Erfüllte Zeit01. 06. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr
"Das
Abschiedsgebet des Herrn" Kommentar: Univ. Prof. Dr. Wolfgang Langer
Dekalog
der Gelassenheit von
Informationen zum Orgelfest: http://www.elisabeth-ullmann.at http://members.vienna.at/scicon/main_ofsz.htm
Univ. Prof. Dr. Wolfgang Langer „Die Welt hat sie gehasst.“ Die Feindschaft der Gegner hat die Christen immer begleitet. Von Anfang an und bis auf den heutigen Tag. In allen möglichen Formen: vom mitleidigen Lächeln über den verletzenden Spott, die politische Diskriminierung in totalitären Regimen bis zur blutigen Verfolgung. Auch bis heute: in Pakistan und Indonesien, in Algerien und im Sudan und anderswo.
Und
warum? „Weil sie nicht von der Welt sind.“ Was soll das heißen?
Wir tun uns schwer mit einer solchen Welt-Sicht. Klingt das nicht
nach Weltverachtung und Weltverneinung, die man den Christen so
lange vorgeworfen hat? Wir haben doch gelernt, dass man der Erde
treu bleiben, sie bewahren muss. Aber Gottes gute Schöpfung ist gar
nicht gemeint. Im Johannes-Evangelium ist das Wort „Welt“ eine
Chiffre für alles, was Gott widerspricht. Was dem Leben
entgegensteht, das er uns zugedacht hat und schenken will.
Es
ist die uralte Tragik des Menschen, dass er so schwer und oft gar
nicht erkennt, wer er eigentlich ist. Dass er so kurzsichtig ist,
nur das für wirklich und wahr zu halten, was er mit seinem kleinen
Verstand begreifen kann. Dass er zu stolz ist, sich etwas schenken
zu lassen. Dass er meint, nur er selbst könne und müsse etwas aus
sich machen.
Die
„Welt“ – in diesem Sinn des Johannes-Evangeliums – ist tatsächlich
verführerisch. Sie lässt den Menschen groß und unabhängig
erscheinen: nur sich selbst verpflichtet und verantwortlich. Es ist
ganz die Mentalität unserer Leistungsgesellschaft. Sie durchdringt
uns und unseren Alltag so vollständig, dass wir uns ihr kaum
entziehen können.
Ein
Anderer muss uns davor „bewahren“, uns ganz und gar an sie zu
verlieren. Aber wer und wie? Für das Johannes-Evangelium ist Jesus
der, den Gott der Vater als Mensch in diese Welt „gesandt“ hat,
um uns seinen Namen mitzuteilen. Sein Name ist JHWH: Ich bin der,
der da ist für euch. Im Evangelium wird dieser Name Gottes
durchbuchstabiert: „Ich bin das Brot des Lebens – Ich bin das
Licht der Welt – Ich bin der Gute Hirte – Ich bin die
Auferstehung und das Leben – Ich bin der Weg, die Wahrheit und das
Leben.“
Es
sind lauter lebensfreundliche Bilder, die uns einen
menschenfreundlichen Gott zeigen. Er will, dass wir „das Leben in
Fülle haben“ (Joh 10, 10). Nicht ein nur irdisches, zeitlich
beschränktes, irgendwann abbrechendes, letztlich sinnloses, im
Nichts endendes Leben. Sondern ein Leben, das nicht nur nicht aufhört,
sondern erst jenseits des Todes mit und in Gott seine Vollendung
findet.
Aber
das ist Zukunft. Jetzt sind wir noch hier: „Ich bitte nicht, dass
du sie aus der Welt nimmst.“ Die Welt, in der Gott keinen Ort und
keine Stimme zu haben scheint, ist der Ort, an dem Christen sich bewähren
müssen. In eben diese Welt werden sie „gesandt“. Dort sollen
sie Zeugen sein für jenes andere, größere Leben. Es ist uns
geschenkt worden, weil Jesus unser menschliches Leben für uns
gelebt hat, am Kreuz für uns gestorben ist und von Gott aus den
Toten zu diesem neuen Leben auferweckt wurde.
Darum
sind wir schon jetzt nicht mehr „von der Welt“. Wir sind nicht
mehr dem gnadenlosen Kampf ums Dasein verfallen, der doch nur in
einem hoffnungslosen Sterben endet. Unser Vertrauen zum Gott des
Lebens ist der Glaube, der „die Welt besiegt“ (Vgl. 1Joh 5, 4).
Er kann uns auch schon „in der Welt“ verwandeln: von kleinmütigen
und verzagten zu hoffnungsstarken Menschen. Von verzweifelt nur um
das Ihrige Bedachten zu solchen, die mit anderen mitfühlen und für
sie da sind. Nicht gezwungen und verbissen gegen unsere ganz anderen
Neigungen ankämpfend, sondern aus freien Stücken und mit jener
inneren Freude, die von Ihm kommt.
Wir
dürfen nicht meinen, damit immer und überall auf offene Herzen zu
treffen. Wir werden vielmehr sehr schnell merken, dass wir in einer
ganz anders gepolten Welt zu Fremden werden. Der Widerstand, den wir
erfahren, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir unser
Christsein ernst nehmen. Wehe, wenn wir ununterscheidbar sind von
den Bürgern „dieser Welt“.
Dekalog
der Gelassenheit von Nur
für heute werde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das
Problem meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.
Nur
für heute werde ich die größte Sorge für mein Auftreten pflegen:
vornehm in meinem Verhalten; ich werde niemand kritisieren, ja ich
werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu
verbessern... nur mich selbst.
Nur
für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für
das Glück geschaffen bin... nicht nur für die anderen, sondern
auch für diese Welt.
Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen ohne zu verlangen, dass die Umstände sich an meine Wünsche anpassen.
Nur
für heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre
widmen; wie die Nahrung für das Leben des Leibes notwendig ist, ist
die gute Lektüre notwendig für das Leben der Seele.
Nur
für heute werde ich eine gute Tat vollbringen, und ich werde es
niemand erzählen.
Nur
für heute werde ich etwas tun, das ich keine Lust habe, zu tu;
sollte ich mich in meinen Gedanken beleidigt fühlen, werde ich dafür
sorgen, dass niemand es merkt.
Nur für heute werde ich ein genaues Programm aufstellen. Vielleicht halte ich mich nicht genau daran, aber ich werde es aufsetzen. Und ich werde mich vor zwei Übeln hüten: die Hetze und die Unentschlossenheit.
Nur
für heute werde ich fest glauben – selbst wenn die Umstände das
Gegenteil zeigen sollten -, dass die gütige Vorsehung Gottes sich
um mich kümmert, als gäbe es sonst niemand in der Welt.
Nur
für heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich
keine angst haben, mich an allem zu freuen, was schön ist, und an
die Güte zu glauben. Mir ist es gegeben, das Gute während zwölf
Stunden zu wirken; mich könnte es entmutigen, zu denken, dass ich
es das ganze Leben durchsetzen muss.
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