Erfüllte Zeit16. 02. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr
"Die
Heilung eines Aussätzigen" Kommentar: Univ. Prof. Dr. Peter Trummer
Ein
Leprakranker kommt zu Jesus mit der kniefälligen Bitte um Heilung.
Ob bei seiner Krankheit wirklich unsere heutige Lepra gemeint ist,
wissen wir nicht. Denn bis jetzt hat die orientalische Archäologie
keine Knochen mit den dafür typischen Deformationen ausgegraben.[1]
Aber Hautkrankheiten aller Art waren und sind immer ein großes
Problem, nicht nur medizinisch, sondern auch sozial. Denn wird das
größte menschliche Organ, die Haut, zum Symptomträger bedeutet
dies, dass alle anderen Ausleitungen bereits erschöpft sind und
aktuelle Lebensgefahr besteht.
Hautkontakt
ist überlebenswichtig, nicht nur für Säuglinge, sondern in jedem
Alter, in jeder Beziehung. Wir spüren nur am Geruch, an der Wärme
der Haut, ob die „Chemie“ zwischen Menschen stimmt. Fremde,
anders beschaffene und gefärbte Haut hingegen beunruhigt. Kein
Wunder also, dass Menschen sich dann so rasch und gerne abwenden.
Sie sind zutiefst verunsichert und grenzen die anderen aus.
Vielleicht haben wir auch nur deswegen bis jetzt keine antiken
Lepraknochen gefunden, weil die daran Gestorbenen selbst noch im Tod
von jeder Form menschlicher Gemeinschaft ausgeschlossen blieben. Da
können Friedhofsordnungen sehr unbarmherzig sein, bis heute.
Was
immer dieser Aussatz also war: Jesus zeigt sich nicht beunruhigt.
Seine Reaktion ist nicht Flucht, Vorwurf oder Unterstellung, sondern
Erbarmen. Er hat keine Angst, sich mit irgendetwas zu infizieren. Er
streckt geradezu demonstrativ seine Hand aus und berührt den
Kranken. Und er gibt seiner Handlung eine ausdrückliche Deutung:
Ich will, werde rein, werde gereinigt.
Dabei
geschieht mehr als eine Spontanheilung durch körperliche Zuwendung.
Hier wird auch ein ethisches und religiös/politisches Programm
angesprochen. Es genügt nicht, dass Jesus heilt. Diese Heilung
braucht auch ihre offizielle Bestätigung durch die Priesterschaft
am Tempel. Erst dann wird eine Teilnahme am gemeinsamen
Gottesdienst, der Hautkranken aller Art verwehrt ist, wieder möglich.
Die frühe Kirche hat bei der Hautfarbe eines Menschen jedenfalls nie irgendwelche Grenzen gesehen oder gezogen. Das zeigen z.B. die Taufe des Äthiopiers durch Philippus (Apg 8) oder Namen wie der des Simeon Niger in Apostelgeschichte 13,1, der eindeutig Schwarzafrikaner ist. Der Beiname Barsabbas (Apg 1,23;15,22) wiederum weist auf eine Herkunft aus Saba, d.h. aus Südarabien hin.
Wenn Sie mich fragen, ob und wie solche Heilungen heute noch stattfinden können, ist die Antwort eine zweifache: Zum einen könnte sogar die Lepra im eigentlichen Sinn weltweit mit dem Preis von zwei Kampfflugzeugen gänzlich besiegt werden. Dasselbe gilt übrigens auch für viele andere Erkrankungen, einschließlich der Blindheit, die zumindest 50% heilbar wäre. Das ist seit Jahrzehnten bekannt, nur wird es nicht getan. Es fehlt uns offensichtlich der Blick und das Erbarmen Jesu, seine Bereitschaft, selbst Hand anzulegen.
Zum
anderen ist die Diskriminierung von Menschen noch immer sehr mit
ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft und der Hautfarbe verknüpft.
Besonders was die schwarze Haut von Mitbürger/innen in unserem Land
angeht, gilt es eindeutige Zeichen zu setzen gegen jede Vermarktung
von Fremdenangst, gegen alle pauschalen Verdächtigungen, wie sie
oft viel zu leichtfertig ausgestreut werden. Dann wird die Kunde des
Evangeliums in die ganze Welt getragen werden, allen vehementen
Schweigegeboten zum Trotz, wie unsere Geschichte andeutet. Denn
Menschen, die sich in ihrer vielfachen Heimatlosigkeit und
Ausgrenzung von uns wohlwollend angenommen und im wahrsten Sinn des
Wortes gut „behandelt“ erleben durften, werden immer unsere
besten Botschafter/innen sein. [1] Vgl. Barbara Mörtl, Die Schwiegermutter des Petrus. Die ekkesiale Kompetenz von Frauen nach Mk 1,29-31, Diss. Graz 2002, 76f.
Unter
Gerechtigkeit verstehen die Propheten ein Leben der Gemeinschaft im
Recht. Diejenigen, die die Häuser gebaut haben, werden auch in
ihnen wohnen; die die Weinberge gepflanzt haben, werden den Wein
auch trinken. Das kommende Friedensreich wird im Zusammenhang von
Gerechtigkeit und Recht gedacht. Gott “wird Recht sprechen
zwischen vielen Völkern und Weisung geben starken Nationen bis in
die Ferne; und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden
und ihre Spieße zu Rebmessern. Kein Volk wird wider das andere das
Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen. Sie
werden ein jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum
sitzen, ohne dass einer sie aufschreckt“, steht beim Propheten
Micha.
Schalom
ist eine Vorstellung vom guten Leben, das Menschen leben können und
nach dem sie dann alt und lebenssatt sterben können, weil ihre Tage
gezählt sind und sie nicht vorzeitig zugrunde gehen an Krieg und
Ungerechtigkeit.
Grundlage
des Friedens ist die Gerechtigkeit. „Gnade und Treue begegnen
einander, Gerechtigkeit und Friede küssen sich" heißt es im
Psalm 85. Das Ziel ist der Zustand, in dem Gott die Kriegswagen
zerstört und der Aggression ein Ende gemacht hat. Ohne soziale
Gerechtigkeit, ohne Recht kein Frieden. Der Maßstab ist nach
Aussage der Propheten das Recht der Rechtlosen, etwa der Witwen und
Waisen, die keinen männlichen Fürsprecher haben. Die unterste
Klasse wird zum Maßstab des Wohlergehens aller gemacht: Die am
meisten entrechtet sind, am wenigsten zu sagen haben, die nicht nur
kein Geld haben, sondern auch keine Fürsprecher. Sie sind der Maßstab,
an dem gemessen wird, was eigentlich Gerechtigkeit ist.
Außenpolitik
und Innenpolitik werden hier nicht getrennt, als ob man sich außenpolitisch
unterwerfend, imperialistisch, aufrüstend verhalten und zugleich
innenpolitisch Ruhe und Ordnung erhalten könne! Gerechtigkeit und
Frieden gehören zusammen, wie Aufrüstung und Krieg zusammengehören.
Nur zusammen mit der Gerechtigkeit entsteht Frieden im vollen Sinn
des Wortes Schalom. Biblisch gedacht ist es daher falsch, zu
behaupten, die Atombomben hätten uns vierzig Jahre den Frieden
garantiert, insofern als sie in derselben Zeit den Menschen der
Zweidrittelwelt das Verhungern garantiert haben. Ein auf
Abschreckung und Gewalt, Terror, Elend und Drohung beruhender
Frieden ist antibiblisch, weil er Rüstung, nicht Gerechtigkeit zur
Grundlage des Friedens macht.
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