Erfüllte Zeit

15. 08. 2003, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr

 

"Der Mächtige hat Großes an mir getan" (Lukas 1, 39 - 56)

Kommentar: Prälat Josef Eichinger

 

 

Salve Regina

 

 

Prälat Josef Eichinger

„Hoch preiset meine Seele dem Herrn, denn Großes hat er mir getan, der Allmächtige“ dieser Lobgesang Marias, dieses Magnifikat am Anfang ihrer Gottesmutterschaft passt sehr gut zum heutigen Fest. Diese Magnifikat ist eher noch das großartige Finale als die Ouvertüre zu ihrem Leben. Großes hat Gott an ihr getan, da er sie auserwählte, Mutter für seine Menschwerdung zu sein. Großes hat Gott an ihr getan, als er sie ansprechen ließ, ob sie dieser Berufung zustimmen wolle. Unglaubliches hat der Herr an ihr getan, als er ihr verkündete, der Heilige Geist wird sie überschatten. Wunderbares hat Gott an ihr getan, da er sie Christus nachfolgen ließ, auch in seine Herrlichkeit.

 

So huldigen wir in der Präfation der heutigen Messe Gott: „Heute hast du die jungfräuliche Gottesmutter in den Himmel erhoben, als Erste empfing sie von Christus die Herrlichkeit, die uns allen verheißen ist, und wurde zum Urbild der Kirche in ihrer Vollendung. Denn ihr Leib, der den Urheber des Lebens geboren hat, sollte die Verwesung nicht schauen“.

 

Die Heilige Schrift bietet uns keinen Bericht über die Aufnahme Mariens in den Himmel. Doch die Botschaft des heutigen Tages ist voll und ganz auf der Linie der biblischen Offenbarung. Was Maria ist, ist sie durch Jesus Christus. Alle Glaubensaussagen über Maria, alle Marienfeste sind verankert im Leben und Wirken Jesu. Marias Schicksal ist von Christus bestimmt. Man kann nicht von Maria reden ohne von Christus zu reden.

 

Mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit stellt die zweite Lesung das Fest Mariä Aufnahme in seinen christologischen Zusammenhang: „Christus ist von den Toten auferweckt worden, als erster der Entschlafenen…. Erster ist Christus; dann folgen alle, die zu ihm gehören“.

 

Christi Auferstehung ist Unterpfand jeder Auferstehung. Jesu Auferstehung und Verherrlichung sind zunächst und unmittelbar sein persönliches Schicksal. Doch „wie in Adam alle sterben, werden in Christus alle lebendig gemacht“. Marias Aufnahme und Verherrlichung folgen mit innerer Dynamik aus dem Glauben an die Auferstehung Jesu Christi. Das Geheim­nis des heutigen Festes ist daher keine besondere Überraschung. Der ganz Begnadeten und ganz Glaubenden gelten die Verheißungen im vollen Umfang: „Die Auferstehung zum ewigen Leben, das dem ganzen Menschen mit Leib und Seele verheißen ist“.

 

„Fest der Vollendung Mariens“ wird daher der heutige Marientag genannt. Was Gott mit allen Menschen vorhat, hat er an diesem konkreten Menschen, Maria, wahr gemacht. Sie ist mit ihrem ganzen Leben, mit ihrem leiblichen und geistigen Dasein hinein genommen in die Herrlichkeit Gottes.

 

Zur Vollendung gehört eben, dass alles mitgerettet wird, auch die leiblich und irdische Wirklichkeit des Menschen. Das ganze Leben mit Leib und Seele und Geist, der Mensch mit seiner Liebe und seinem Leiden, der Mensch der Hingabe und der Sehnsucht. Vollendung umfasst die ganze Existenz. Leiblichkeit gehört dazu – auch im Himmel.

 

„Hoch preist meine Seele den Herrn, denn Großes hat er mir getan, der Allmächtige“ - dieser Lobpreis steht nicht nur über dem Leben Marias. Ein Magnifikat als Finale über dem Leben Mariens. Vollendung ist auch uns verheißen. Das heutige Fest ist ein Versprechen Gottes für alle.

 

Papst Paul VI. hat daher auf die Frage: „Was bedeutet die Aufnahme Marias in den Himmel?“ geantwortet: „Dieses Fest stellt der Kirche und der Menschheit das Bild und den trostvollen Beweis vor Augen, wie letztlich ihre Hoffnung erfüllt wird“. Wie bei Jesus und seinem Gefolge, bei Maria nach der Erniedrigung die Vollendung erfolgte, so verläuft das Schicksal jedes Menschenlebens.

 

So wenig Gott seinen Sohn dem Tode überlassen hat, sondern zu sich auferweckte und erhörte, wie Gott Maria, die kleine Magd zu sich in seine Herrlichkeit nahm, so werden alle die wie Maria an Christus glauben und ihm nachfolgen, die Fülle des Lebens erfahren dürfen.

 

Aufnahme in den Himmel, das ist auch unsere Zukunft. Wir dürfen guten Gewissens die Sehnsucht nach dieser Vollendung haben. Wäre es nicht so, so wäre unser Glaube null und nichtig. Nun aber ist Jesus Christus von den Toten auferweckt worden und sitzt zur Rechten des Vaters, als erster der Entschlafenen; dann folgen alle, die zu ihm gehören“.

 

Marias Aufnahme in den Himmel feiern heißt: Ich glaube, dass ich wie Maria, die Mutter Jesu, ebenfalls aufgenommen werde in den Himmel. Ich glaube, dass es auch für mich ein Fest der Aufnahme in den Himmel geben wird. Ich glaube, dass es auch für mich eine Vollendung bei Gott gibt.

 

 

Salve Regina

Sei gegrüßt, o Königin,

Mutter der Barmherzigkeit;

unser Leben, unsre Wonne

und unsre Hoffnung, sei gegrüßt!

 

Zu dir rufen wir verbannte Kinder Evas;

zu dir seufzen wir

trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen.

Wohlan denn, unsre Fürsprecherin,

wende deine barmherzigen Augen uns zu

und nach diesem Elend zeige uns Jesus,

die gebenedeite Frucht deines Leibes!

O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria!