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Erfüllte Zeit07. 03. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Elie
Wiesel Eine
chassidische Purim-Geschichte (übersetzt
von Hans Bücker) In
dieser Nacht war Rabbi Meir allein mit seinem Freund und treuen
Diener Reb Arje. Um
Mitternacht stieß Rabbi Meir einen Seufzer aus und setzte sich, der
alten Tradition getreu, auf den Boden, um die Zerstörung des
Tempels zu beweinen und über das Exil Gottes zu klagen, das nun
schon seit Ewigkeiten dauerte. Es
war kalt im Zimmer, doch Rabbi Meir spürte die Kälte nicht. Im
Schweigen seines Herzens flüsterte er: Mach schnell, Gott Abrahams,
Isaaks und Jakobs. Deine Geduld ist keine Tugend mehr. Wir, deine
Kinder sind am Ende. Seit
vielen Jahrhunderten wiederholen die Boten des jüdischen Leidens
und der jüdischen Hoffnung um dieselbe Stunde diese Litanei und
vergießen dieselben Tränen in der Stille derselben Nächte, die
ohne Antwort bleiben. Plötzlich
zuckte Rabbi Meir zusammen. Es hatte geklopft. Reb Arje erbleichte. „Öffne“,
befahl Rabbi Meir. „Aber
wir wissen doch nicht, wer es ist!“ „Öffne,
sage ich dir!“ Vielleicht ist es einer, der Hilfe braucht? Worauf
wartest du noch?“ Reb
Arje öffnete, und vor ihm stand ein Soldat, der auf jiddisch bat,
eintreten zu dürfen. „Ich
habe Hunger“, sagte er. Rabbi
Meir eilte in die Küche, kam mit Brot und Milch zurück und stellte
beides auf den Tisch. Der Soldat aß, ohne ein einziges Wort zu
sagen. „Sag
mal“, begann Rabbi Meir, „es sieht so aus, als ob du völlig
ausgehungert bist, gibt´s in der Kaserne nichts zu essen?“ „Oh
doch.“ „Ja,
und...“ „Die
Sache ist ganz einfach. Das Essen dort ist nichts für mich. Ich bin
Jude und wurde zwangsweise eingezogen, als ich fast noch ein Kind
war. Alles, was ich weiß, ist dass ein Jude koscher essen muss.
Deshalb suche ich überall, wo mein Regiment durchzieht, ein jüdisches
Haus, um koscher zu essen, damit ich nicht vergesse, dass ich Jude
bin.“ Tief
bewegt ging Rabbi Meir ans Fenster. Lange schwieg er, dann seufzte
er tief auf und sagte: „Arje,
mein Freund, höre gut zu: der Messias wird eines Tages kommen, das
ist sicher, aber wem werden wir es verdanken, dass er kommt? Er wird
kommen dank dieses Soldaten, der an die Türen klopft, um uns daran
zu erinnern, wer wir sind.“ |