Erfüllte Zeit

18. 04. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

Kommentar zum Mitteleuropäischen Katholikentag

 

von Dolores M. Bauer

 

„Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit“ – so steht es im Buch Kohelet. Dies scheint auch für kirchliche Veranstaltungen jeglicher Art zu gelten, die ebenfalls Kinder ihrer Zeit sind, also auch für Katholiken-Tage. Im Jahr 1952 gab es einen Österreichischen Katholikentag in Wien. Von ihm sagte mir ein Teilnehmer viele Jahre später: „Es war eine machtvolle Demonstration „ also offenkundig ein Kind der „Esslesia triumphans“. Ich kann das nicht beurteilen, denn das war vor meiner Wiener Zeit.

 

Was ich beurteilen kann, ist der Österreichische Katholikentag des Jahres 1983, denn da war ich sowohl in der Vorbereitung als auch am Tag selber vor dem ersten Papstbesuch dabei. Das war eine Sache des Gottesvolkes, das wuchs von der Basis, aus den Pfarren, Gruppen und Dekanaten und wurde zu einem Miteinander-Fest. Gerade in letzter Zeit war ich ziemlich viel in diesem Land unterwegs, hatte Gelegenheit mit Leuten in Städten und Dörfern zu reden und überall bekamen sie sehnsüchtige Augen, wenn sie von „Ihrem Katholikentag“ redeten. „ Das war für uns ein Aufbruch.“ – hieß es nicht selten, „Als wir nach Hause kamen, setzten wir uns zusammen und schmiedeten Pläne, was wir tun könnten um mehr Kirche, um mehr Volk Gottes zu sein. „Ja und dann gründeten sie Selbstbesteuerungsgruppen, Solidaritätsvereine, Gebetskreise und alles Mögliche, das in vielen  Fällen weiter gewachsen und bis heute lebendig ist. Und wenn ich dann nach dem bevorstehenden Mitteleuropäischen Katholikentag fragte, hieß es : “Keine Ahnung. Das ist etwas Abgehobenes, eine Insidersache, die uns nichts angeht. Und wenn man das Volk nur als Masse bei einer Wallfahrt, nur zum Beten und Singen braucht, dann interessiert uns das nicht, das können wir auch alleine.“

 

Als die Idee zu diesem Mitteleuropäischen Katholikentag, zu dieser „Wallfahrt der Völker“ durchsickerte, fragten sich die Laien nach ihrer Aufgabe, ihrer Rolle dabei und stießen auf verschlossene Informationstüren. Die Laienvertreter begannen mit den Zähnen zu knirschen und an die Türen zu klopfen. Schnell wurde klar: das ist eine Sache der Bischofskonferenzen, der diözesanen Sekretariate der teilnehmenden acht Länder, eine Sache des Klerus also und nicht des Gottesvolkes. Die Völker, wie gesagt, dürfen zur Magna Mater Austriae wallfahrten und sonst nichts.

 

In der Vorbereitung gab es Symposien in den acht Teilnehmerstaaten, also Veranstaltungen, bei denen Theologen und Wissenschaftler vor einem hand-verlesenen Teilnehmerkreis gescheite und wohl auch fundierte Sätze absonderten, aber es gab das nicht, was man gemeinhin „communio“ nennt. Es ging um „Christliche Werte in der EU“ in Budapest, um „Weitergabe des Glaubens“ in Celje, um die kirchliche Mitwirkung an Europa in Puchberg, um Ehe- und Familienpastoral in Zagreb und in Warschau um Landwirtschaft. Alles wichtige Themen, keine Frage, aber eben abgehoben und dem Gottesvolk nicht zugänglich.

 

Es dauerte lange und erst als der ganze Plan etwas ins Trudeln geraten zu sein schien, tat man dem Klopfen der Laien die Türe einen Spalt breit auf und genehmigte etwas, was jetzt „Laientreffen“ genannt wird. Um die besorgten Hirten nicht zu ängstigen, verzichtete man von vorneherein auf jegliche Beschlussfassung und beschränkte sich auf eine Tagesordnung mit den Themen der Symposien. Da können also ebenso hand-verlesene Laienvertreter ihre Ansichten äußern, was keinerlei Relevanz haben wird.

Natürlich wissen wir alle um die verschiedenen Geschwindigkeiten in den westlichen oder mittel- und osteuropäischen Kirchen, vor allem was die Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils angeht. Aber, wäre da nicht eine Möglichkeit gewesen, sozusagen Arm in Arm einen Schritt vorwärts zu gehen, auf das Gottesvolk zu? -Aber wie auch immer, Begegnung bietet in jedem Fall eine Chance, dass Gott mehr daraus macht, als das Bodenpersonal vorgesehen hat. Und in diesem Sinne kann ich der Veranstaltung nur aus vollem Herzen ein gutes Gelingen wünschen. In diesem Sinne deute ich auch die Worte des verstorbenen Kardinal Franz König, der einmal meinte, dass die „Wallfahrt der Völker“ zu einem Pflanzbeet der Kirche der Zukunft werden könnte, wenn man die darin verborgenen Chancen zu nützen verstünde.