Erfüllte Zeit

09. 05. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

Himmelfahrtsfreude –
Ein Text von Dietrich Bonhoeffer

 

Himmelfahrtsfreude - man muss sehr still geworden sein, um den Klang dieses Wortes zu hören. Diese Freude lebt von der Stille und von der Unbegreiflichkeit. In der Tat, begreiflich ist diese Freude nicht. Aber das Begreifliche macht keine Freude; es ist das Unbegreifliche und doch Wahre, das Wirkliche und Lebendige, an dem Freude sich entzündet. Darum hat rechte Freude immer etwas Unbegreifliches, sowohl für die anderen als auch für den, der sie empfindet. Himmelfahrtsfreude ist einfach da, wo in der Kirche von Christi Erhöhung über alle Welt und von seiner Wiederkunft geredet wird, wo er selbst seiner freudig wartenden Gemeinde im Sakrament begegnet. Sie ist da, nicht laut, sondern verhalten. Die Welt macht ihr Angst, die Sünde macht ihr Angst, -aber sie ist da als die himmlische Freude der Knechte, die des Nachts wachen und Ausschau halten bei brennenden Kerzen, bis ihr lieber Herr heimkommt. Alle Christusfreude in dieser Welt ist Vorfreude -und wer wird seine Vorfreude laut verraten? Und welche Freude ist stärker als die Vorfreude?

 

Jesus Christus von Gott gekommen und zu Gott gehend - das ist nicht eine neue Welt von Problemen, von Fragen und Antworten, das ist nicht ein neues moralisches Gesetz, das ist nicht eine neue Last zu den Lasten, die der Mensch schon zu tragen hat, das ist eigentlich und vor allem Gottesfreude in der nach Freude hungernden Menschheit. Kirche Christi, du weißt es, sag es laut: Christus, meine Freude.

 

Christi Himmelfahrt steht unter einem doppelten Zeichen. Sie ist der Abschied Jesu von seinen Jüngern, von der Welt, die er liebt. Es war ein langer, schwerer Weg, den sie miteinander gegangen waren. Er hat ihnen viel gesagt, - aber nun ist die Stunde da, wo er sie allein lassen muss. Nun müssen sie gehen, ohne dass sie immer wieder auf ihn sehen. Ein letztes Stück Weges legen sie miteinander zurück - dann ist der letzte Augenblick gekommen. Segnend legt er seine Hand auf sie, und dann ist er ihren Blicken entnommen. Sie sind allein. Der Vorhang ist gefallen. Er ist von der argen Welt zu seinem himmlischen Vater gegangen. Herr, erbarme dich unser!