Erfüllte Zeit

12. 04. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

"Die Emmaus-Jünger"
(Lukas 24, 13 - 35)
Kommentar: Prof. Philipp Harnoncourt

 

 

"Was glauben Sie?" - 
EU-Agrarkommissar Franz Fischler

 

 

Gregor von Nyssa

 

 

Buchtipp:
"Die Kraft des Augenblicks - Begegnungen mit Papst Johannes Paul II.", Wladyslaw Bartoszewski (Hg.), Herder 

 

 

Der unendliche Augenblick

 

 

Prof. Philipp Harnoncourt

Der Bericht vom Emmausgang der beiden Jünger gehört für mich persönlich zu den aufregendsten und berührendsten Texten des Neuen Testaments. Ich höre darin nicht nur die Erzählung, wie zwei enttäuschte Jünger Jesu vom Auferstandenen selbst zum Glauben geführt werden, ich erkenne darin meine eigene Glaubensgeschichte und auch einen Weg zum Verständnis der Messfeier.

 

Und schließlich ist der Emmausgang auch eine starke Einladung, sich am Ostermontag aus dem Haus zu begeben und eine schöne Wanderung zu unternehmen durch eine Landschaft, in der alles nach Frühling riecht. So ein Emmaus-Gehen war für uns Kinder immer ein herbeigesehntes Ereignis. Der Emmausgang des Lukas-Evangeliums ist einerseits die Geschichte eines traurigen Abschieds, andererseits aber die Geschichte eines unglaublichen Neubeginns. Da verlassen zwei Jünger ihre Kollegen, sobald sich nach dem Ende des Sabbats, der weite Weg verbietet, die Gelegenheit dafür ergibt.

 

Nach der erbärmlichen Katastrophe mit Jesus von Nazaret, auf den die beiden ihre Hoffnungen gesetzt hatten, fühlen sie sich frustriert, vielleicht sogar betrogen. Diese Gefolgschaft war für sie verlorene Zeit, also nichts wie heraus aus diesem Kreis, nach Hause und irgendetwas Neues beginnen, um eine bittere Erfahrung reicher und nicht mehr so leichtgläubig!

 

Dieser eilige Abschied erinnert mich nicht selten daran, wie junge Menschen, die die Kindheit hinter sich haben, von einem Tag zum anderen ihren Ministrantendienst quittieren, als hätten sie damit ihre Zeit sinnlos vertan. Frühere Begeisterung ist plötzlich verschwunden.

 

Die Enttäuschung mit Jesus hat die beiden offensichtlich tief verwundet, und sie können das Geschehene nicht einfach vergessen und wegstecken.

Sie sprechen miteinander über das, was sie noch immer beschäftigt, ja genauer gesagt über den, der sie nicht loslässt.

Da gesellt sich ihnen ein unbekannter Fremder zu. Er will in ihr Gespräch einbezogen sein und fragt sie deshalb, was sie denn so aufregt.

 

Ihrer Antwort ist zu entnehmen, dass die Geschehnisse mit dem Wunder-Rabbi aus Nazareth damals das Tagesgespräch in Jerusalem war, das alle erregt hat. Jeder hatte irgendetwas davon gehört und viele haben sich wohl auch ihre eigene Meinung darüber gebildet. Wer und was war dieser Jesus von Nazaret?

 

Der Fremde beginnt nun zu erzählen; er rückt ihre Urteile zurecht. Und den beiden beginnt langsam ein Licht aufzugehen!

Sie hatten offensichtlich recht gute Kenntnisse der Heiligen Schriften Israels, denn der Fremde erklärt ihnen plausibel aus der Bibel, dass doch alles so hatte kommen müssen mit diesem Jesus, wie es gekommen ist.

Er macht sich über ihre Ignoranz nicht lustig, aber er lässt sie spüren, dass es einiges zurecht zu rücken gibt in ihrem Glaubensverständnis.

In ihnen beginnt Vertrauen zum Fremden zu wachsen. Seine Nähe bringt sie wieder zu innerer Ruhe.

Unter solchem Reden und Fragen vergeht der Tag schnell.

An ihrem Ziel angelangt, laden sie ihn ein, bei ihnen zu bleiben. Schließlich hat es schon begonnen, dunkel zu werden. Der Fremde nimmt die Einladung an.

 

Schon wenig später am Tisch beim abendlichen Mahl zeigen sich die Rollen eigenartig vertauscht: Der Gast ist jetzt Gastgeber, die Einladenden aber sind seine Gäste! Er tut jetzt, was nur dem Hausherrn zusteht:

Er nimmt das Brot, er spricht darüber den Lobpreis, er bricht das Brot, und er reicht es ihnen.

Der Wortlaut dieses Berichtes bei Lukas stimmt auffallend mit seinem Bericht vom letzten Abendmahl überein, das ja erst wenige Tage vorüber war. Die beiden Jünger sind wohl dabei gewesen.

Jetzt gehen ihnen die Augen auf, und sie erkennen ihn! Ihn aber sehen sie nicht mehr.

 

Die zwei werden sich dessen bewusst, was mit ihnen an diesem Tag geschehen ist:

Er war ihr Begleiter; Er hat ihr Herz in Brand gesteckt, als er ihnen die Schrift deutete; Er öffnete ihnen die Augen, als er ihnen das Brot brach.

Er lebt, er ist von den Toten auferstanden.

 

Damit endet aber diese Geschichte nicht, sondern es geschieht sogleich ein Neu-Anfang:

Sie müssen jetzt bezeugen, was ihnen widerfahren ist. Und sie können als glaubwürdige Zeugen akzeptiert werden, denn sie sind ja zwei!

 

Also: Sofort, auch wenn es Nacht ist, zurück nach Jerusalem, zurück in den Kreis der Jünger. Aber noch bevor sie dort ihre Botschaft vorbringen können, hören sie, wie auch diese bereits von der Auferstehung Jesu reden: Er war dem Petrus erschienen!

Jetzt verschaffen auch sie sich Gehör:

Er hat uns begleitet, er hat uns den Sinn der Schrift erschlossen, er hat uns das Brot gebrochen. Da haben wir ihn erkannt!

In diesen knappen Worten ist die Grundstruktur jeder Sonntags-Messfeier leicht zu erkennen:

Am Ersten Tag der Woche; Miteinander unterwegs sein; Hören auf die Schrift, Brotbrechen am Tisch, Essen und Trinken.

 

Die Mitfeier der Messe – ganz besonders am Sonntag – kann, ja sollte auch uns die Augen öffnen und zu Zeugen der Auferstehung machen.

 

Warum geschieht das so selten und oft gar nicht? Wird das spontane Erleben durch das Gebot und das Ritual blockiert?

Ich selbst habe das anders erlebt, freilich nicht von Anfang an. Auch ich kenne Langweise und Verdruss in der Sonntagsmesse. Aber ich hatte mein Emmaus-Erlebnis, und ich werde es nie mehr vergessen. Es war 1953 bei der Osterliturgie auf Burg Rothenfels, Studienkollegen aus München haben mich dorthin mitgenommen. Da gingen mir die Augen auf!

Der Weg nach Emmaus, die Messfeier am Sonntag, ist mein Weg zum Glauben an die Auferstehung!

 

Und ich habe es als meine ureigene Sendung erfahren, die Messe so zu feiern, dass Herzen zu brennen beginnen, wenn ich den Sinn der Schrift erschließe, und dass den Mitfeiernden die Augen aufgehen, wenn ich ihnen das gebrochene Brot reiche. Sie sollen ja hier und heute die Auferstehung des Herrn bezeugen.

 

 

„Was glauben Sie?“ –
EU-Agrarkommissar Franz Fischler

Als erstes von sechs Kindern wurde Franz Fischler am 23.September 1946 im Wallfahrtsort Maria Absam bei Innsbruck geboren. Nach der Matura studiert Fischler an der Wiener Hochschule für Bodenkultur. Nach einer beginnenden Universitätslaufbahn, wo er sich bevorzugt mit landwirtschaftlicher Regionalplanung befasst, kehrt er nach Tirol zurück an die Landes-Landwirtschaftskammer. 1985  wird er ihr Direktor. 1989 holt ihn der damalige Vizekanzler Josef Riegler „über Nacht“ in die Politik.

 

Mit Riegler verbindet ihn die Leidenschaft für eine „ökosoziale Landwirtschaft“.  Fischlers Engagement gilt vorrangig der Existenzsicherung der Klein- und Bergbauern. Er selbst spricht  von einer „ökonomisch leistungsfähigen, ökologisch verantwortungsvollen und sozial ausgerichteten Land- und Forstwirtschaft“. Im Oktober 1994 schlägt die Österreichische Regierung Franz Fischler für den Posten des EU-Agrarkommissars vor, das er „mit großer Sachkenntnis und visionärem Weitblick“ führt.

 

Der Journalist Thomas Mayer schrieb kürzlich im „Standard“ über Fischler: „Mit der Verabschiedung der EU-Agrarreform hat EU-Kommissar Fischler seine Aufgabe praktisch erfüllt...  Der Tiroler aus Maria Absam wird zweifellos als der bedeutendste Agrarpolitiker in die Geschichte der Europäischen Union eingehen.“

 

EU-Agrarkommissar Franz Fischler wird von seinen europäischen Politikerkollegen als ein Mann beschrieben, der eine seltene Mischung aus „Selbstbewusstsein, profunder Sachkenntnis und Bescheidenheit“ in sich vereint.

 

Johannes Kaup hat den vierfachen Vater für die Radioreihe „Was glauben Sie?“ vor das  Mikrofon gebeten.

 

 

Gregor von Nyssa

Den Korinthern, die ihm Bedenken entgegenhielten, um unseren Glaubenssatz von der Auferstehung zu Fall zu bringen, entgegnete Paulus: „Du willst mich fragen, wie die Toten auferstehen können und mit welchen Leibern? Du Tor! Was du säest, wird nicht lebendig, es sei denn, dass es zuvor abstirbt; Und was du auch säest, du säest nie schon den zukünftigen Leib, sondern nur ein Korn, wie etwa Weizen, oder ein anderes Samenkorn. Gott aber gibt ihm einen Leib, wie es Ihm gefällt!“ (1. Kor. 15, 35 ff.) Hier scheint mir der Apostel jene zu zügeln, die wähnen, Gott vermöge nur so viel, wie sich unser Menschenverstand jeweils vorstellen kann...

 

Mir will das Wort des Apostels so scheinen, als ob es für unseren Versuch spräche, Gottes Absicht mit unserer Auferstehung vielleicht richtig gedeutet zu haben, wenn wir sie als Wiederherstellung unserer Natur in ihrem ursprünglichen Zustand beschreiben. Wir wissen ja aus der Geschichte der Welterschaffung durch die Heilige Schrift, dass die Erde zuerst Gras hervorbrachte - wie es dort in der Erzählung heißt - und dass dieses Gras Samen trug, der sich über die ganze Erde hin verstreute und dann die nämliche Art wie die Anfangspflanze erzeugte. Nach den Worten des Apostels wird es genauso auch bei der Auferstehung sein. Wir hören aber von ihm nicht nur, dass die menschliche Natur eine größere Herrlichkeit empfangen werde, sondern auch, dass diese Herrlichkeit, auf die wir hoffen dürfen, genau jener gleichen werde, welche wir im Anfang der Schöpfung hatten.

 

Denn da im Anfang nicht die Ähre vom Samen, sondern der Samen von der Ähre kam, nachher aber umgekehrt die Ähre aus dem Samen hervorwächst, so gibt uns dieses Vorbild - falls wir es folgerichtig auslegten - einen deutlichen Fingerzeig dafür, dass alle Glückseligkeit, die uns aus der Auferstehung erblühen wird, uns zur Gnade der ursprünglichen Ausstattung zurückführen soll. Denn auch wir waren zuerst reine Ähren, die jedoch durch den hässlichen Brand der Sünde dahinwelkten. Nun soll uns, wenn der Tod uns auflöst, die Erde in ihren Schoß aufnehmen. Dann aber wird dieses armselige Samenkorn des Leibes im Frühling der Auferstehung wieder zur vollkommenen Ähre werden, schlank, voll, aufrecht, zum Himmel emporstrebend, und statt mit Halm oder Stengel ist sie mit Unverweslichkeit und mit den übrigen göttlichen Eigenschaften des Himmels geschmückt...

 

 

Der unendliche Augenblick

Es gibt Situationen, da fühlt die Seele Seine Gegenwart plötzlich auf eine Weise, die einen Irrtum unmöglich macht, und mit Zittern und Angst ruft sie: „Du bist der, der Himmel und Erde gemacht hat!“ Und sie will sich verstecken, will davonlaufen vor dieser Gegenwart und kann es doch nicht, weil sie wie zwischen Wand und Schwert steht, zwischen Ihm und Ihm. Sie kann sich nicht verbergen, weil diese Gegenwart Himmel und Erde überschwemmt und weil sie auch die Seele vollkommen einhüllt. Und die Seele, die ihr ganzes Leben lang dem Glück nachgelaufen ist, ohne es je ganz zu finden, die in jedem Augenblick die Schönheit und die Lust und die Freude gesucht hat und von allem immer mehr und mehr wollte, sie ruft jetzt in Todesangst, ausgelöscht in einem Ozean unerträglichen Glücks: „Es ist genug! Lass mich nicht länger diese Seligkeit spüren, wenn Du mich liebst, sonst sterbe ich.“ Sie spürt eine solche Süße in sich eindringen, dass diese Süße Schmerz wird, unendlicher Schmerz, eine unendliche Bitterkeit und eine unendliche Süße. Das ganze dauert vielleicht eine einzige Sekunde, und vielleicht wiederholt es sich im ganzen Leben nicht noch einmal. Die Seele, die aber einmal diese Sekunde erfahren hat, fühlt alle Schönheit und alle Freude und alles Glück dahinschwinden, sie sind „nichts als Dung“, wie die Heiligen sagen (Skybala – „Scheiße“, sagt Paulus), nichts erfreut sie mehr als diese Seligkeit. Von nun an wird ihr ganzes Leben ein Leben des Leidens und der Sehnsucht, weil sie wahnsinnig geworden ist, wahnsinnig vor Liebe und Verlangen nach dem, was sie einmal geschmeckt hat.

 

Aus: Ernesto Cardenal – Das Buch von der Liebe