Erfüllte Zeit

06. 04. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

"Die Stunde der Entscheidung"

(Johannes 12, 20 - 33)

Kommentar: Dr. Herbert Meßner

 

Text von Martin Luther King

 

 

Kommentar: Dr. Herbert Meßner

In vierzehn Tagen ist Ostern. Wir feiern das Leben, die Auferstehung. Ostern feiern wir nicht mit so großen Geschenken wie Weihnachten. Aber dafür gibt es bei den Ostereiern und Osternestern eine Besonderheit, auf die sich die Kinder sicher schon freuen: Die Ostergeschenke müssen wir suchen!

 

Warum eigentlich pflegen wir die Ostergeschenke zu verstecken? Erinnert uns das Suchen daran, dass Jesus, der Verloren-Geglaubte, nach seiner Auferstehung plötzlich zum Gesuchten wird? Oder ist es ein Hinweis darauf, dass wir Menschen oft Suchende sind, gerade was den Glauben betrifft?

Im Evangelium dieses Sonntags begegnen uns Suchende. Sie wollen Jesus sehen. Der Evangelist will wohl damit sagen: Sie möchten an ihn glauben. Wer Jesus sucht, findet zunächst seine Jünger. Philippus und Andreas haben damals den Suchenden geholfen. Auch heute finden die, die Jesus suchen, seine Jüngerinnen und Jünger in den Kirchen. Hoffentlich verstellen wir den Suchenden nicht die Aussicht auf Jesus, sondern bringen sie durch unsere Lebensgestaltung näher an ihn heran.

 

Doch auch Jesus selbst erweist sich als ein Suchender. Er steht vor der Frage, ob er angesichts des Widerstandes gegen ihn den Weg des Leidens riskieren oder ihm gezielt ausweichen soll. Was Jesus in den anderen Evangelien am Ölberg durchleidet, wird bei Johannes als ein Suchen und Ringen in aller Öffentlichkeit geschildert. Da deutet Jesus sein Leben als Weizenkorn, das in die Erde fallen und sterben muss, um wirklich Frucht zu bringen. Bis heute können wir uns mit diesem Beispiel den Sinn von Tod und Auferstehung relativ gut erklären. Doch Jesus geht noch weiter. Er deutet das Leben des Menschen überhaupt als eine Existenz, die dem Samenkorn gleicht, das seine Frucht erst entfalten muss. Damit gibt Jesus den Suchenden eine treffende Antwort. Wer nach dem Sinn seines Lebens sucht und fragt, möchte, dass sein Leben nicht fruchtlos ist, dass etwas herausschaut. Doch Fruchtbringen setzt voraus, dass gesät wird und dass etwas wachsen kann. Soll unser Leben einen Sinn haben, soll es fruchtbar sein, dann gehört die Bereitschaft dazu, dieses Leben zu geben, zu investieren, für andere einzusetzen. "Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt", wird Jesus bald nach diesem Ereignis seinen Jüngern zum Abschied sagen. Wer nichts riskiert, wer nur bewahren will, verliert letztlich den Sinn seines Lebens.

 

Wer Jesus sehen will, sieht ihn deshalb oft als Gekreuzigten. Manche scheuen den Blick auf den Gekreuzigten und Geschundenen, weil sie Leid nicht mit ansehen können oder nicht mit ansehen wollen. Doch der Blick auf den Gekreuzigten geht tiefer: Hier ist einer, der sein Leben riskiert hat. Hier ist einer, der die Arme ausbreitet, als wolle er für alle da sein, sie alle umarmen und ihnen schutzlos sein Herz ausliefern. Hier ist das Bild eines Liebenden, nicht eines Egoisten.

 

Wir werden leider auch in diesen Tagen wieder daran gewöhnt, Bilder an unseren Augen vorbeiflimmern zu sehen, wo wir sinnloses Leid sehen, weil die Mächtigen die Probleme immer noch durch Krieg zu lösen meinen. Wir stellen diesen Bildern das Bild eines Leidenden gegenüber, der sein Leben für die anderen eingesetzt hat, vor allem für die auf der Schattenseite des Lebens.

 

Ostern fällt in die Zeit des Frühlings. Jetzt ist nicht Erntezeit. Aber jede Ernte beginnt mit der Aussaat. Das können wir auch vom Frühling lernen. Was sich in den Boden der Erde wagt, kann wachsen und Frucht bringen. Ich denke in den Tagen vor Ostern nicht nur an das Leiden Christi, sondern auch an Leidende und Verstorbene aus meiner Umgebung. Wie viel Gutes haben sie nicht gesät, und wie dankbar bin ich ihnen für die Früchte, die ihr Leben auch mir gebracht hat.

 

Wir können auch an Menschen denken, die ihr Leben eingesetzt haben für die Gerechtigkeit. Oft sehen wir bereits die Früchte ihres Einsatzes, selbst wenn er Leid oder Tod zur Folge hatte. Jesus, lass mich Leben wie das Weizenkorn, das seine Vorläufigkeit aufgibt, um das eigentliche Leben zur Entfaltung zu bringen, das in ihm steckt!

 

Text von Martin Luther King

Ich bin froh, dass ich heute lebe, denn heute sind wir gezwungen, uns mit genau den Problemen abzumühen, mit denen sich Menschen seit Beginn der Geschichte versuchen, fertig zu werden. Heute ist es eine Frage des Überlebens. Seit Jahren redet man über Krieg und Frieden. Aber jetzt kann man nicht länger mehr nur darüber reden. Es geht nicht länger um die Wahl zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit in dieser Welt. Die Alternative heißt: Gewaltlosigkeit oder Ende unserer Existenz. Das ist der Punkt, an dem wir heute angelangt sind. Und das gilt auch für die Revolution der Menschenrechte – wenn nicht rasch etwas geschieht, um die farbigen Völker der Welt aus den langen Jahren ihrer Armut herauszuführen, aus den langen Jahren ihres Schmerzes und ihrer Missachtung, dann wird die ganze Welt verflucht sein. Nun, ich bin froh, heute, in dieser Zeit zu leben, und sehen zu können, was sich entfaltet.

 

Wir engagieren uns nicht in irgendeinem negativen Protest und in irgendwelchen negativen Auseinandersetzungen mit irgendwem. Wir sagen, dass wir entschlossen sind, Menschen zu sein. Wir sagen, dass wir Gottes Kinder sind. Und dass wir nicht so leben müssen, wie man uns zu leben zwingt.

 

Wir müssen niemanden verfluchten oder herumgehen und böse Worte schreien. Wir brauchen keine Ziegelsteine und keine Flaschen, wir brauchen auch keine Molotow Cocktails, wir müssen nur zu den Geschäften gehen und zu den großen Industrien unseres Landes und sagen: Gott hat uns hierher geschickt, und wir sollen sagen, dass ihr seine Kinder nicht gerecht behandelt. Wenn ihr dies nicht einsehen und ändern wollt, dann müssen wir unsere Unterstützung der Wirtschaft beenden und eure Geschäfte boykottieren.

 

Ich weiß nicht, was nun geschehen wird. Wir gehen schwierigen Zeiten entgegen. Aber das spielt für mich jetzt keine Rolle mehr. Denn ich war am Gipfel des Berges. Wie jeder Mensch würde ich gerne ein langes Leben haben, und ein langes Leben hat seine Berechtigung. Aber um das kümmere ich mich jetzt nicht. Ich will nur Gottes Willen tun. Und Er hat mir erlaubt, auf den Gipfel des Berges zu steigen, und ich habe auf die andere Seite gesehen. Ich habe das Gelobte Land gesehen. Ich werde vielleicht nicht mit euch dorthin gelangen. Aber ich möchte, dass ihr heute wisst, dass wir, als ein Volk, das Gelobte Land erreichen werden. Und ich bin glücklich, heute. Ich bin nicht besorgt. Und ich fürchte mich vor keinem Menschen. Meine Augen haben die Herrlichkeit des Kommens Gottes gesehen.

 

 

Links:

 

Dom- und Diözesanmuseum der Erzdiözese Wien

Graz 2003

Die Franziskaner in Österreich und Südtirol