Erfüllte Zeit

05. 05. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

„Trostworte an die Jünger“
(Johannes 14, 15-21)

kommentiert von Pater Joop Roeland

 

 

Vor kurzem kam ich an einer Imbissstube vorbei, die sich “Angst und Bang“ nannte. Angst und Bang: ein nicht sehr aufmunternder Name also: ein Lokal wohl für scheue und ängstliche Leute gedacht. Außerdem befand diese Imbissstube sich in der Nähe eines Krankenhauses: dieses Ambiente machte das Lokal noch einmal schwermütiger. Mag sein, dass so mancher Patient auf dem Weg ins Krankenhaus hier noch einmal einen traurigen Kamillentee trinkt.

 

Für viele Menschen ist die Kirche ein ähnlich depressiver Ort, ein Haus Angst und Bang.

 

Das Evangelium, das wir gehört haben scheint ihnen mit dieser Ansicht Recht zu geben. Manches Wort des heutigen Evangeliums entstammt anscheinend direkt dem Lokal Angst und Bang, vor allem jener Satz, wo Jesus gegen “die Welt“ spricht: über den “Geist in der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht kennt.“

 

Etwas weiter in diesem Text sagt Jesus sogar über seine Jünger: “die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von dieser Welt sind...“ (Joh17,14). Sind das Worte der Warnung für Christen gegen eine böse Welt? Sollten Christen sich nicht mit Recht in das Wirtshaus Angst und Bang zurückziehen? Fromme Erziehung war einmal so: in Klosterschulen, Noviziaten, in mancher katholischen Familie wurde gelehrt Angst zu haben vor der Welt, vor den weltlichen Vergnügungen bis zur Lebensangst.

 

Allerdings passen solche neurotischen Lebensentwürfe nicht in die Weite des Johannes-Evangeliums. Hier werden Kranke geheilt, Hochzeiten werden gefeiert, auch eine Ehebrecherin findet Gnade. Leben steht bei Johannes groß geschrieben. Nur wo Menschen sich abschließen, wo sie SICH in Selbstzufriedenheit vor der Frohbotschaft verschließen, dann wird die Welt der Menschen ein finsterer Ort, wo man nicht gut wohnen kann.

 

Die Worte, die Jesus spricht, sind keine Angstworte, sondern eine zärtliche Sprache. Liebe sagt Jesus immer wieder. Und: ich werde euch nicht verlassen zurücklassen. Eine Sprache die umarmt bis zu jenem Wort: Wer mich liebt, ich werde ihn lieben.

 

Nein, das sind keine Angstworte, sondern Worte, die aufspringen wie Knospen nach dem Schnee und DIE wie Blumen zu pflücken sind. Worte, die ausfliegen, wie Tauben nach dem Regen und wie Amseln hinstreichen in grünes Gras.

 

Jesus spricht diese Worte vor seinem Tod. Ein letztes Mal ist er mit seinen Freunden zusammen, aber seine Sprache ist schon eine Pfingstsprache.

 

So ist zu empfehlen, das Wirtshaus Angst und Bang zu verlassen und ein anderes zu suchen. Welches? Die Evangelien nennen drei Wirtshäuser. Zuerst die in Bethlehem, wo die hilflosen Wirte keine Möglichkeit gefunden haben Maria und Josef unterzubringen. “Sperrstunde!“ werden sie wohl gesagt haben und damit war die Sache erledigt.

 

Gastfreundlicher war das Gasthaus in Jericho, wo der hilfsbereite Samariter für jenen Menschen, der unterwegs unter Räuber geraten war, für das Opfer eine helfende Hand fand. Zum barmherzigen Samariter, wird dieses Wirtshaus in Jericho wohl für immer heißen. Barmherziger als das Wirtshaus Angst und Bang ist hier der Ort, wo die Wunden geheilt werden.

 

Und dann gibt es noch ein drittes Wirtshaus: ein namenloses auf dem Weg nach Emmaus. Hier war es, wo in der Abenddämmerung zwei traurige Männer Jesus einluden dort zu bleiben. Und dieses namenlose Wirtshaus: wird man es nennen: das Haus wo die Augen geöffnet werden.

 

Heute, zwischen Ostern und Pfingsten unterwegs, ist es auch für uns Zeit das Wirtshaus Angst und Bang zu verlassen und dort hinzugehen, wo die Augen geöffnet werden.