Erfüllte Zeit

26. 01. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

"Das Wirken Jesu in Galiläa"

(Markus 1, 14 - 20)

Kommentar: Pfarrer Markus Plöbst

 

Text von Michael Albus

 

"Was glauben Sie?" - Der Filmemacher Georg Riha

 

In Tullnerbach bei Wien, Brentenmaisstraße, steht ein hangarähnlicher Gebäudekomplex mit eigenem Helikopter-Landeplatz. Das ist „Brentenwood“, das technische Entwicklungs- und Produktionsbüro des Filmemachers Georg Riha. Werkstätten, Produktionsbüros und Postproduction Facilities bis zum Archiv und dem Tonstudio sind dort zu finden - (fast) alles, was zur Produktion eines Films von der ersten Idee bis zur fertigen Filmrolle  nötig ist.

Georg Riha ist der Chef der Firma „Brains & Pictures“, die über ein dreißigköpfiges Team an Mitarbeitern verfügt. Von der Filmproduktion bis zu vielfältigen technischen Dienstleistungen – all das bietet Riha überall in der westlichen Welt mit einigem Erfolg an.

Die eigens erfundene Seilbahnkamera „CAMCAT“ hat perspektivische Filmaufnahmen revolutioniert. Sie kam beim Champions-League-Finale im Pariser Stade de France ebenso zum Einsatz wie beim „Janet-Jackson-Special“ im New Yorker Madison Square Garden oder bei der Winter-Olympiade von Salt Lake City 2002. Und auch das „CamBlimp“-System sowie die „Timelapse“-Kameras werden bei Produktionen mit besonders hohen künstlerischen Anforderungen immer öfter verwendet.

Mit Filmen über den Stephansdom, und dem Großglockner gelang Riha in Österreich der Durchbruch. Seine Werke werden auf Dokumentationsfilm-Festivals mit Preisen überhäuft.

In der Sendung erzählt der umtriebige Familienvater worin er den  Sinn seiner spezifischen Arbeit sieht. Das Gespräch mit Georg Riha hat Johannes Kaup geführt.  

 

 

Markus Plöbst

 

Heute, am dritten Sonntag im Jahreskreis, wird die Geschichte der Berufung fortgesetzt, die vorigen Sonntag bei Johannes seinen Anfang nahm. Diesmal hören wir „die Berufung“ aus dem Markusevangelium. Es klingt so harmlos - nahezu idyllisch - wenn es heißt, dass Jesus am See Genezareth entlangspaziert und einen Fischer nach dem anderen anspricht: „Komm her, folge mir nach!“ Es verblüfft zu hören, dass diese Fischer alles liegen und stehen lassen und diesem Ruf folgen.

Wie kann man sich das vorstellen? Ich glaube, das ist ganz einfach. Man muss nur versuchen, in Bildern zu denken: Also überlegen wir einfach, wo überall hin wir heute gerufen werden. Wir brauchen lediglich den Fernsehapparat aufzudrehen und schon werden wir dezent, aber eindeutig durch die Werbung zum Kühlschrank oder zum Einkauf „gerufen“. Wenn schönes Wetter ist, haben wir vielleicht das Gefühl, dass der Berg „ruft“. Und wenn Sie in der Nähe einer Kirche wohnen, werden Sie heute noch bestimmt die Kirchenglocken hören, die Sie zum Gottesdienst „rufen“.

Die Frage ist, ob wir dem Ruf folgen und welchem Ruf wir folgen wollen! Wir sind reizüberflutet. Wir hören nicht nur einen Ruf, wir werden von vielen Seiten zugleich gerufen. Oft reagieren wir spontan auf einen bestimmten Ruf, weil die innere Voraussetzung bereits gegeben war. Der Ruf erreicht uns in einem dafür vorbereiteten Zustand. Das dürfte zur Zeit Jesu auch nicht anders gewesen sein. Wir wissen nicht, wie Jesus seine Jünger berufen hat, wir kennen nur die Beschreibung des Ergebnisses. Zeitgeschichtlich wissen wir aber, dass die Sehnsucht nach einem Messias sehr groß war. Auch Jesus sagte, bevor er die Fischer aufrief, ihm zu folgen: „Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe.“

Der Gedanke drängt sich auf, ob es zur Zeit Jesu nicht einfacher als in der heutigen Zeit war, seinem Ruf zu folgen. Damals, als er noch lebte, als man ihm begegnete, als man seine Ausstrahlung spürte, als man seine Stimme hörte. Das könnte sein! Aber stellen Sie sich vor, Sie wären dann auch am Karfreitag dabei gewesen und hätten vielleicht aus Überzeugung geschrieen: „Kreuzige Ihn!“. Was kann also leichter gewesen sein? Das Nachfolgen auf Jesu Ruf hin hätte nicht radikaler sein können: Simon und Andreas geben ihre Arbeit als Fischer auf. Jakobus und Johannes, die nächsten beiden, die dem Ruf Jesu folgen, geben nicht nur ihren Brotberuf auf, sondern lassen, wie es bei Markus heißt, auch ihren Vater Zebedäus zurück. Das heißt, der Ruf Jesu: „Kommt her und folgt mir nach“, zerreißt auch familiäre Netze.

So weit reichte der Ruf des Menschensohns. Man kann natürlich einwenden, dass diese Frage nur spekulativ und daher nicht sehr fruchtbringend ist, weil wir heute in einer ganz anderen, vielleicht auch viel komplexeren Zeit leben; weil die Offenbarung auch heute Gültigkeit hat und weil Gott uns heute wieder ruft, durch Menschen, die von Jesus Zeugnis ablegen und ihren Glauben heute überzeugend leben.

Bemerkenswert aber ist bei dieser Erzählung, dass ihr der Aufruf zur Umkehr vorausgeht. „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“. Vielleicht ist auch jetzt für Sie der Augenblick gekommen, Ihr Leben zu überdenken und neu auszurichten. Wer über sein Leben nachdenkt, möglicherweise auch so manches bereut, was er in seinem Leben getan hat, der wartet doch darauf, dass er gerufen wird, einen neuen Weg zu gehen. Einen Weg, der zu einem neuen Leben führt. Das sind doch ganz normale Sehnsüchte in unserem Leben. Nur, und auch diese Frage muss erlaubt sein. Erkennen wir auch den Ruf Gottes?

Erlauben Sie mir dazu eine persönliche Bemerkung. Als ich Kaplan in Murau war, bemühten wir uns in der Pfarre besonders um unsere Ministranten und hatten bald sichtbaren Erfolg. Die Ministranten-Gruppe wuchs und wuchs, und nach einiger Zeit war die Schar der Ministranten so groß, dass sie eine Konkurrenz zu anderen Kinder- und Jugendgemeinschaften wurde. Meine Begeisterung über diese große Schar wurde allerdings dadurch etwas getrübt, dass manche im Ort uns bald als „Rattenfänger“ bezeichneten.

Genau das waren wir nicht und sind wir nach wie vor nicht. Die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln ist das genaue Gegenstück zum heutigen Evangelium vom „Menschenfischer“. Der Menschenfischer führt die Menschen zu Christus, also in das Leben. Ein Rattenfänger verlockt Mensch und Tier und zwar geradewegs in den Tod. Auch hier können wir die Kraft der Bildsprache erkennen: Im heutigen Evangelium heißt es, dass Jesus die Menschen vom Wasser weg führt, der Rattenfänger führt dagegen seine Opfer direkt in den Untergang.

Das Schlimme daran ist, dass der Ruf des Rattenfängers lieblich und schön klingt. Der Ruf ist derart verlockend, dass niemand auf die Idee kommen würde, dass dieser den Tod bringt. Der Ruf des Rattenfängers erklingt nach wie vor. Seiner Süße ist oft nur schwer zu widerstehen. Der Ruf Christi hingegen ist direkt, klar, bestimmt, aber er führt zum Leben.

Es geht also nicht darum irgendjemanden oder irgendetwas, das uns ruft, zu verteufeln, sondern mit Jesus in den Konkurrenzkampf der Liebe zu treten. Die Liebe Gottes wird durch uns Menschen spürbar. Jesus ruft heute wie damals - jetzt aber durch uns, mit unserer Ausstrahlung und unserer Stimme.

 

 

 

Michael Albus aus: „Spirituell leben“ – 111 Inspirationen, Herder Verlag

 

Alles hält sich in Grenzen. Grenze und ihre Erfahrung ist die Substanz des Lebens selbst, das endlich und vergänglich ist. Im Kleinen wie im Großen stoßen wir Menschen in jedem Augenblick unseres Lebens an Grenzen. Vom Zeitpunkt der Geburt an sterben wir – bis hin zur Stunde unseres Todes, der die letzte erfahrbare Grenze anzeigt.

Der bewusste Umgang mit der Grenze, mit den Grenzen überhaupt, und das Verlangen, sie zu überwinden, hinter sie zu schauen, gehört ganz wesentlich zum Versuch eines spirituellen Lebens.

Jeder Gang an die Grenze, an ihr entlang oder über sie hinaus, hat neben allen Mühen auch etwas Schöpferisches an sich. Neue Horizonte tun sich auf, eine neue Sicht der Dinge kann sich eröffnen, Leben kann intensiver werden, man kann den Wert der "einfachen" Dinge vor der Grenze wieder mehr schätzen lernen. Ja, die Grenze kann sich hinausschieben. Aber: Sie bleibt Grenze. Sie ist gesetzt, sie ist bestimmt, sie markiert das Unüberschreitbare schlechthin.

Es gibt Augenblicke, die kurze Zeit eines Blicks unserer Augen, in denen eine Ahnung dessen aufblitzt, was "dahinter" sein könnte: Grenzerfahrungen des Glücks und der Liebe gleichermaßen wie Erfahrungen des Unglücks und der Lieblosigkeit. Sie muss man aushalten - auch wenn Sie einen vor Glück oder Unglück, vor Einsamkeit und Gemeinsamkeit "fast vergehen" lassen, wenn sie einem den Verstand rauben und fast das Herz brechen.

Es ist unerlässlich, immer wieder einmal an einer Grenze entlangzugehen, dahinter zu schauen, was sich dort abspielt und dm Blick darbietet. Sooft man davon heil - oder mit Wunden – heimkommt, erwächst daraus ein innerer und äußerer Ertrag, der mit nichts in der Welt aufzuwiegen ist.