Erfüllte Zeit

09. 02. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

"Die Heilungen der Schwiegermutter des Petrus, der Besessenen und Kranken und Aufbruch aus Kafarnaum

(Markus 1, 29 - 39)

Kommentar: Univ. Prof. Dr. Peter Trummer

 

 

Text von Martin Buber

 

 

Univ. Prof. Dr. Peter Trummer

Wanderungen in der ursprünglichen Landschaft Jesu gehören zum Eindrucksvollsten in meinem Leben. Besonders geschichtsträchtig ist der Boden in Kafarnaum am See Gennesaret, wo bereits die ersten Christ/inn/en das „Haus des Petrus“ verehrten. In der heute gelesenen Geschichte aus dem Markusevangelium heißt es noch das „Haus (oder besser: die Hausgemeinschaft) des Petrus und Andreas“. Und nach dem Eingangsvers des Wallfahrtspsalms 133 ist es wirklich fein und lieblich, wenn Geschwister einträchtig beisammen wohnen – dass sie es hier wahrscheinlich im Haus der Schwiegermutter des einen tun, ist ungewöhnlich. Jedenfalls ist es nicht ihr Heimathaus, denn beide stammen aus dem benachbarten Betsaida (Joh 1,44). Aber ihr Beruf, das Fischereigewerbe, war nur im Team möglich. Das hat Mendel Nun, der selbst 50 Jahre am See Gennesaret gefischt und die antiken Fangmethoden studiert hat, eindeutig nachgewiesen.[1] Also hat es seine innere Logik, wenn gerade die erstberufenen Jünger Brüderpaare sind, denn Jesus hat auf die Teamfähigkeit der Seinen großen Wert gelegt. Und derselbe Mutterleib verbindet in der Tat ein ganzes Leben lang, trotz aller Spannungen, die auch zwischen Geschwistern möglich und notwendig sind.

 

Aber werfen wir einen Blick auf die Frau des Hauses. Sie ist (wie so oft) eben nur die namenlose Schwiegermutter. Von ihrem Schwiegersohn Petrus ist häufig die Rede, ihre Tochter und Frau des Petrus wird von Paulus im ersten Korintherbrief indirekt erwähnt (1 Kor 9,5), eine spätere Legende verehrt sogar ihr Enkelkind Petronilla. Die Schwiegermutter selbst aber blieb ganz im Schatten. Ihr soll wenigstens heute jene Aufmerksamkeit zukommen, die ihr gebührt, sowohl historisch als auch für die Gegenwart. Denn diese namenlose Frau hat Jesus nach seinem Wüstenaufenthalt jene Heimat und Familie geboten, die er in Nazaret nicht mehr haben konnte.

 

Das Ganze kam so: Nach der Berufung der ersten Jünger war Jesus am Sabbat in der Synagoge gewesen, wo er seine erste Heilung verrichtet hatte, und dann in dieses Haus eingekehrt. Die Schwiegermutter war nicht beim Gottesdienst, denn sie lag total danieder und hatte Fieber. Nach einer kleinen Besprechung mit seinen neuen Freunden trat Jesus hinzu und richtete sie auf, indem er ihre Hand ergriff. Und das Fieber verließ sie und sie diente ihnen.

Das Ganze wird äußerst knapp berichtet, ist aber voller Bedeutung. Die Not der Frau ist groß, denn sie liegt im wahrsten Sinn des Wortes völlig am Boden. Doch Jesus richtet sie auf, indem er ihre Hand ergreift, ziemlich fest sogar. Nach dem griechischen Text ist es förmlich eine kleine Totenerweckung, die hier stattfindet. Das Fieber verlässt sie, wobei dieses Wort „verlassen“ übrigens auch für die Sündenvergebung verwendet wird. Das Ergebnis ist: Sie diente ihnen.

 

Doch gerade der Schluss der Geschichte wird sehr oft missverstanden. Denn diese erste Frauenheilung im Markusevangelium erfolgt nicht zu dem Zweck, damit eine Frau eine reine Männergesellschaft „bedient“ – hier wertet auch die gelesene Einheitsübersetzung zu sehr ab –, sondern ihre Heilung ist eigentlich eine Berufungsgeschichte. Die Schwiegermutter des Petrus ist die erste jener galiläischen Frauen, die für Jesus so bedeutend werden bis hin zu seinem Tod (Mk 15,40f). Sie zieht zwar nicht mit ihm mit, aber was noch wichtiger ist: Sie öffnet Jesus ihr Haus, hält für alle die Stellung und vielleicht sogar den Fischereiberuf, auf den Petrus nach Jesu Tod wieder zugreifen kann (vgl. Joh 21,3). Mit ihrer Heilung ist sie zum gleichen Dienen berufen, zu dem Jesus sich gesandt weiß. Auch er ist nicht gekommen bedient zu werden, sondern zu dienen... (Mk 10,45). Diese erstberufene Frau wird zum Herzstück und zur Leiterin jener Hauskirche, in der Jesus selbst jene familiäre Geborgenheit findet, ohne die geistliches Wirken nicht denkbar ist.

 

Es ist eine Heilungsgeschichte, eine Berufungsgeschichte, die auch heute noch spielt. Ich durfte in den letzten Jahren eine Frau begleiten, die mit dieser Geschichte im Herzen und im Rücken immer wieder aus den schwersten Fieberkrämpfen einer Chemotherapie auferstehen durfte, um in der Kirche und im Haus mit aller geistlichen und menschlichen Kompetenz zu dienen. Ein wahres Wunder, eigentlich eine ganze Serie von Wundern, auch wenn Krankheit und Tod damit nicht endgültig gebannt sind. Denn Heilung im Sinne Jesu kann uns auf die Dauer den unausweichlichen menschlichen Tod nicht ersparen. Auch diese schmerzliche Erkenntnis birgt viel Heilsames in sich.

 

Es gibt zu viele Frauen, die körperlich und seelisch oft am Ende ihrer Kräfte sind. Auch in der Kirche liegen sie vielfach fiebernd danieder bzw. werden sie noch immer nieder gehalten. Beten und arbeiten wir dafür, dass sie die Erfahrung ihrer eigenständigen, heilsamen Berufung machen dürfen. Zwar werden alle, die vom Boden aufstehen, sehr leicht als Störenfriede und Schlimmeres erlebt, auch in der Kirche. Doch Jesus, der nach dieser Heilung in der Einsamkeit der Nacht betet, und Petrus, der ihn mit seinen Freunden dort sucht, stehen bei solchen kleinen Auferstehungen gewiss auf Seite aller Frauen und Schwiegermütter.


[1] Die harten Fakten bei Trummer/Pichler J. (Hg.), Heiliges Land – beiderseits des Jordan. Ein biblischer Reisebegleiter, Innsbruck 1998, 59f.

 

 

Text von Martin Buber

Das Wort Gottes fällt vor meinen Augen nieder

wie ein fallender Stern,

von dessen Feuer der Meteorstein zeugen wird,

und ich selber kann nur das Licht bezeugen,

nicht aber den Stein hervorholen

und sagen; Das ist es.

 

Ich zeuge für die Erfahrung, appelliere an Erfahrung.

Ich sage zu dem, der mich hört: Es ist deine Erfahrung!

Besinne dich auf sie,

und worauf du dich nicht besinnen kannst,

wage, es als Erfahrung zu erlangen!

 

Ich habe keine Lehre. Ich zeige nur etwas.

Ich zeige Wirklichkeit. Ich zeige etwas an der Wirklichkeit,

was nicht oder zu wenig gesehen worden ist.

Ich nehme den, der mir zuhört, an der Hand

und führe ihn zum Fenster.

Ich stoße das Fenster auf und zeige hinaus.