Erfüllte Zeit

07. 07. 2002, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

„Der Dank Jesu an den Vater“
(Matthäus 11, 25 – 30)

Kommentar: Abt Heinrich Ferenczy OSB

 

 

Kommt alle zu mir...

Wir sollen die Wichtigkeit von Gefühlen nicht unterschätzen; sie begleiten uns den ganzen Tag; sie bauen uns auf oder machen uns niedergeschlagen.

 

Das Evangelium dieses 14.Sonntags im Jahr ist ein, „echtes“ Evangelium, eine echte Frohbotschaft im wörtlichen Sinn, die uns stärken und aufbauen kann: "Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig...“ Sind das nicht erfrischende, stärkende und Hoffnung gebende Worte?

 

Wen treffen diese Worte Jesu wirklich, wer fühlt sich durch sie angesprochen und ermuntert? - Es sind interessanter Weise nicht die, Weisen und Klugen', sondern die Unmündigen, die Einfachen und Ungebildeten, Menschen mit Erwartungshaltung, Menschen die nicht dünkelhaft und allzu sehr von sich selbst überzeugt sind, sondern die deutlich spüren, dass sie Jesus brauchen, der ihnen die Fülle des Lebens schenkt.

 

Stellen diese Worte Jesu eine Absage an Wissenschaft und Theologie dar? Darf man sich nicht mehr weiterbilden und sich genauer mit Schrift und Tradition auseinandersetzen?

 

Das kann schon deshalb nicht gemeint sein, weil Jesus selbst als Rabbi in die Grundzüge der Heilgeschichte eingeweiht war. Allerdings sprach er - wie die Evangelien bestätigen - nicht wie ihre Schriftgelehrten und Pharisäer, sondern wie einer, der eine, ‚Vollmacht', einen ‚Auftrag' hat, der mit seinem Vater in engster Verbindung steht und daher auch authentisch sprechen und lehren kann. Jesu Lehre engt nicht ein, erzeugt keine hoffnungslose Angst, sondern seine Wahrheit macht frei und weit.

 

Unheilspropheten, Fundamentalisten, Menschen, die sich gar nicht erlöst fühlen, können nicht authentisch, überzeugend und echt, göttliche Wahrheiten verkünden: sie predigen ihre eigene Angst und Unsicherheit, verkünden vor allem nicht, was Jesus den Hörern näher bringt.

 

Freilich kennen wir aus dem Munde Jesu auch Worte, die uns beunruhigen können und sollen: doch sind diese Worte nie das Letzte, was uns Christus sagen möchte, sie dienen in erster Linie der Ermunterung. Vor Gott sind wir letztlich immer Kinder, Unmündige und Geschöpfe, die die liebevolle Zuwendung des himmlischen Vaters dringend nötig haben; ferner will uns das heutige Evangelium sagen: zu dem wir in erster Linie gehen sollten ist Jesus, weil wir bei ihm zur Ruhe kommen können, weil er uns gegenüber gütig und von Herzen demütig ist.

 

Es ist also nichts Schlechtes und Einseitiges daran, wenn wir uns in der Nähe Jesu, in der Kirche, in der betenden Gemeinde, auch wohl fühlen und uns geborgen wissen, wenn uns der Umgang mit Jesus wirklich gut tut.

 

Gott zu loben, sich ihm zuzuwenden, kann durchaus eine große Freude sein, kann viel Beruhigendes und Klärendes in sich haben. Der Psalm 43 drückt dies sehr deutlich aus: „...Sende dein Licht und deine Wahrheit, damit sie mich leiten; sie sollen mich führen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung. So will ich zum Altar Gottes treten, zu Gott meiner Freude. Jauchzend will ich dich auf der Harfe loben, Gott du mein Gott...“