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Erfüllte Zeit28. 03. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Jesus und die Ehebrecherin“ Johannes 8,1 - 11von Pater Johannes
Aichinger „Da brachten die Schriftgelehrten und Pharisäer
eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in
die Mitte …“ - „Meister (was sagst du dazu?)“ Die Ankläger wollen Jesus in Verlegenheit bringen. Es geht um den Prozess gegen die Frau – aber in Wahrheit geht es um einen Prozess gegen Jesus. Stimmt er der Steinigung zu, ist seine Liebe und
Barmherzigkeit zu den Sündern eine hohle Sache; außerdem ist die
Todesstrafe den Römern vorbehalten.
Spricht sich Jesus gegen die Steinigung aus, zweifelt
er die Autorität des Mose und damit die Autorität Gottes an: Die
Ehebrecherin wird zum Mittel, Jesus anzuklagen – ein Streitgespräch.
Jesus geht einen anderen, einen dritten Weg – in
mehreren Schritten:
Gleich den Propheten des Ersten Testamentes setzt er
eine Zeichenhandlung:
Er bückt sich nieder und schreibt mit dem Finger auf die Erde;
vielleicht dies: „Alle,
die sich von dir abwenden, werden in den Staub, auf die
Erde geschrieben“ So steht es im 17. Kapitel des Buches Jeremia
Vers 13 geschrieben. Vor dem Gericht Gottes sind alle Sünder. Gott
müsste sie alle in den Staub schreiben.
Die Ankläger bohren weiter. – Jesus richtet sich
auf: „Wer von euch ohne Sünde
ist, der werfe den ersten Stein.“ Er bestätigt das Gesetz des
Mose, er setzt aber seinen Vollzug praktisch außer Kraft.
Dann bückt er sich nieder – und schreibt weiter auf
die Erde. Die Augen zu Boden gewendet, schaut Jesus niemanden an. Er
hat die Ankläger zu Recht gewiesen – aber er verurteilt niemand.
Er verzichtet auf einen Gegenprozess: Er hält ihnen bloß den
Spiegel vor.
Die Ältesten werden sich zuerst ihrer Sünden bewusst
– dann alle anderen. Sie ziehen von dannen. Sieht der Mensch seine
eigene Schuld, wird das Richten schwer. Alle leben von Gottes
Vergebung. Damit ist das Streitgespräch – „der Prozess“ - zu
Ende. „Relicti sunt duo, misera et misericordia - am Ende
blieben die zwei, die Erbarmenswerte und die Barmherzigkeit“,
schreibt der Kirchenlehrer Augustinus.
Wieder richtet sich Jesus auf. Er lässt die Frau in
der Mitte stehen. Den Anklägern ging es um die Sache: Ehebruch – Gesetzesbruch – Sünde. Jesus geht es um die Person
– „Frau“, um ihre Freiheit, ihre Befreiung – von allen Anklägern:
Auch er, der Mensch gewordene Gottessohn verurteilt nicht. Jesus
befreit sie auch von ihrer Vergangenheit: „Geh und sündige von
jetzt an nicht mehr!“ Unsere Evangelienstelle gehörte ursprünglich nicht
zum Johannesevangelium. Hieronymus verhalf ihr durch die Aufnahme in
seine lateinische Bibelübersetzung zu breiter Anerkennung. Denn die
Geschichte erregt auch Anstoß – daran hat sich in manchen Ländern,
die bei Ehebruch die Todesstrafe verhängen, in den letzten 2000
Jahren nichts geändert. Die Geschichte mag auch uns, heute am Passionssonntag,
dem 5. Sonntag der Fastenzeit, anstoßen – zu einem österlichen
Glauben: Jesus will nicht den Tod, er will die Auferstehung
der Sünder – er will meine Auferstehung, jetzt und hier.
Die Geschichte mag auch die Kirche anstoßen, auf immer neue Weise von Jesus zu sprechen, der
(einen Weg durchs Meer und) einen Pfad durch gewaltige Wasser von
all dem bahnen kann, was Mensch sein bedroht und gefährdet.
„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster
einen Stein auf sie!“ – Jesu Wort befreie uns davor, auf andere Steine
des Richtens, der Verurteilung und der Vorurteile zu werfen
– sie könnten auf uns selbst zurückfallen. |