Erfüllte Zeit

21. 04. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

"Die Erscheinung Jesu vor den Frauen und der Betrug der Hohenpriester"
(Matthäus 28, 8 - 15)

Kommentar: Pfarrer Nikolaus Krasa

 

 

Text von Christina Ebner (1277 – 1356)

 

 

Kontakt zum Indienprojekt von MMag.Dr.Anneliese Neubauer:

 

Siebererstraße 3, 6020 Innsbruck

Tel: 0512/574559

E-Mail: neubauer_anna@hotmail.com

 

 

Pfarrer Nikolaus Krasa

Patchwork nennt man eine ganz bestimmte Form von Textilien. Da werden verschiedenste Stoffflecken zusammengenäht und ergeben je nach Zusammenstellung ein verschiedenfarbiges, buntes Bild. Eine Art Fleckerlteppich. Patchworks sind in. Nicht nur als textile Technik, auch als Lebensgefühl, Lebensprinzip unserer Zeit. Wir leben in einem bunten Patchwork von Angeboten der unterschiedlichsten Art, aus denen wir uns die Zusammenstellen, die uns persönlich zusagen. Unsere Beziehungswelt gleicht oft einem Patchwork. Und auch im religiösen Bereich gibt es so etwas wie ein Patchwork, einen „Fleckerlteppichglauben“. Aus den unterschiedlichsten weltanschaulichen und religiösen Stoffleckern wird eine neue Glaubensdecke zusammengenäht, zusammengestellt, wächst im Laufe des Lebens. Was mich anspricht, was schön bunt und nett aussieht, hat auf dieser Decke Platz. Und nicht ich muss mich nach der Decke strecken, sondern die religiöse Patchworkdecke streckt sich nach meinen Maßen....

 

Mit Ostern und den Glaubensgeschichten, die uns die Bibel davon erzählt, ist das anders. Diese Geschichten berichten allesamt, wie die Auferstehung Jesu auf die Frauen, den 12er Kreis, andere Menschen wirken. Und sie stimmen darin überein, dass Ostern eben nicht der letzte Stofflecker (oder ein Stoffleck unter anderen) auf der bunte Patchworkdecke ist, die Frauen und Jünger, die die verschiedenen Menschen, die Jesus begegnet sind, in dieser Zeit genäht haben.

 

So ganz deutlich im heutigen Evangelium. Die beiden Jünger, die da am Ostermorgen nach Hause, in ihr Dorf Emmaus gehen, weg von Jerusalem, weg von den anderen, haben aufgehört, ihr Jesus Patchwork weiter zu gestalten. Für sie hat es keinen Sinn mehr. Sie verstehen nicht, wie der Fleck mit den Bildern des Karfreitags in das Gesamt passen sollte. Und sie sind damit nicht allein (genau das ist das Problem aller Jesusfreunde am Ostermorgen in Jerusalem). Es ist wohl kein Zufall, dass mit dem religiösen Patchwork auch das soziale Patchwork der Jünger reißt. Unter dem Kreuz ist die Jüngergemeinschaft bereits zerbrochen. Auch die beiden des heutigen Evangeliums haben von dieser Gemeinschaft genug. Sie gehen nach Hause. Der Fleck passt nicht, andere Flecke beginnen mit abzureißen.

 

Genau das Gegenteil davon dann am Ende des Evangeliums. Auf einmal stimmt es wieder: „brannte uns nicht das Herz, als er mit uns redete, und uns den Sinn der Schrift erschloss“, auf einmal ist die Jüngergemeinschaft wieder anziehend. Noch in der selben Nacht brechen sie auf um nach Jerusalem zurückzugehen. Was ist geschehen? Haben es sich die zwei in ihrer Intelligenz doch irgendwie zusammengereimt, haben sie endlich das theologische Schlupfloch gefunden, die nötige Einsicht, wie doch alles passen könnte. Im Gegenteil: Es ist Jesus selbst, der ihnen zeigt, wie alles zusammenpasst, der ihnen, wie das heutige Evangelium sagt, den Sinn der Schrift erschließt. Er geht mit ihnen, er erklärt ihnen die Schrift, er bricht das Brot mit ihnen. Der Auferstandene selbst geht auf die Jünger zu, geht mit ihnen mit und erklärt ihnen, was zu Ostern geschehen ist. Kein alter Patch, kein alter Stoffleck der mit viel Können doch irgendwie aufgenäht werden kann sondern etwas ganz Neues, Einzigartiges. Derselbe Jesus von Nazareth den sie leiden und sterben gesehen haben ist bei ihnen.

 

Erfahrung der Jünger, Erfahrung der ersten christlichen Gemeinden, von der das heutige Evangelium spricht: es ist Christus selbst, der uns seine Auferstehung bezeugt. Wir können sie uns gar nicht ausdenken. Und: sie passt nicht so einfach als neuer Fleck auf ein altes schon zusammengestückeltes Patchwork. Sie ist, um beim Bild zu blieben, aus einem ganz neuen Stoff.

 

Text von Christina Ebner (1277 – 1356)

Es war am Abend des Osterfestes,

da kam die Gnade Gottes in mein Herz

und wurde zu einer unaussprechlichen Fülle.

Ich war von der Gnade so erfüllt und beschwert

wie eine schwangere Frau von ihrem Kind.

Und in dieser Gnade war ich lange Zeit

 

Gott sprach zu mir:

Ich wohne in dir wie der Duft der Rose.

Ich wohne in dir wie der Glanz der Lilie.

Ich blühe aus dir. Ich bin die Frucht, die in dir wächst.