Erfüllte Zeit

18. 05. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

 

"Die Bildrede vom Fruchtbringen" (Johannes 15, 1 - 8)

Kommentar: Weihbischof Helmut Krätzl

 

Das Evangelium, das wir gerade gehört haben, stammt aus den so genannten Abschiedsreden Jesu. Er hat sie sicher nicht so wohlgesetzt gehalten, wie sie uns hier imJohannesevangelium überliefert sind. Dahinter steht vielmehr eine sorgfältige Redaktion der johanneischen Gemeinde. Sie will die Stimmung des Abschieds vor Jesu Todwiedergeben, aber auch sein sorgenvolles Vermächtnis. In dieser Gemeinde hat vermutlich jener Jünger eine bedeutende Rolle gespielt, der im Johannesevangelium immer wieder genannt wird und beim letzten Abendmahl ganz nah an der Seite Jesu lag. Er mag vom Herzschlag seines geliebten Meisters besonders viel empfunden haben. Was blieb also der Gemeinde so eindrücklich in Erinnerung von diesem Abschied? Fast drängend kehrt ein Wort immer wieder: "Bleiben, bleibt!" Neun Mal wird es in diesen 8 Versen wiederholt. Es klingt die Angst Jesu heraus, die Jünger könnten ihn verlassen, schon in dieser Nacht, endgültig dann nach seinem Tod. Da wollten sie ja in ihrer Ratlosigkeit lieber zu ihrem alten Handwerk zum Fischen zurückkehren. "Bleibt doch in dem, wozu ich euch berufen habe, ‚Menschenfischer' zu werden, die Frohbotschaft hinauszutragen in die ganze Welt, Heil anzukünden und Heilung zu bringen." Tut das nicht allein, will er ihnen sagen: "Bleibt doch in mir", d. h. in einer Hingabe an Gott und die Menschen, wie ihr sie von mir gesehen habt. Ich denke nach, was das für heute bedeutet. "Bleiben, bleib!". Vielleicht heißt das für jemand von uns: "Bleib doch in deiner Beziehung zu Gott, die in deiner Kindheit hoffnungsvoll begonnen hat. Bleib treu dem Grundkonzept deines Lebens, das du einmal gefasst hast. Bleib treu in deinen Beziehungen, bleib treu in der Liebe." Aber ist "Bleiben" nicht gegen den modernen Lebensstil, wo gerade Mobilität, Veränderung, ständig neuer Anfang Vitalität und Lebensmut zeigen? Wenn Verlässlichkeit, Beharrlichkeit, stark bleiben in Krise und Leid immer seltener werden, wenn es im Glauben keine "Bleibe", nur mehr Beliebigkeit gibt, wird das eigene Leben völlig verunsichert und das Zusammenleben schwer bedroht. Ein zweites Wort kehrt im Evangelium immer wieder, sogar sieben Mal: "Bringt Frucht". Was mag Jesus für eine Frucht gemeint haben? Wohl jene im Sendungsauftrag, nämlich Frieden zu bringen, Trost, Heilung und Heil. Von einer Frucht aber spricht er besonders deutlich: "Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe". Ohne Liebe gibt es keine Frucht und wo Liebe ist, keimt schon neues Leben. Aber woher kommt die Kraft dazu? "Bleibt in mir, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun". Das war ein Trost für seine Jüngergemeinde, die sich nach seinem Tode verlassen fühlte, das war aber auch Warnung: wer sich nur auf sich verlässt, bringt nur wenig zustande. Ich meine, dass der Grund für so viel Leerlauf in unserem Leben, auch in der modernen Pastoral darin liegt, dass wir uns zu sehr auf uns, auf menschliche Weisheit, pastorale Technik verlassen. Jede Form von Pastoral kann nur Frucht bringen in inniger Verbindung mit Jesus Christus. So viele von uns sind ausgedorrt, ausgebrannt, weil sie diese lebendige Verbindung mit Christus, dem Weinstock nicht mehr haben, im Hören auf sein Wort, im persönlichen Gebet, in der ehrfürchtigen Begegnung in der Eucharistie, im Vertrauen auf seine Kraft. Von einem verdorrten Rebzweig kann man keine Trauben mehr erwarten. Wo diese Verbindung mit dem Weinstock aber besteht, scheint sie Wunderkräfte zu entfalten. "Wenn ihr in mir bleibt, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten." Die Erfahrung macht uns skeptisch. So viele Gebete bleiben unerhört. Gottes Absichten erscheinen oft unverständlich. Aber wenn wir in Jesus Christus sind, so gesinnt wir er, wenn wir mit ihm beten, dann lernen wir gegebenenfalls auch mit Gott ringen, wie er es am Ölberg tat: "Vater, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen, aber nicht mein Wille geschehe sondern der Deine". Der Kelch geht dann doch nicht vorüber, aber von oben kommt die Kraft, ihn mutig zu trinken. Noch ein letztes Wort möchte ich aus dem Evangelium mitnehmen: "Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt." Irenäus sagt einmal: "Gloria Dei, vivens homo. Die Ehre Gottes, das ist der lebendige Mensch". Wir beten so oft: "Geheiligt werde dein Name". Der Name Gottes wird nicht durch unbedachte Worte so entehrt, wohl aber durch ein Leben, das sich christlich nennt und diesem Namen nicht entspricht. Der Welt aber können wir nur ein Zeugnis von einem barmherzigen, liebenden Gott abgeben, wenn wir selbst fruchtbar werden in Liebe und Barmherzigkeit. Was Jesus seiner Jüngergemeinde damals sorgenvoll sagen wollte, das sagt er wohl auch heute uns und seiner Kirche zur Mahnung, aber auch zur Ermutigung: "Bleibt in mir, dann bringt ihre reiche Frucht."