Erfüllte Zeit

16. 02. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

"Die Heilung eines Aussätzigen"
(Markus 1, 40-45)

Kommentar: Univ. Prof. Dr. Peter Trummer

 

 

Schalom

 

 

Univ. Prof. Dr. Peter Trummer

Ein Leprakranker kommt zu Jesus mit der kniefälligen Bitte um Heilung. Ob bei seiner Krankheit wirklich unsere heutige Lepra gemeint ist, wissen wir nicht. Denn bis jetzt hat die orientalische Archäologie keine Knochen mit den dafür typischen Deformationen ausgegraben.[1] Aber Hautkrankheiten aller Art waren und sind immer ein großes Problem, nicht nur medizinisch, sondern auch sozial. Denn wird das größte menschliche Organ, die Haut, zum Symptomträger bedeutet dies, dass alle anderen Ausleitungen bereits erschöpft sind und aktuelle Lebensgefahr besteht.

 

Hautkontakt ist überlebenswichtig, nicht nur für Säuglinge, sondern in jedem Alter, in jeder Beziehung. Wir spüren nur am Geruch, an der Wärme der Haut, ob die „Chemie“ zwischen Menschen stimmt. Fremde, anders beschaffene und gefärbte Haut hingegen beunruhigt. Kein Wunder also, dass Menschen sich dann so rasch und gerne abwenden. Sie sind zutiefst verunsichert und grenzen die anderen aus. Vielleicht haben wir auch nur deswegen bis jetzt keine antiken Lepraknochen gefunden, weil die daran Gestorbenen selbst noch im Tod von jeder Form menschlicher Gemeinschaft ausgeschlossen blieben. Da können Friedhofsordnungen sehr unbarmherzig sein, bis heute.

 

Was immer dieser Aussatz also war: Jesus zeigt sich nicht beunruhigt. Seine Reaktion ist nicht Flucht, Vorwurf oder Unterstellung, sondern Erbarmen. Er hat keine Angst, sich mit irgendetwas zu infizieren. Er streckt geradezu demonstrativ seine Hand aus und berührt den Kranken. Und er gibt seiner Handlung eine ausdrückliche Deutung: Ich will, werde rein, werde gereinigt.

 

Dabei geschieht mehr als eine Spontanheilung durch körperliche Zuwendung. Hier wird auch ein ethisches und religiös/politisches Programm angesprochen. Es genügt nicht, dass Jesus heilt. Diese Heilung braucht auch ihre offizielle Bestätigung durch die Priesterschaft am Tempel. Erst dann wird eine Teilnahme am gemeinsamen Gottesdienst, der Hautkranken aller Art verwehrt ist, wieder möglich.

 

Die frühe Kirche hat bei der Hautfarbe eines Menschen jedenfalls nie irgendwelche Grenzen gesehen oder gezogen. Das zeigen z.B. die Taufe des Äthiopiers durch Philippus (Apg 8) oder Namen wie der des Simeon Niger in Apostelgeschichte 13,1, der eindeutig Schwarzafrikaner ist. Der Beiname Barsabbas (Apg 1,23;15,22) wiederum weist auf eine Herkunft aus Saba, d.h. aus Südarabien hin.

 

Wenn Sie mich fragen, ob und wie solche Heilungen heute noch stattfinden können, ist die Antwort eine zweifache: Zum einen könnte sogar die Lepra im eigentlichen Sinn weltweit mit dem Preis von zwei Kampfflugzeugen gänzlich besiegt werden. Dasselbe gilt übrigens auch für viele andere Erkrankungen, einschließlich der Blindheit, die zumindest 50% heilbar wäre. Das ist seit Jahrzehnten bekannt, nur wird es nicht getan. Es fehlt uns offensichtlich der Blick und das Erbarmen Jesu, seine Bereitschaft, selbst Hand anzulegen.

 

Zum anderen ist die Diskriminierung von Menschen noch immer sehr mit ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft und der Hautfarbe verknüpft. Besonders was die schwarze Haut von Mitbürger/innen in unserem Land angeht, gilt es eindeutige Zeichen zu setzen gegen jede Vermarktung von Fremdenangst, gegen alle pauschalen Verdächtigungen, wie sie oft viel zu leichtfertig ausgestreut werden. Dann wird die Kunde des Evangeliums in die ganze Welt getragen werden, allen vehementen Schweigegeboten zum Trotz, wie unsere Geschichte andeutet. Denn Menschen, die sich in ihrer vielfachen Heimatlosigkeit und Ausgrenzung von uns wohlwollend angenommen und im wahrsten Sinn des Wortes gut „behandelt“ erleben durften, werden immer unsere besten Botschafter/innen sein.



[1] Vgl. Barbara Mörtl, Die Schwiegermutter des Petrus. Die ekkesiale Kompetenz von Frauen nach Mk 1,29-31, Diss. Graz 2002, 76f.

 

Schalom

Unter Gerechtigkeit verstehen die Propheten ein Leben der Gemeinschaft im Recht. Diejenigen, die die Häuser gebaut haben, werden auch in ihnen wohnen; die die Weinberge gepflanzt haben, werden den Wein auch trinken. Das kommende Friedensreich wird im Zusammenhang von Gerechtigkeit und Recht gedacht. Gott “wird Recht sprechen zwischen vielen Völkern und Weisung geben starken Nationen bis in die Ferne; und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Spieße zu Rebmessern. Kein Volk wird wider das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen. Sie werden ein jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzen, ohne dass einer sie aufschreckt“, steht beim Propheten Micha.

 

Schalom ist eine Vorstellung vom guten Leben, das Menschen leben können und nach dem sie dann alt und lebenssatt sterben können, weil ihre Tage gezählt sind und sie nicht vorzeitig zugrunde gehen an Krieg und Ungerechtigkeit.

 

Grundlage des Friedens ist die Gerechtigkeit. „Gnade und Treue begegnen einander, Gerechtigkeit und Friede küssen sich" heißt es im Psalm 85. Das Ziel ist der Zustand, in dem Gott die Kriegswagen zerstört und der Aggression ein Ende gemacht hat. Ohne soziale Gerechtigkeit, ohne Recht kein Frieden. Der Maßstab ist nach Aussage der Propheten das Recht der Rechtlosen, etwa der Witwen und Waisen, die keinen männlichen Fürsprecher haben. Die unterste Klasse wird zum Maßstab des Wohlergehens aller gemacht: Die am meisten entrechtet sind, am wenigsten zu sagen haben, die nicht nur kein Geld haben, sondern auch keine Fürsprecher. Sie sind der Maßstab, an dem gemessen wird, was eigentlich Gerechtigkeit ist.

 

Außenpolitik und Innenpolitik werden hier nicht getrennt, als ob man sich außenpolitisch unterwerfend, imperialistisch, aufrüstend verhalten und zugleich innenpolitisch Ruhe und Ordnung erhalten könne! Gerechtigkeit und Frieden gehören zusammen, wie Aufrüstung und Krieg zusammengehören. Nur zusammen mit der Gerechtigkeit entsteht Frieden im vollen Sinn des Wortes Schalom. Biblisch gedacht ist es daher falsch, zu behaupten, die Atombomben hätten uns vierzig Jahre den Frieden garantiert, insofern als sie in derselben Zeit den Menschen der Zweidrittelwelt das Verhungern garantiert haben. Ein auf Abschreckung und Gewalt, Terror, Elend und Drohung beruhender Frieden ist antibiblisch, weil er Rüstung, nicht Gerechtigkeit zur Grundlage des Friedens macht.