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Erfüllte Zeit07. 03. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Die Verklärung Jesu“
Lukas 9, 28b – 36
(Lesejahr C) von Univ.Prof. Christoph Niemand Am zweiten Fastensonntag wird uns die Erzählung von der so genannten Verklärung Jesu präsentiert. Das hat seinen guten Sinn. Denn in den Evangelien wird sie pointiert an eine Stelle gesetzt, da Jesus auf die Ereignisse in Jerusalem zugeht, sich selbst darauf einstellt und seine Jünger mit dem konfrontiert, was nun kommt. Bei Lukas, den wir heute hören, ist das besonders deutlich: Mose und Elija sprechen mit Jesus gerade darüber. Um
die Geschichte zu verstehen, ist folgendes wichtig: Schon die erzählerische
Inszenierung hebt sie aus der normalen Abfolge der Ereignisse in
Raum und Zeit heraus. Nicht Jesus, wie er verkündet, handelt und in
Konflikten steht, ist hier im Blick. Herausgehoben, auf dem Berg, im
Gebet finden wir uns vor – wir, d.h.: Jesus, die Jünger und vor
allem wir Leser! Eine außeralltägliche Vision wird uns angeboten:
Ein Blick aufs Ganze und eigentliche dessen, was es mit Jesus auf
sich hat und was er für uns bedeuten kann. Es zeigt sich etwas, was
immer da ist – was aber nicht immer offen vor Augen liegt. Kein
Wunder, dass die Erzählung für ein solches Offenbarwerden außeralltägliche,
mythische Motive wählt: Das vertraute Bild Jesu verändert
sich, wird durchsichtig und ganz hell. Große Gestalten der
heiligen Geschichte Israels erscheinen. Jesus redet sozusagen auf
Augenhöhe mit ihnen. Die Jünger sind in eigenartiger Mischung aus
schlafender Abwesenheit und hellwacher Aufmerksamkeit. Sie geraten
in eine Wolke, die die Sicht nimmt und doch alles hell macht. Und
sie hören eine Stimme, die ihnen sagt: Dieser ist mein Sohn, der
Auserwählte. Auf ihn sollt und könnt ihr hören. Und dann wieder
alles wie sonst; Jesus und sie allein; vor ihnen der Weg nach
Jerusalem. Was sie auf dem Berg gesehen und gehört haben, können
sie jetzt, auf diesem Weg, noch niemandem erzählen.
Manche
mögen sagen: Eine verrückte Geschichte. So etwas gibt es doch nur
im Märchen oder im Rausch! Ich antworte: Eine alltäglich-normale
Geschichte ist es tatsächlich nicht. Und welche nüchtern zu
konstatierenden Fakten allenfalls hinter der Erzählung stehen,
werden wir sowieso nicht mehr ermitteln können. Aber umgekehrt gilt
doch: Die wirklich wichtigen Erfahrungen und Einsichten des Lebens,
die drücken wir Menschen doch mit Vorliebe und durchaus
sinnvollerweise in außeralltäglicher, in poetischer, symbolischer
und mythischer Sprache aus. Das ist auch kein verzichtbares
Drumherum. Manche Dinge im Leben – und keineswegs nebensächliche
– lassen sich gar nicht
anders sagen. Religion, aber sicher nicht nur sie, braucht eben
solche verdichtete Sprache, sonst kann sie sich nicht ausdrücken.
Wenn
man sich auf diese spezifisch religiöse Sprachwelt also einmal einlässt
und dann nach dem besonderen Profil der Verklärungsgeschichte
fragt, drängen sich mir folgende Beobachtungen auf:
Metamorphose-Geschichten
sind aus den antiken Religionen und Kulturen auch sonst bekannt: Sie
erzählen, wie sich Götter vorübergehend zu Menschengestalt
verwandeln, um unerkannt unter den Sterblichen wandeln zu können.
Oder sie erzählen, wie Heroen, also Übermenschen, zu göttlichen
Gestalten verwandelt und damit unsterblich werden. Die
Verwandelungsgeschichten der Evangelien heben auf etwas anderes ab.
Nicht ein Heroe geht hier in die himmlische Unversehrbarkeit ein.
Vielmehr: Ein Leben, das demnächst in die Vernichtung geht, wird
auf das hin durchsichtig, was es ist und was es bringt. Nicht ein
Gott verkleidet sich, um uns Menschen zu beobachten. Vielmehr: Ein
Mensch, der unter uns handelt und spricht, wird in dem erahnbar, was
ihn ausmacht: Gottes Sohn und Geschenk; Sprecher einer Botschaft,
die trägt. – Lukas verwendet übrigens, anders als Markus und
Matthäus das Stichwort von der Metamorphose auch gar nicht. Er
unterstreicht damit: Jesus wird kein anderer.
Das, was er immer ist, und die, die ihm folgen, an ihm haben, das
wird schlaglichtartig sichtbar. Vorübergehend
sichtbar, wie gleich zu ergänzen ist. Und damit sind wir beim
letzten Punkt, auf den ich hinweise.
Die
Verklärung steht bewusst im Vorfeld des Kreuzweges. Was wir an
Jesus haben und was er darstellt, umfasst also auch diesen Weg. Was
mit Jesus geschehen wird, ist kein blindes Geschick, kein dummer
Zufall. Er muss diesen Weg
in Jerusalem voll machen. Jener Sohn Gottes, auf den wir getrost hören
können, ist kein Siegertyp; sein Weg ist keine Erfolgsstory. Es
soll uns nicht traurig machen, dass für den Evangelisten am Tod
Jesu kein Weg vorbeiführt. Es soll uns aber sehr kritisch machen
gegen alle Heils- und Lebensversprechungen, die ungebrochenen Erfolg
und Sieg verkünden und verkaufen. Das sind wir schon dem
gekreuzigten Jesus schuldig. Dass er gerade als solcher nicht
verloren bleibt, sondern zum Inbegriff von Leben wird, verdankt sich
jener souveränen Paradoxie Gottes, die wir zu Ostern feiern werden.
Die Verklärung ist schon einmal ein erster Blick hinter die
Kulissen. |