben von Ihm Vieles erwartet, aber es ist nun der dritte Tag, und wir sind nun von Ihm enttäuscht worden" .In dieser Wirklichkeit geschieht die wirkliche Auferstehung Jesu Christi. Das ist das Osterfest. Nicht das verschönte, das verbrämte, das vergoldete Osterfest, sondern dieses Osterfest der Schande des Alten und des Neuen Bundes.

So können wir das Osterfest feiern mit der Einzigen, die am ersten Osterfest durch ihre Blindheit hindurch doch zur Braut Jesu Christi und doch zur eigentlichen Apostolin der Auferstehung geworden ist, wie die alte Kirche als wundervollen Ausdruck für Maria Magdalena geprägt hat, dass sie die Apostola Apostolorum ist, die Apostolin der Apostel gegen all ihren Widerstand. Das ist das Osterfest, das wir heute feiern können:

Wir können es nur still feiern; wir brauchen uns nicht zu schämen, dass wir kein jubelndes Osterfest feiern können, aber wir können es mit demjenigen feiern, der auch nicht mehr in wirklicher Weise seinen Fuß über die Erde gesetzt hat, sondern der in der Auferstehung derjenige geworden ist, der nur erschienen und wieder gegangen ist.