Erfüllte Zeit

20. 05. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

„Die Ankündigung des Beistandes" (Johannes 15, 26-27; 16, 1-3. 12-15)

kommentiert von Pater Joop Roeland

 

 

Der Evangeliumstext heute, Pfingstmontag, wie ein klarer Tagesanfang nach dem Regen in der Nacht, jetzt ohne Wolken. Von Wahrheit ist hier die Rede, von Entscheidung. Und vom Zeugnis, das wir abzulegen haben.

 

Man könnte es ein wenig erläutern mit einem Vorfall aus der Autobiographie von Elie Wiesel. „Alle Flüsse fließen ins Meer“, heißt dieses berührende Buch. Er beschreibt hier nicht nur seine ergreifenden Erfahrungen als Jugendlicher in den deutschen Konzentrationslagern Buchenwald und Ausschwitz, sondern auch wie es ihm dann weiter im Leben ergangen ist, unter anderem als Journalist.

 

Und erzählt von der großen Aufregung die es wegen der Entführung eines kleinen Jungen, Jossele Schuhmacher, 1962 in Israel gab. Jossele war vom Großvater entführt worden. Er tat das, weil er meinte, dass die Eltern sich zu wenig um die religiöse Erziehung von Jossele kümmerten. Monate später wurde Jossele in New York wiedergefunden. Elie Wiesel war der erste Journalist, der mit Jossele reden durfte. Mit seiner Kippa erinnerte der Knabe den Journalisten an den Jungen, der er selbst einmal war, der jüdische Junge im rumänischen Sighet, voller tiefer gläubiger Überzeugung. Es entwickelte sich ein ganz ungewöhnliches Gespräch zwischen den beiden. Kaum ein Wort über die Entführung, dafür aber über die Parascha, die wöchentliche Bibelpassage und über die Segenssprüche aus dem Talmud. Am Ende des Gespräches fragt Jossele den Journalisten wer er eigentlich sei. Und Elie Wiesel sagt ihm: Rate doch. Dar Knabe rät: ein Botschafter, worauf Wiesel ihn fragt: Wieso Botschafter? Und die Antwort von Jossele lautet: Weil jeder Mensch eine Botschaft in sich trägt.

 

Weil jeder Mensch eine Botschaft in sich trägt! Das ist ein Wort, über das man lange nachdenken kann und uns jetzt zum Wort Jesu: ihr sollt Zeugnis ablegen wieder zurückführt. Eine Botschaft, ein Zeugnis.

 

Das Zeugnis ist die Botschaft. Mitbrüder, die lange in der Mission tätig waren, erzählen die Geschichte der Mission in den letzten hundert Jahren so: Zuerst sind die Prediger mühsam über endlose Strecken herumgezogen, haben die Frohbotschaft verkündet, getauft, christliche Gemeinden gegründet. In einer späteren Phase wurde die karitative Unterstützung immer wichtiger. Schulen und Krankenhäuser wurden gebaut. Mission wurde sehr stark auch Entwicklungshilfe. Die jüngere Generation der Missionare denkt da wieder anders. Ihr Hauptziel ist nicht das „Bekehren“. Sie versuchen einfach das Leben mit den Einheimischen zu teilen. Irgendwann werden sie dann auch gefragt. Das Zeugnis des geteilten Lebens wird zur Botschaft.

 

Jeder Mensch ein Botschafter! Einmal erzählte ich die Geschichte von Jossele und Elie Wiesel bei einer Taufe. Schon ein Kind ist ein kleiner Botschafter. Mit seinem kleinen wehrlosen Leben teilt er mit und fragt. Das Wünschen für einen Neugeborenen kommt einem da leicht, z.B. dass er/sie der Botschaft seines/ihres Lebens treu bleibt und davon Zeugnis gibt, ein ganzes Leben.

 

Das wünsche ich heute nicht nur den Kindern. Ich wünsche es uns allen.