Erfüllte Zeit

20. 05. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Silja Walter „Die Fähre legt sich hin am Strand“ – Ein Lesebuch (Arche Verlag)

 

 

Es ist wirklich so: Immer bin ich jetzt eben daran, zum erstenmal meine neuen Augen zu öffnen, um zu sehen, meine Ohren aufzutun, um mich angerufen zu hören, von meinem Anfang angerufen. Um ihn zu mir reden zu hören aus dem Ursprung, aus dem er kommt.

 

Was soll ich also schon oder noch wissen?

 

Alles Wissen ist vorderhand hier ausgeschlossen, erst muss ich leben in der Wahrheit, ehe ich weiß, was sie ist.

Mein Rufer aus dem Garten, nicht wahr, erst muss ich in der Wahrheit zu leben beginnen, in ihr atmen, gehen, laufen, sie essen, trinken, in ihr wohnen, beten, schlafen, arbeiten, spielen und tanzen, das braucht aber Zeit, das braucht alles Zeit, nicht wahr? Wissen ist nicht wichtig, im Wissen kann ich nicht leben aus dir, Ruf, der du mich zur Welt bringst, nachdem du mich gezeugt hast. Wieso weiß ich das? Das weiß ich doch nicht, aber ich werde es sehen und einsehen, das schon.

 

Wenn ich es umdrehe, was du gesagt hast zu Nikodemus, dann hast du zu ihm gesagt:

„Wenn einer wiedergeboren wird, dann kann er das Reich Gottes sehen.“

 

Darin liegt es, das Neue, die Geburt, das Sehen, alles, was geschieht, wo ein Armer in deinem Niedergang steht.

 

Wirklich, nur in der Armut kann man leben aus dir, im Wissen nicht und im Haben nicht, nur in der Armut, sie ist der Ort für die Wahrheit.

Wer dasteht, seine eigene Geburt sieht und die Wahrheit wahrnimmt, der braucht keinen Komfort mehr, er will nur noch immer im armen Leben angetroffen sein.

 

Ich werde mich also in der Armut einrichten, um dort aus dem Anfang, aus der Wahrheit des Ursprungs als Anfänger geboren zu werden, immer von Neuem, jeden Augenblick.