Erfüllte Zeit

02. 02. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

"Das Zeugnis des Simeon und der Hanna über Jesus" (Lukas 2, 22 - 40)

Kommentar: Pater Johannes Pausch OSB

 

Text von Symeon der Theologe

 

 

Pater Johannes Pausch OSB

Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, heute am Fest Maria Lichtmess, dem Fest der Darstellung des Herrn. Die Geschichte dieses Festes erzählt, dass Maria und Josef ihr Kind, Jesus, in den Tempel hinauftragen. Zwei alte Menschen, Simeon und Hannah, erwarten sie. Und ihnen allen wird ein Licht geschenkt, eine Erleuchtung.

 

Natürlich frage ich mich, was dieses Geschehen und diese Geschichte, mit meinem Leben zu tun hat.

 

Es ist ein Tag der inneren und äußeren Bewegung, ein Tag der Begegnung mit Gott, ein Hinaufgehen zum Tempel Gottes, zum Heiligtum.

 

Habe ich ein Heiligtum? Einen Ort, an dem ich mich berge, einen heiligen Raum, in dem Gott wohnt? Habe ich einen Ort, zu dem ich gehen kann, um innere Ruhe oder Erkenntnis zu finden? Gibt es eine Bewegung, die mich drängt danach zu suchen, dass mir ein Licht aufgeht? Nicht nur in meinem Verstand, sondern auch im Herzen? Der heilige Raum, dieser Tempel ist der Ort, an dem Gott zu mir redet. Dazu brauche ich einen Freiraum. Dort, wo alles vollgeräumt ist mit meinen Sorgen, Nöten, mit der Last des Alltags, mit Schmerzen der Krankheit, mit Verzweiflung und Einsamkeit, wird es schwer sein die Stimme Gottes und des Lebens zu hören.

 

Vielleicht begegnet mir Gott nicht mehr, weil ich keinen Raum der Gottesbegegnung habe.

 

Das muss nicht nur eine Kirche sein. Er kann überall sein. Ein Herrgottswinkel in meiner Wohnung, ein Bild, das es mir ermöglicht, wie durch eine Tür zu gehen und mich mit dem Größeren und Heiligeren zu verbinden.

Dieser Ort der Gottesbegegnung ist immer auch ein Ort der Menschenbegegnung. Gottesbegegnung ereignet sich ja nicht im luftleeren Raum, sondern es ist auch eine Begegnung mit den vielen Menschen, den Alten, Kranken, den Jungen und Gesunden, mit den Hoffnungsvollen und den Hoffnungslosen.

 

Es ist ein Ort der Offenheit, der Klarheit, der Wahrhaftigkeit. Gottesbegegnung ereignet sich nicht in der Lüge, nicht in der unheimlichen Heimlichkeit der Verzweiflung und der Resignation, sondern auf dem Weg hinauf zum Berg des Herrn, so sagen die Psalmen. Dieser Weg wird möglich durch die Sehnsucht nach diesem Licht, von dem wir vielleicht nur vage irgendwann einmal gehört haben, von dem wir aber wissen, dass es dieses Licht gibt. Vielleicht werden Sie an diesem Morgen denken: Ich habe diesen Raum verloren, oder ich habe ihn nie gefunden, oder ich bin in diesem Leben schon zu oft enttäuscht worden. Vielleicht hatten es Maria und Josef, Simeon und Hannah leichter als ich.

 

Wenn wir wirklich auf diese Geschichte hören, wird klarer, dass es nicht so ist. Maria und Josef tragen Verantwortung für ihr Kind, so wie jede Mutter und jeder Vater Verantwortung für das Leben und für ein Kind tragen. Das ist nicht leicht. Und Simeon und Hannah tragen die Last ihres Lebens, ihrer Geschichte, ihrer Erfahrungen, ihrer Hoffnungen und Enttäuschungen mit sich. Aber sie gehen immer wieder, täglich, hinauf in den Tempel.

 

Dort, wo Menschen diese Hoffnung haben, wo sie sich bewegen, trotz aller Schmerzen, trotz allem Leid, da beginnt von Neuem das Leben. Was erwarte ich denn noch vom Leben? Bin ich bereit mich überraschen zu lassen, Gott selbst wahrzunehmen und das Neue, das Größere, das Heiligere in meinem Leben nicht nur zu denken, sondern es zuzulassen?

 

Das Licht, das mir einen neuen Weg zeigt, ist ja auch nicht nur etwas ganz außergewöhnliches. Es ist wahrscheinlich im Alltag zu erkennen, wenn ich mich in diesem Alltag immer wieder neu auf den Weg mache.

 

Das Alltägliche muss ich neu sehen, neu tun, neu erfahren lernen. Das ist nichts Besonderes. Es ist das, was ich alle Tage tue. Aber ich werde in diesem alltäglichen Tun dieses Heiligtum, diesen Freiraum, diesen Raum der Gottes- und Menschenerfahrung erkennen können. Manchmal meinen wir, dass Gottesbeziehung etwas ganz Außergewöhnliches ist. Aber die Wahrheit ist, dass wir diese Erfahrung des Heiligtums und die Erfahrung Gottes in jedem Augenblick des Lebens machen können. Diese Augenblicke sind kostbare Sternstunden.

 

Das Licht sehe ich, das Licht kommt. Aber in der Flut von Lichtern und Schattenbildern des Lebens kann ich es nicht mehr erkennen.

 

In den Kirchen werden heute Kerzen geweiht, damit sie brennen. Lichter sind Hilfen in der Dunkelheit des Lebens, die sich auch in einem hell erleuchteten Zimmer zeigen kann.

 

Wie ist es aber möglich zu diesem Licht zu kommen?

 

Vielleicht ist es das Annehmen eines Kindes, eines alten oder kranken Menschen mit aller Freude und mit aller Last, die Menschen uns entgegenbringen und auch aufladen. Diese Erfahrung des Lichtes ist auch möglich im Wissen und Erkennen des Schmerzes im eigenen Herzen, im Erkennen der eigenen Verwundungen und Verletzungen, im Erkennen der eigenen Angst und Resignation und der Hoffnungslosigkeit. Dass ich da nicht davonlaufe, sondern mich dem stelle und diese Last und Verzweiflung annehme und nicht nur versuche sie von mir abzuwehren, sondern all diese Erfahrungen in meinem Herzen bewahre, so wie es von Maria gesagt worden ist. Dann ereignet sich das, was wir das Durchschauen der Vordergründigkeit nennen. Wir erahnen die Hintergründe des Lebens und finden wahrscheinlich einen Sinn in der oft großen Sinnlosigkeit des Alltags.

 

Die Wege dazu sind schwer, ich weiß es selbst. Vielleicht werden Sie denken: Ich kann nichts mehr tun. Ich bin alt und krank. Ich kann mich nicht einmal mehr bewegen. Mein Leben hat mich hart und hoffnungslos gemacht, und erscheint mir sinnlos. Es ist verständlich, dass Sie in dieser Situation keinen Weg mehr gehen können oder wollen, dass Sie auch keinen Herrgottswinkel mehr haben.

 

Aber vielleicht haben Sie doch noch irgendwo eine Kerze in Ihrer Wohnung, in Ihrem Haus. Suchen Sie diese Kerze und stellen Sie diese Kerze einfach auf den Tisch. Sprechen Sie selbst einen Segen über diese Kerze bevor Sie sie entzünden:

 

„Gott, segne diese Kerze und das Licht. Lass mich durch dieses Licht erkennen, dass du jetzt gegenwärtig bist, dass du da bist, jetzt in diesem Raum, in dieser Stunde. Tröste du mich, erleuchte du meine Finsternis.“ Und dann zünden Sie diese Kerze an, schauen Sie in das Licht und lassen Sie dieses Licht in Ihren Leib und in Ihre Seele dringen. Dann kann es sein, dass Ihnen Gott begegnet und das Licht aufgehen wird, das unsere Herzen erleuchtet.

 

 

 

Symeon der Theologe

 

Ich sah ihn wieder ganz in meinem Hause, und inmitten dieses Gerätes erhob er sich unvermutet, und vereinte sich mir unaussprechlicher Weise, verband sich unsäglicher Weise mit mir und schwang sich mir ohne Mischung zu wie das Feuer dem Eisen, wie das Licht dem Glase. Und er machte mich dem Feuer, machte mich dem Lichte gleich. Und ich wurde das, was ich ehedem sah und aus der Ferne schaute. Ich weiß nicht, wie ich dir diese wunderbare Weise berichten soll. Denn ich konnte nicht erkennen und erkenne auch jetzt ganz und gar nicht, wie er in mich eintrat, wie sich mir vereinte. Vereint aber mit ihm, wie soll ich dir sagen, wer er ist, der mir, dem ich hinwieder mich vereint habe? Ich fürchte, du möchtest etwa, wenn ich es sage, es nicht glauben, und aus dem Nichtwissen in die Lästerung fallend, mein Bruder, deine Seele verlieren. Eines sind ich und er geworden, dem ich vereint bin. Aber wie soll ich mich nennen, der mit ihm vereint wurde? Gott, von Natur doppelt, von Wesen eins, macht auch mich zwiefach, und wie du siehst, gab er mir auch einen doppelten Namen ein. Dies ist die Scheidung: Mensch bin ich von Natur, von Gnaden Gott.