Erfüllte Zeit

06. 01. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

"Die Huldigung der Sterndeuter"
(Matthäus 2, 1 - 12)

Kommentar: Schwester Maria Andreas Weißbacher

 

 

Aus den Gebeten der orthodoxen Kirche

 

 

Schwester Maria Andreas Weißbacher

Als Mitglied einer Missionsgemeinschaft ist mir das heutige Fest besonders wertvoll. Es ist das ursprüngliche Weihnachtsfest, das Hochfest der orthodoxen Kirchen. Menschen anderer Kulturen begegnen Gott als Mensch in dem Kind Jesus. Der Bündnispartner des Volkes Israel erweitert sozusagen sein Freundschaftsangebot an die anderen, die Fremden, die bisher ausgeschlossen waren. Alle sind eingeladen, alle sind berufen in die beglückende Verwandtschaft mit Gott, in die er uns durch seinen Sohn hineinnimmt.

Menschen, die einem Stern folgen, waren in der antiken Kultur nichts Ungewöhnliches, Menschen, die nicht erstarrt sind in Sattheit und Selbstzufriedenheit, die ihre Sehnsucht nach einer besseren Welt nicht erstickt haben in Konsum und der Hetze nach immer tolleren Erlebnissen. Sie brechen auf, weil sie sich gerufen wissen, mehr Sinn, mehr Inhalt für ihr Leben zu suchen. Und sie treffen andere, ebenfalls Suchende - gemeinsam finden sie trotz vieler Hindernisse den Stern, der weiterzeigt und weiterführt. Ihr Aufbrechen, ihr gemeinsames Unterwegssein hat sich gelohnt - sie haben ihr Ziel entdeckt. Sie beten den an, dem allein solche Verehrung zukommt; der sich aber klein gemacht hat, um die Schwachen und Ausgegrenzten zu ermutigen zum aufrechten Gang in dieser Welt, in der es anscheinend immer Mächtige und Ohnmächtige, Sieger und Besiegte geben muss. Sie erfahren eine andere Ordnung, die des Wohlwollens und eines tiefen Friedens. Daraus schöpfen sie die Kraft heimzuziehen und dort das zu leben, was sie erkannt haben.

In einem Kirchenlied singen wir: „Im Anschauen deines Bildes werden wir verwandelt in dein Bild“.

Ich denke an einen alten Mann auf einer unserer Missionsstationen in Tansania; Analphabet, krank, arm - doch ein Mensch des Friedens und der Versöhnung. Er hat viele Stunden in der bescheidenen Kirche verbracht. Auf die Frage einer Schwester, was er denn immer in der Kirche bete, antwortete er: Ich schaue ihn an und er schaut mich an.

Ich bin überzeugt, ein solch schweigendes Dasein vor dem liebenden Gott kann Herzen verwandeln, Mauern aufbrechen und neue Wege weisen.

Auch unsere Kirchen, mitten im Trubel der Städte oder im Zentrum des Dorfes laden ein, innezuhalten, anzubeten und sich der verwandelnden Kraft dieses liebenden Gottes hinzuhalten.

Dieser Gott, der unsere Menschennatur angenommen hat, braucht keine anhimmelnden Bewunderungszwerge um sich herum; er ist blutsverwandt mit uns geworden. Er lebt im Innersten jedes Menschen, ob erkannt oder unerkannt, geliebt oder unerwünscht. Und er kann verwandeln.

Vielleicht sind Zeugnisse aus den sogenannten jungen Kirchen heute für uns notwendig, um die Kraft des Glaubens wieder zu entdecken. Ich möchte ihnen einen Ausschnitt aus einer Ansprache des Bischofs von Bulawayo vorlesen. Bischof Ncube hat in Durban einen Hilferuf für sein Land Zimbabwe an die Welt gerichtet.

Dieses einst so blühende Land, in dem Präsident Mugabe nach massiver Wahlfälschung im Vorjahr sein korruptes Regime eisern an der Macht hält ist dabei, zum Armenhaus Afrikas zu werden. Doch weil es ja „nur ein afrikanisches Land“ ist, schaut die Weltöffentlichkeit ungerührt zu. Bischof Ncube war schon im Gefängnis und kennt sicher das afrikanische Sprichwort: Wer die Wahrheit sagt, geht mit seinem Leichentuch spazieren.

Doch hören Sie selbst: „Ich möchte euch bitten, euch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für eine friedliche Lösung der Zimbabwe-Krise einzusetzen. Unsere Regierung fährt fort, Lügen zu gebrauchen, sie verbreitet verdrehte Tatsachen, Halbwahrheiten, grobe Unwahrheiten und gänzliche Falschinformationen. Mein Verständnis von Christus und der Kirche lässt mich glauben, dass Christus ein Prophet, ein Priester und ein Hirte ist. Als Prophet ist er ein Lehrer für alle Nationen und ein Verkünder von Gottes Wort. Er ist gegen Sünde, Falschheit und Ungerechtigkeit, und wir haben die Aufgabe, dasselbe zu tun. Als Priester opfert er sich selbst und gibt sein Leben für die anderen. Er widmet sich dem Gebet, ist heilig und auf Gott ausgerichtet. Die Christen sind aufgerufen zur selben Haltung. Als Hirte verteidigt Christus die Armen, die am Rande stehen und die Minderheiten. Jesus ruft die Christen auf, dasselbe zu tun“.

Nach dieser eindeutigen Motivation beschreibt der Bischof die verbrecherischen Methoden des Regimes in seiner Heimat. Ich meine, er hat die Botschaft des Kindes in der Krippe verstanden und hat sich davon verwandeln lassen. Herodes gibt es überall und zu jeder Zeit. An jedem und jeder von uns liegt es, seine Ränke aufzuzeigen, ins Licht zu stellen und seine Macht zu brechen, indem wir uns vom Kind in der Krippe anschauen und verwandeln lassen.

 

 

Aus den Gebeten der orthodoxen Kirche

Freuen sollen sich die Himmel, jauchzen soll die Erde, denn heute sind fürwahr Engel und Menschen eins geworden. O Wunder: der Unsichtbare ist zu sehen! Der Unfassbare lässt Sich fassen! Das WORT geht über in die Tat! Gottessohn wird Menschensohn! Und die Jungfrau, die vom Manne nie erkannte, wird erschaut als Mutter Gottes! Und die Mutter bleibt nach der Geburt Jungfrau! Das fleischgewordene WORT des Vaters aber wird in eine Krippe gelegt, die verkündenden Hirten nehmen teil am Mysterium, und die Weisen aus dem Osten bringen, von einem Stern geführt, Geschenke dar und fallen nieder vor dem neugeborenen Erlöser. Mit ihnen lasst auch uns, ihr Festesfreunde, die Schätze unseres Herzens willig öffnen und unsere guten Werke vor ihm ausbreiten: Glaube, Hoffnung und Liebe als unser Gold, unsern Weihrauch, unsere Myrrhe und in den Lobgesang der Engel droben lasst uns einstimmen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen: Ihm der da kam, um unser ganzes Geschlecht vom Truge zu erretten.