Erfüllte Zeit25. 05. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr
"Rede Jesu zu seinen Jüngern" (Johannes 15, 9 - 17) Kommentar: Rudolf Luftensteiner
Die ersten drei Evangelisten haben vor allem das gesammelt, wie Jesus geredet und gewirkt hat, als er auf der Erde weilte. Johannes, von dem unser heutiges Evangelium stammt, verzichtet darauf. Es scheint als würde er sagen: Alles, was wir von Jesus wiederholen können, so wie er gesprochen hat, würde nur äußerlich bleiben; man gäbe ja nur etwas wieder, was nur auf dem Papier steht und Papier ist ja bekanntlich sehr geduldig. Man muss von Jesus so sprechen, dass es uns selber aus dem Herzen kommt und sich in der Sprache der Liebe verwandelt.
Die
anderen Evangelien reden z. B. von den Geboten sehr konkret, und wir
alle kennen die wunderbaren Weisungen der Bergpredigt, die uns
auffordern sogar unsere Feinde zu lieben und für unsere Verfolger
zu beten und uns nicht von der Angst zurückdrängen zu lassen.
Johannes nimmt von all diesen Worten interessanterweise nicht ein
einziges in sein Evangelium auf. Er reduziert seine Botschaft, er
konzentriert es auf ein einziges. Das hat Jesus gesagt, darum geht
es ihm, alles andere ist nur Kommentar: „Liebt einander“. Weil
er uns dazu die Kraft gab, meint Johannes, verdient er all unsere
Liebe, deren wir fähig sind. Jesus selber machte uns zu Schwestern
und Brüdern. Ihr
seid meine Freunde sagt uns Jesus im heutigen Evangelium zu. Auf
Freundschaft gibt es aber keinen Anspruch. Hier ist keine
Freundschaft aus einer Heurigenseligkeit heraus gemeint. Echte
Freundschaft ist immer ein freies Geschenk. Freundschaft kann auch
durch treuen Dienst nicht erworben werden. Zwischen einem Herrn und
einem guten Diener kann maximal ein schönes und tiefes Einverständnis
wachsen. Selbstloser Dienst gibt maximal einen Anspruch auf
Vertrauen, aber nicht auf Freundschaft. Die Freundschaft ist immer
ein Geschenk, so auch die Freundschaft Jesu. Das
heutige Evangelium zieht die gesamte Beziehung zu Jesus ganz in
unser Innerstes, in unser Herz. Es gab und gibt unzählige Versuche,
Jesus im Äußeren nachzuahmen. Man hat versucht seinen Lebensstil
zu imitieren. Man hat Jesus zum Revolutionär gemacht, man hat ihn
zum Sittenwächter gemacht. Man hat Jesus verfeierlicht in der
Sprache von Formeln, man hat ihm heilige Kulträume und Kirchen
gebaut. All das stellt das heutige Evangelium aber nicht in die
Mitte. Das,
worauf es ankommt, ist eine Unmittelbarkeit des Herzens, die reine
Liebe. Was er gesagt hat, das was er war, bleibt dann nicht mehr nur
Geschichte, sondern wird Gegenwart und alles spricht aus unserem
Innersten. Was er gesagt hat wird dann unser Eigenstes. Es geht dann
nicht mehr um Jesus als eine Person in der Geschichte, sondern um
die Kraft, die uns durchströmt, unsichtbar, aber stark wie der
Wind, den wir atmen, oder wie das Licht, dessen Wärme wir fühlen... „Geist“
ist das Wort, das wir dafür verwenden, weil wir ein anders nicht
haben... Nur:
Einiges muss man aus der Botschaft Jesu begriffen haben. Es ist dann
wie wenn man ein Netz, ganz gleich an welcher Stelle, ergreift. Egal
wo man zupackt, man wird das ganze Netz hinter sich herziehen.
Genauso die Gestalt und die Botschaft des Jesus von Nazareth. Wo
auch immer unser Leben etwas mit ihm zu tun bekommt, werden wir
eingeführt in die ganze Wahrheit, wird etwas von seinem Geist
lebendig und werden wir spüren, dass er aus Gott war, gerade in dem
Maße wie er in uns Gestalt gewinnt. Und
wenn wir uns fragen, wie das geschehen kann, haben wir nur dieses
armselige Wort zur Erklärung: die Liebe. Wer die Gebote Jesu hält,
der ist es, der wirklich liebt, sagt uns das Evangelium. Aber
es geht hier nicht um eine äußerliche Form der Paragraphenerfüllung,
sondern um das Tun von ganz innen her. Nichts ist da mehr an Zwang
und Vorschrift, die Liebe setzt immer ihre eigene Ordnung und tut
von innen heraus das, was dieser Liebe entspricht. Je mehr wir
hineinwachsen in diese Liebe, umso mehr nimmt in uns das Bild Gottes
Gestalt an - so wie Jesus es uns vermittelt hat. Wenn wir in diese
Liebe hineinwachsen wird eine jede, ein jeder, von uns Heimat des Göttlichen.
Nicht Knechte und Mägde, nicht Waisenkinder, sondern Freunde und
Freundinnen, nennt Jesus uns. Im Geiste Gefestigte, Beheimatete,
Liebende eben - und deshalb Vermittler zwischen dem Himmel und der
Erde, Liebende, unterwegs zu einer ewigen Heimat. Ausgespannte
zwischen Himmel und Erde, Menschen, die dieser Welt die Frucht der
Liebe bringen und den Auftrag des heutigen Evangeliums aus ihrem
Herzen heraus leben: einander zu lieben... Francisco
de Osuna
Sanftmütig
nennt man jene, die in edler Gelassenheit leben und durch äußeres
Geschehen nicht leicht zu beunruhigen sind. Sie fordern niemanden
heraus, sie grollen nicht, sie üben Selbstdisziplin. Sie sind nicht
trübsinnig, sondern heiter, einfach und aufrichtig, man sieht ihnen
an, was sie denken und fühlen. Kurz, die Sanftmütigen erscheinen
menschlicher als jene, denen es an dieser Eigenschaft gebricht. Ist
doch der Mensch seiner Natur nach, wie sein Antlitz zeigt, ein
sanftes Lebewesen, weshalb heftige und zornmütige Menschen den
wilden Tieren gleichen, unbarmherzig und ohne Menschlichkeit. Selig
die Sanftmütigen, denn sie gleichen dem Magnetstein, der Eisen
anzieht. Die Härte spröder Herzen mildert nichts so wie Sanftmut.
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