Erfüllte Zeit

07. 04. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

"Das Unendliche und die Kunst" -
Ein Text von Andreij Tarkowskij

 

 

Die Idee des Unendlichen kann man nicht mit Worten ausdrücken, nicht einmal beschreiben. Die Kunst jedoch verleiht diese Möglichkeit, sie macht das Unendliche erfahrbar. Das Absolute ist nur durch Glauben und schöpferisches Tun erreichbar. Unerlässliche Bedingungen für den Kampf des Künstlers um eine eigene Kunst sind der Glaube an sich selbst, die Bereitschaft zu dienen und die Kompromisslosigkeit.

 

Ich vermag lediglich zu sagen, dass das Bild ins Unendliche strebt und zum Absoluten hinführt. Ja, sogar das, was man die "Idee" eines Bildes nennt, kann in seiner tatsächlichen Vielschichtigkeit und Vieldeutigkeit nicht mit Worten, sondern nur mit Kunst ausgedrückt werden. Wenn ein Gedanke im künstlerischen Bild ausgedrückt wird, so bedeutet das, dass eine Form gefunden ist, die so adäquat wie nur irgend möglich die Idee des Autors, sein Streben nach einem Ideal zum Ausdruck bringt...

 

Selbst bei einem bloß flüchtigen Blick zurück auf das bereits verflossene Leben ist man immer wieder überrascht von der Unverwechselbarkeit der Ereignisse, an denen man Anteil hatte, von der Einmaligkeit der Charaktere, mit denen man in Berührung kam. Die Intonation des Einmalig-Unverwechselbaren dominiert jeden Augenblick der Existenz. Einmalig und unverwechselbar ist auch das Leben selbst, das der Künstler jedes Mal von neuem zu erfassen und zu gestalten sucht. In der immer wieder vergeblichen Hoffnung auf das unerschöpfliche Bild der Wahrheit menschlicher Existenz. Die Schönheit liegt in der Wahrheit des Lebens, wenn diese vom Künstler ein weiteres Mal erfasst und mit aller Aufrichtigkeit gestaltet wird.